Malermaterialien (nicht nur) des Mittelalters 1 - Rote Erdpigmente
Es ist schon ein seltsames Bemühen! Zu versuchen nämlich, mit alten Mitteln, nach alten Techniken so zu werken, wie es denn die Meister und deren mehr oder weniger begabten Gesellen anno dazumal taten. Man mag über historische Richtigkeit von Nachahmungen unterschiedliche Ansichten haben, mag sich über jene echauffieren, die von Mitteilnehmern diverser Mittelalterfeste verlangen, sie müssten doch in der Lagergestaltung entweder allersterengstens die ominösen 'A'-Richtlinien beachten oder es andernfalls besser bleibenlassen (und die dabei zugleich keinerlei Bedenken hegen, im wiewohl prächtigen so doch industriell gefertigten Baumwollrundzelt zu residieren ...)
Andererseits liegt der besondere Reiz von Ausrüstungsgegenständen oder Kunstwerken vergangener Zeitalter gerade auch in ihrem typischen Aussehen - und das wird ihnen (neben modisch-stilistischen Gesichtspunkten, die zu allen Zeiten einen großen Einfluss ausübten) ganz wesentlich durch die verwendeten Techniken und Materialien aufgeprägt. Nun ist aber das Wissen über manche dieser Techniken möglicherweise verlorengegangen, vielleicht fehlen auch die notwendigen technischen Gegebenheiten, oder aber gewisse Pigmente sind nicht mehr verfügbar ...
Authentizität im strengen Sinne wird also gar nicht mehr möglich sein. Allenfalls wird man versuchen können, durch eine geeignete Auswahl von (Ersatz-)Arbeitsmaterialien und -techniken eine den angestrebten Vorbildern möglichst gute Annäherung in seinen Arbeiten zu erzielen. Aber auch in diesem Falle gibt es eine Menge zu beachten, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu ermöglichen. Grund genug für uns, die wir wenig wissen, aber viel zu lernen bereit sind, in lockerer Folge einige Blicke auf (Original-)Techniken und Materialien der Malerei zu werfen, um derart Malmittel etwas gezielter nach Wirkung und historische Genauigkeit auswählen zu können ...
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Naturerden und die aus ihnen gewonnen Erdfarben zählen mit Sicherheit zu den ältesten, von Menschen eingesetzten Farbmitteln, wie etwa die berühmten Höhlenmalereien der Eiszeit beweisen. In den ersten Anfängen wohl als Zufallsfunde, die bei Streifzügen anfielen, gewonnen, wurden sie schon recht frühzeitig aus bekannten Fundstätten meist im Tagbau gewonnen und anschließend mechanisch aufbereitet (zerkleinert) und durch Schlämmen gereinigt. Neben gelben waren dies vor allem auch rote Erden, deren Ergiebigkeit durch ihren Eisenoxidgehalt vorgegeben wurde. Durch Brennen (oxidieren) mancher dieser Erden konnten weitere Farbnuancen gewonnen werden.
Die Bezeichnungen (roter) Erdpigmente entsprechen oft (aber nicht immer) ihrem ursprünglichen Herkunfts- oder Förderort. So bietet das gutsortierte Regal des Fachhändlers neben Terra di Treviso, Sinopia, Persichrot, Spanischrot, Terra Armenum oder Terra di Pozzuoli etwa auch echten Rötel .
Wie bereits erwähnt, kann der Gehalt am farbgebenden Eisenoxid (Fe2O3) dieser Naturerden stark variieren (zwischen z.B. den 20% der Terra di Pozzuoli und bis zu 95% bei spanischen oder persischen Vorkommen. Ebenso schwanken die Farbnuancen nicht nur in Abhängigkeit ihres Herkunftsortes, sondern auch am Fundort selbst. Die Gewinnung erfolgt meist durch Ergraben oder Erbrechen im Tagbau aus Gruben. Sofern dies nötig ist, wird das gewonnene Material geschlämmt (worunter ein Verfahren zur Trennung unterschiedlich grober Materialien durch Aufwirbeln im Wasser und anschließendes zeitversetzes Absetzen der Komponenten aus dieser Suspension), gemahlen und eventuell noch 'windgesichtet' - also mittels eines Luftstroms durch einen Siebstoff gedrückt.
Auch die Härte der Ausgangsmaterialien kann von sehr weichen Tonerden - die sich einfach zu einem gleichmäßigen Pulver zermahlen lassen, ja, die sogar so weich sein können, dass mit direkt aus diesen Erden geschnittenen Stiften (Rötelstiften) ohne zusätzliche Bearbeitung gezeichnet werden konnte -, bis hin zu harten, steinartigen Brocken variieren.
Aus Anwendersicht sind die roten Erdpigmente als recht komfortabel und universell einzustufen, sind sie doch mit allen anderen Pigmentarten verträglich und in allen Bindemitteln und Techniken (also Öl, Tempera, Leim, Kasein, Kalk, ...) verwendbar. Zudem zeichnen sie sich durch vollkommene Lichtechtheit und Wetterfestigkeit aus. Besonders die tonhaltigen Sorten weisen auch eine gute Mischbarkeit aus, gröbere und schwerere Sorten neigen allerdings in wässrigen Bindemitteln dazu, sich stark abzusetzen, was das Aufrühren erschwert.
Der Bindemittelbedarf kann je nach Sorte stark schwanken, speziell in Leim, Tempera oder Kasein kann eine sehr reichhaltige Beimengung von Bindemittel notwendig sein, wobei der Anteil des Bindemittels wiederum Einfluss auf den realisierten Farbton nimmt. Kurz gesagt: Es wird wohl vieler Experimente benötigen, bis der dilettierende Hobbymaler diese Eigenart einigermaßen zu beherrschen und anzuwenden vermag.
Zum Abschluss vielleicht noch ein kleiner Rückblick in die Historie: Schon Plinius erwähnte Sinopis pontica, also Erden aus dem kleinasiatischen Sinopia, welche mit zu den farbstärksten bekannten gelben bis roten Erden zählen. Im italienischen Trecento und Quatrocento war es üblich, die Unterzeichnungen für die damals in Auftrag gegebenen prächtigen Fresken mit Sinopia unterschiedlicher Farbnuancen vorzunehmen. Dort, wo Fresken abgenommen wurden oder aus anderen Gründen abgefallen sind, lassen sich diese oftmals sehr detaillierten Vorarbeiten heutzutage wieder bewundern.
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