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Süßer Apfelschmarrn
Es gibt sie, jene Tage, an denen nichts mehr zu finden ist in der heimischen Speisekammer und im eisgekühlten Keller an würzigem Speck, an kräftiger Wurst oder süßer Pastete. Kein zartes weißes Brot, der letzte Karpfen verbirgt sich tückisch in der hintersten Tiefe des Teichs. Das Horn vom Turm vermeldet keinen reichen Kaufmannszug, den zu erleichtern Erleichterung gebracht hätte in angspannter Situation, und auch die Jäger kehren heim bar jeglichen Wildes. Nicht die Sau, nicht den Hirschen, ja, nicht einmal ein Häschen konnten sie erhaschen, vermelden sie, nur den feuchten Tau und die Hitze des Tages ... Aber die Hühner - um Gotteswillen, nicht die Hühner! - die lass in Ruh'!
An solch einem Tag stehen sie dann vor dir, all deine Lieben, das Gesinde - die wackeren, wenn auch erfolglosen Jägersmannen, die zeternden Kindelein, die keifende alte Magd, der bucklige Schmied und der feiste Pfaffe, das kuhäugige Mägdelein, dem du einst versprochen hast all die Freuden des Gaumens, wenn sie sich nur willig zeige und gelehrig, manch Künste zu erlernen. Mit ausgezehrten Gesichtern und abgrundtief leeren Mägen stehen sie und fragen, was es denn zu speisen gäbe. Sieh es mit Freuden: Denn an solch einem Tage kannst du zeigen, wie sich aus Wenigem Viel machen lässt, ohne Zugriff zu nehmen auf die berittenen Boten, deren ofengebackene Fladen aus den Backstuben der Stadt allenfalls laue Wärme, niemals aber Hitze zu verströmen vermögen ...
Hurtig nun an die süße Köstlichkeit ...
... und nimm an Zutaten (wenn du mit Dreien zu teilen gedenkst):
Die Entscheidung ist gefällt? Du hast dich entschlossen höchstselblich Anhang und Gesinde vom Hungerstode zu erretten? Nun, gut, dann wirf einen Blick in die Speisekammer, in den Garten zum Obst - ist da noch Mehl? Etwas (nicht zu ranzige) Butter? Der Kuh ein wenig Milch geraubt, dem Hühnervolk ein paar Eier; Äpfel - frisch vom Baum oder doch zur Hälfte verschrumpelt aus der Steige? Egal! Wenn du all das findest, dann ist es schon gewonnen, euer Mittagsmahl. Zugegeben, es ist keine Speise, um den Kaiser zu beeindrucken oder den Grafen - aber dem gemeinen Volk mag es wohl munden.
Dann los! Lasst uns die Ärmel aufkrempeln und der Weiber Röcke und beginnen ...
Damit es schnell gehe, mögen alle sich beteiligen: Der Schmied soll die Messer schärfen und dann um den Honig gehen; seine Haut ist am dicksten gegerbt. Die Kindelein hetz' auf den Baum zu den Äpfeln und in den Stall zu den Hühnern, auf dass sie sich der Eier bemächtigen; die wackeren Jägersmänner lass schüren die Flammen, den Pfaffen beten für ein gutes Gelingen - du und das Mägdelein aber, ihr ziehet euch zurück und sammelt euch, um dann in trauter Zweisamkeit zu verbringen das eigentliche Werk.
Das gar leicht zu bewerkstelligen ist: Denn das Mägdelein mag mit dem frisch geschärften Messer die Früchte des Baums schälen, inwendig das Gehäuse entfernen und den Rest in kleine Stücke zerteilen - wenn ihre Hände aber zu fein sind und zu zart dafür, dann lass es der alten Magd. Das Mägdelein mag dir stattdessen einen Apfel zum Kosten darbieten - was ist schon dabei? ist ja nur ein Bissen! - und ihr strahlendstes Lächeln. Gott, was für ein Lächeln!
In einer Schüssel verrühre du inzwischen Mehl und Milch und Eier zur dickflüssigen Masse; gib noch die rechte Menge Salz dazu. Mach es mit flinker Hand, mach es geschickt - und sie wird dich bewundern dafür. Überlass es ihr, der Speise die richtige Süße zu verleihen; mit Honig und Zucker und Zimt und ihrem Wohlgeruch und ihrem Lächeln wird sie aus einem einfachen Gericht eine rechte Götterspeise machen.
Du aber nimm dann eine große Pfanne und zerlasse die Butter über dem Feuer, gib den ersten Teil der Apfelstücke dazu - auf dass sie recht ins Schwitzen kommen, nach der Ketzer Art; gieße dann genügend Masse in rechter Weise dazu - nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam - und backe sie zum Fladen: Gelb und Braun mögen sich ein Stelldichein geben und mit dem Schwarz der fliegenden Asche ein reizvolles Wechselspiel der Farben bilden. Den fertigen Fladen gib in eine Schüssel und wiederhole den Vorgang solange, bis es dir an Äpfel und Masse ermangelt.
Anschließend zerteile den Fladen in Stücke - vielleicht ist da noch anderes Obst oder Beerenmus, das gib dazu; daneben stelle eine Kanne Milch - und teile mit den Hungrigen. Einem Jeden weise dabei die rechte Portion zu: je eine den Kindern, der alten Magd, dem Schmied und den Jägersleuten, dem Pfaffen gib zwei, auf dass er für dein Seelenheil bete, dir selbst aber drei - schließlich bist du es gewesen, der all die Arbeit geleistet! Aber lass dich nicht erweichen von des Mägdeleins Flehen um ein Mehr von der süßen Verführung - ansonst wird sie dir bald zu griffig werden um die Leibesmitte ...
Und während ihr speist, wohlgelaunt, und euer Lachen über Turm und Zinnen hallt, mag ja schon das Horn dazwischenfahren, den reichen Pfeffersack vermeldend, oder der Knecht mit dem Ochsenkarren ein unvorsichtiges Reh überrollen - und sich so die Speisekammer wieder füllen, auf dass bald üppiger gevöllert werden kann ...
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