Zurück zu Speis und Trank oder zur Hauptseite
Lokalkolorit zum Herbst: niedliche Karottenküchlein
Da mögt ihr die Sänger singen hören von den Gerichten an den Tafeln der Großen, von den zwei Dutzend Gängen, vom schweren Lachs, vom zartgegarten Rebhuhn und vom nicht länger mehr im Walddickicht röhrenden Hirsch, von der zuckrig süßen Nymphe und ihren zarten Gliedern am abschließenden Tablett, und ob ihr's wollt oder nicht, wird in euch Lust erwachen - Lust nämlich, eure Zähne in wölfischer Manier in Essbares zu schlagen und euch den Wanst recht ordentlich zu füllen, wie es eines rechten Edelmannes oder Edelfräuleins Brauch ist ...
Doch ach - trübnebeliger Herbst ist es, und die Felder sind bar und kahl jeglicher Früchte, vor dem Tor stehen die guten Menschen, die sich und euch jegliche Jagdfreuden verbieten - und tief unten findet ihr die freiherrlichen Vorratsgewölbe verwaist, abgesehen von den drei oder vier erst jüngst nachdrücklich eingeladenen, fest angeketteten Pfeffersäcke, deren Angehörige sich so störrisch und säumig zeigen ob der Entschädigingszahlung für die freundschaftlich und christlich gewährte Unterkunft unter eurem festen Dach.
Nun schleicht ihr mit hängendem Haupt höchst betrüblich wieder von dannen, darüber sinnend, womit ihr das Grollen in eurem Inneren besänftigen möget, vorbei an den Pfeffersäcken ... nein, nein, nicht innehalten hier; denkt nicht einmal daran (zudem besitzen wir keine passende Rezeptur dafür). Und wie euer Blick umherschweift im Hungerwahn, wird er vielleicht an einigen kümmerlichen Karotten (welche man in manchen Gegenden auch mit dem Begriff Möhren benennt) haften bleiben, die im Winkel verloren vor sich hinschrumpeln. Zugleich wird ein Leuchten in euren Augen erglimmen, sich ein Lächeln über eure Lippen und eure abgezehrten Wangen ergießen - denn schon seht ihr sie vor euch stehen, ...
... ein Dutzend wackerer, niedlicher, süßer, heiß duftender Küchlein nämlich (das sind solch Feinheiten, die anderswo mit dem seltsamen Namen Muffins bezeichnet werden; eine Bezeichnung, derer wir uns nicht recht erwärmen können, erinnert sie uns doch lautmalerisch stets an den Duft, den unsere Stiefel verströmen, wenn wir sie nach tagelangem Ritt ....), die danach gieren, sich unserem Rachen tollkühn entgegenzuwerfen!
Für ein Dutzend putzigkleine Küchlein ...
... nimm an Zutaten:
Dann hurtig auf! Lasst uns nicht länger zögern damit, das Werk zu beginnen! Ist noch Mehl im Haus? Es braucht nicht viel daran! Gut, wenn die faule Magd den Boden wieder einmal nicht fegte. Und der Zucker? Doch sicher im Gepäck eines dieser feisten, lauthals sich beschwerender Wänste. Vielleicht noch Mandeln dazu?
Was, wenn nicht? Kettet die Kerle los, tagelanges Herumhängen schadet ohnehin nur den Gelenken, scheucht sie ins Gelände, auf dass sie dort nach der Hasel forschen oder nach der Walnuss; drei Eier finden sich im Stall! Hurtig mögen sie die Karotten raspeln, die Mandeln auch. Derweil ihr das faule Mägdelein recht ordentlich tadelt und ihr zugleich den ... ähh, die Wangen tätschelt.
Alsdann ihr eure Gäste wieder an der Wand befestigt, wird das Mägdlein, glücklich schnurrend über die gewährte Vergebung und eure wiedergewonnene Zuneigung, sich sputen, das Mehl mit den Mandeln zu vermengen, vom Eiklar die Dotter zu trennen und letztere mit dem halben Zuckerhäufchen in der Schüssel schaumig zu rühren - doch habt gut acht auf sie und die geschmeidigen Bewegungen ihrer Glieder, während sie sich dessen befleißigt, ist sie doch ein rechtes Naschkätzchen, das einer süßen Versuchung nur schwer zu widerstehen vermag ...
Treibt sie an mit fröhlichem Zuruf, damit sie hurtig darin fortfährt, die andere Hälfte vom Zucker mit dem Eiklar in der zweiten Schüssel zu schlagen, fest zu schlagen - halt, halt, erst lasst sie noch zurücktreten, streut mit all dem Wissen, das euch die langjährigen Reisen in den berühmtesten Zentren der Kochkünste, in Bagdad, in Cordoba und Byzanz, in Paris, vermittelt, genau die rechte Prise Salz ins steife Eiklar - dann ganz fest schlagen, so lange, bis alles steif ist, die beiden Schüsselinhalte zu vermengen.
Führt ihr, an ihre Schultern gelehnt, die zarten Finger, derweil sie die Masse knetet, teilt und in kleine Schüsselchen füllt, die sie zuvor gebuttert und mit Bröseln bestäubt hat, und so die sinnlich schmeckenden Küchlein formt. (Oder ist ihr Nacken es, der so fein duftet?) Blicke huschen, angehaltener Atem, Zähne blitzen, ein Lächeln, ein Erröten, die Küchlein wandern in den Ofen - oh, wie heiß (ungefähr 180°), oh, wie erregend kann das Backen sein! Auf, auf, meine Liebe, lass uns in die Kemenate gehen - dort muss noch artig gefegt sein ... dieweil ihr dort, an der Wand, auf die Küchlein achtet, die noch zwanzig viel zu kurzer Minuten benötigen, ein wenig heißes Marillenmus danch obenauf und Streuzucker vielleicht ...
Auf dass euch die Küchlein wohlgelingen und derart für die Anstrengungen des Fegens entschädigen mögen ...
Zurück zu Speis und Trank oder zur Hauptseite
© 2014, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten