Die (Ess-)Gewohnheiten eines Kaisers
Zurück zur Übersicht Speis und Trank, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite
Ein Klick auf die unscheinbare Fernbedienung am Couchtisch - und schon ist uns der Blick frei auf die große, weite Welt. Was gibt es da nicht alles zu bestaunen an Ereignissen, an Wichtigem und Unverzichtbarem, an Schmunzelswerten und Sensationellem. Ein Wulst an Nachrichten ist es, der uns da in Form mehr oder weniger flimmernderer Bilder überrollt. Doch unter all diesen Neuigkeiten - seien wir uns ehrlich - sind es just die, die uns am meisten bewegen, die von den Großen und Mächtigen, von den Wichtigen und Schönen, von den Reichen und Neureichen, von den Fürsten und *man erhebe sich* von den Royals berichten.
War da nicht jüngst ein solches Ereignis zu bewundern und zu bestaunen? Ein wahrhaft weltbewegendes, das solche Belanglosigkeiten wie Wirtschaftskrislein und bedauernswertes Reaktormaleur in die mediale Bedeutungslosigkeit verschob, dorthin, wo ihr Platz ist, angesichts des angesprochenen Vorkommnisses? Ja, wir sprechen von einer royalen Hochzeit. Von einer? Nein, von der royalen Hochzeit, zwischen dem Prinzen William Mountbatten-Windsor, Duke of Cambridge und der vormaligen Catherine Elizabeth Middleton, nun Catherine Mountbatten-Windsor, Duchess of Cambridge.
Jede Kleinigkeit ist es, die uns da interessiert, ob nun die Farbe des Kleides of Her Royal Highness Catherine Elizabeth, Duchess of Cambridge, Countess of Strathearn, Baroness Carrickfergus oder das Abschneiden Prinz Willies beim letzten Polo Turnier. Und dann erst die Hutparade! Keiner würde es ernsthaft abstreiten: Die Welt wäre ärmer ohne eine solche Berichterstattung - und ohne jene wackeren Männer und Frauen, die mit letztem Einsatz (wirkliche allerletztem) hinter Kamera und Mikrofon, blitzend und lauschend, manchmal sogar durch pure Gewalt bedroht, uns mit derartig aufregenden Neuigkeiten, uns mit Geschichten hinter der Wahrheit versorgen.
Nun beschäftigen wir uns hier auf unserer Seite mit Ereignissen und Persönlichkeiten, die schon einige Jahre mehr auf dem Buckel haben, nichtsdestotrotz haben aber auch hier die Royals ihren Platz. Und deren gab es ja genug im langen Zeitabschnitt des Mittelalters, und genug gäbe es ja auch über sie zu berichten. Aber, werdet ihr einwenden, woher wollen wir denn über sie wissen, was uns interessiert. Schlachten und Eroberungen! Ha, einfallslos! Reformen? Nein, das ist es nicht was uns interessert! Wir wollen wissen, wie sie lebten, wenn mal gerade nicht der Mamelucke zu bekriegen, der Mongole zu vertreiben war, was sie so trieben, wenn sie es gerade nicht mit andern Großen trieben. Wer, fragt ihr, wer erzählt uns dies?
Aber ja, so lautet die freudige Nachricht, die wir euch hier geben können, es gab sie auch damals, die Berichterstatter, die Paparazzi des Wortes , die uns mit solchen Lektürchen aus jenen Zeiten versorgen können - Biografen, nannte man sie einst. Und so wollen wir uns in lockerer Folge solcher Geschichten bedienen, solche Männer und Frauen zu Worte kommen lassen darüber, was uns wirklich interessiert von jener fernen Vergangenheit.
Und wenn schon Royals, denn gleich mit einem richtig großen Kaliber beginnen, ist unsere Devise: Also her mit ihm, mit dem Frankenherrscher, der den schwächlichen Griechen ihren alleinigen Kaisertitel streitig machte und ihn in die kernigen gallischen und germanischen Lande zurückbrachte, her mit Karl dem Großen. Und wer würde sich besser dafür eignen, über ihn Auskunft zu geben, als sein Haus- und Hofbiograf Einhard , seit 800 Leiter der Hofschule des Kaisers. Und seine Vita Karoli Magni gibt ja auch durchaus einiges her über die Gewohnheiten des großen Frankenherrschers.
Aber wenn ihr euch jetzt Bettgeschichten und Sexskandale erwartet, dann lasst euch eines sagen: Schämt euch; nichts davon! Schließlich stellen wir an uns selbst den Anspruch höchsten Niveaus. Nicht wie jene Schmuddelblättchen! Also zumindest diesmal noch nichts davon ... Nein, heute wollen wir Einhard etwas über - erraten, ihr befindet euch im Abschnitt übder Kochen und Speisen - die Essgewohnheiten seines Herrn berrichten lassen. Ihr werdet staunen, wenn ihr hört, wie genügsam ein solcher Herr sein konnte (nach königlich-kaiserlichen Maßstäben zumindest) und auch darüber, dass Enthaltsamkeit schon damals eine schwer zu erlangende Tugend war. Aber halt, lasst uns nicht weiter plauschen, lassen wir Einhard besser selbst zu Worte kommen:
'Karl war maßvoll im Essen und Trinken. Zumal im Trinken, da er die Trunkenheit bei jedem Menschen , ganz besonders an sich selbst und den übrigen Mitgliedern seines Haushaltes sehr verabscheute. Enthaltsamkeit im Essen hingegen fiel ihm schwer, und er beklagte oft, dass das Fasten seiner Gesundheit schade. Es gab sehr selten Gelage, meist nur an hohen Feiertagen, dann aber für eine große Anzahl an Leuten. Seine täglichen Mahlzeiten bestanden aus vier Gängen und dem Fleisch, das seine Jäger auf dem Spieß brieten und das er lieber als alles andere aß. Während des Essens lauschte er entweder Musik oder einem Vorleser ...
... An Wein oder anderen Getränken gönnte er sich so wenig, dass er während der Mahlzeit selten mehr als dreimal trank. Im Sommer aß er nach dem Mittagessen Obst, leerte seinen Becher, zog dann Kleider und Schuhe aus, wie er es am Abend zu tun pflegte, und ruhte zwei bis drei Stunden lang.
(Auszug aus der Vita Karoli Magni des Einhard, erstes Drittel des 9. Jhdt.)
Nach solchen Nachrichten möge noch einer behaupten, die Mächtigen wären anders als wir. Nein, sie sind Menschen wie du und ich, wie uns solche Episoden vermitteln, denen Enthaltsamkeit schwer fällt, die ihre Zähne am liebsten in ungesundes Fleisch schlagen (vergesst den Salat! Speziell in EHEC-Zeiten - entschuldigt, liebe Veganer), die ein Schläfchen nach dem Mittagessen zu schätzen wissen und die sich dennoch meist mit vier kargen Gängen und ein wenig Obst danach zufrieden geben müssen. Armer Kaiser - ständig Ärger mit den Sachsen und niemals satt ...
Zurück zur Übersicht Speis und Trank, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite
© 2011, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten