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Der Liebstöckel
'Damit ein jedes Schloss sich öffne, bestreiche man es mit dem Pulver, gebrannt aus einer grünen Eidechse und dem Lybisticum'
(Alter böhmischer Zauberspruch)
'Inter odoratam memorare lybistica silvam
Fortia, suadet amor parvi diffusior horti.
Hoc germen suco quamvis et odore gemellis
Orbibus officere et tenebras inferre putetur,
Semina saepe tamen qaesitis addere curis
Parva solet, famamque aliena laude mereri.'
'Dich, Liebstöckel, kräftiges Kraut, zu nennen unter duftendem Gebüsch,
heißt mich die allumfassende Liebe zum kleinen Garten.
Zwar soll durch Saft und Geruch, so glaubt man, diese Pflanze
schaden den Zwillingssternen der Augen und Blindheit bewirken,
doch pflegt man ihre kleinen Samenkörner oft anderen Heilkräutern beizumengen,
so dass sie Lob durch fremden Verdienst gewinnen.'
(Aus Walahfried Strabo: 'De cultura hortorum' (Über den Gartenbau))
Sein aromatischer Geruch erinnert uns an Suppe, der würzig-kräftige Geschmack seiner gehackten Blätter ist es, welcher der Suppe ihren gibt - zumal, wenn, wie es die lieben Kindlein lieben, zuviel des dunklen Saftes aus dem charakteristisch geformten Fläschlein beigemengt wird, dass in den Gaststuben der Wirtshäusern sich an jedem Tische findet. Gab die Pflanze dieser Würze den Geschmack, bekam sie zum Dank dafür den Namen zurück, denn man kennt den Liebstöckel heutzutage auch als Maggikraut. Aber auch die getrockneten Samen finden etwa beim Würzen von Braten Verwendung, die Früchte als Geschmackgeber für Brot und Käse.
Der Liebstöckel (lat.: Levisticum officinale) spielte im Altertum keine uns gesicherte Rolle. Woher er ursprünglich stammt, wissen wir nicht mit Sicherheit zu sagen - wohl aus dem Nahen oder Mittleren Osten; Persien vielleicht. Fraglich ist auch, ob die bei Walahfried verwendete Bezeichnung Lybisticum vom lateinischen ligusticum herrührt, welches eine Pflanze bezeichnete, die bereits Dioskurides rühmte und die auch Isidor von Sevilla erwähnte, und die in in den nördlichen Apenninen von Ligurien verbreitet auftrat.
Die Wurzeln und die Samen dieser Pflanze galten Dioskurides als wahres Wundermittel. Er empfahl sie bei Schmerzen der Eingeweide, bei Ödemen und Blähungen, bei Verdauungsproblemen, geringer oder ausbleibender Menstruation, bei Harnverhalten und wirksam gegen den Biß giftigen Getiers. Erwärmend sollen sie wirken, verdauungsfördernd und entwässernd auch. Gesichert scheint die Gleichsetzung jedoch nicht.
Sicher hingegen ist das Auftreten des Liebstöckels (oder althochdeutsch 'lubistechal') in kultivierter Form seit dem frühen Mittelalter. Walahfried gibt uns ja weiter oben beredten Beweis dafür und auch im Capitulare de villis, den berühmten Verlässen und Verordnungen Karls des Großen, findet er sich unter jenen aufgelisteten Nutzpflanzen, die der Kaiser auf den Königsgütern anzubauen befohlen hat.
Im 12. Jahrhundert rühmt Hildegard von Bingen den 'lubistuckel' als ausgezeichnetes Mittel zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden und von Halskrankheiten. Sollte es also im einen Sinn nicht wirken, dann möglicherweise immerhin im anderen. Aber, das müssen wir gestehen, in dieser Thematik wagen wir uns nicht als absolute Kapazitäten zu bezeichnen.
Wohl aber solltet ihr, wenn ihr zur Liebsten ins gemeinschftliche Bad steigt, stets etwas vom Liebstöckel bei euch tragen, weil, so Hildegard, er 'die Neigung vergrößert und sich gar lieblich den Frauensleuth anthut, so sie davon ins Badfaß geben.' Ob nun, bei überraschendem Besuch und in Ermangelung des Krautes, einige Spritzer der oben erwähnten Suppenwürze gleicherart wirksam sich zeigen, wagen wir aus Mangel Gelegenheit, dies zu erproben, nicht mit Gewissheit zu behaupten. Wohl aber würde die Verwendung mit Sicherheit für einen löblichen Überraschungseffekt sorgen.
Womit wir wieder einmal bei einem unserer liebsten Themen angelangt wären, dem wichtigsten nämlich - der Liebe. Denn wenn eine Pflanze diese schon im Namen trägt (wenn auch aus einer Verballhornung entstanden), dann, dessen seid euch gewiss, vermag sie euch auch bei diesem Geschäft behilflich sein (zumal dieser Zusammenhang interessanterweise in vielen Sprachen gegeben ist, wie etwa im englischen 'lovage' zu love, oder im russischen 'ljubistoku', worin 'ljubu' nichts anderes bedeutet als lieb). Wie, ruft ihr nun ungeduldig, kann es uns helfen? Und: 'Her damit!'
Sachte, sachte, so schnell schießen sie nicht, die Preussen. Da wollen wir uns auf unsere fortlaufend sich erweiternde spektakuläre, absolut erfolgversprechende Reihe über Zauber im Allgemeinen und Liebeszauber im Speziellen verweisen (vor allem aber, wie ihr diesen selbst - mit garantiert meist nur relativ geringen Nebenwirkungen - anwenden könnt!!!). Eines aber vorweg: Seid ihr die leidgeprüften Väter und VäterInnen von lieblichen Töchtern, dann scheut euch, sie im Kindesalter im Extrakt des Liebstöckels zu baden. Damit würdet ihr nämlich ihnen später einen ungeahnten Zulauf an Freiern garantieren (woher auch die Bezeichnung des Liebstöckels als 'Badekraut' rührt) - und euch selbst viel Kopfzerbrechen.
Dem noch nicht genug, denn der Liebstöckel besitzt, so wie andere aromatische Doldenblütler, etwa Dill, Fenchel und Kümmel, auch, stark abwehrende Wirkung gegen Schadzauber und jederlei Unheil. Wenn also ein böses Rindvieh stets euren Heimweg belauert und es sich zum Spaß macht, euch zu jagen, dann streicht ihm Liebstöckelöl ans Gehörn, auf dass ihm die Lust zum Stoßen vergeht. Und ihr, liebe Mägdelein, wenn euch eure Väter an einen reichen, alten Pfeffersack verhöckert haben, dem ihr nicht zugeneigt seid, dann nehmt das Öl und ... nun, das gehört wohl wieder in die Rubrik Liebeszauber ...
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