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Die Raute
'Salvia cum Ruta faciunt pocula tuta'
('Salbei mit Raute machen den Becher sicher')
(Spruch der Schule von Salerno (13. Jh.))
'Hoc nemus umbriferum pingit viridissima rutae
Silvula cerulea, foliis quae praedita parvis
... '
'Den schattigen Hain belebt das tiefgrüne Gestäud der bläulichen Raute; ihre kleinen Blätter werfen nur spärlichen Schatten und lassen den Hauch des Windes wie auch Phoebus' Strahlen tief hinunter zu den Stengeln dringen; selbst bei leiser Berührung verbreitet sie schwere Gerüche. Da die raute vielfach wirkende Kraft in ihrem Inneren birgt, sagt man, sie bekämpfe vor allem verborgenen Gifte und vertreibe schädliche Stoffe aus den befallenen Eingeweiden.'
(Aus Walahfried Strabo: 'De cultura hortorum' (Über den Gartenbau))
Die vielseitige Raute(lat.: ruta graveolens), die wegen ihres weinähnlichen, schweren Geruchs auch als Weinkraut oder Weinraute bezeichnet wird, weist eine lange Geschichte auf. Ursprünglich war die Pflanze im Mittelmeerraum beheimatet, doch wurde sie im Laufe der Jahrhunderte vorerst von Mön- chen in ganz Europa kultiviert, ja schließlich sogar in Afrika, Teilen Asiens und auch in Nord- und Süd- amerika heimisch.
Bereits griechische Ärzte nutzten die Raute um den Körper zu entwässern und die Milz zu reinigen. Neben anderen wussten auch die römischen Autoren Ovid und Cicero über das strauchartige Ge- wächs zu berichten, dass auch in Diuskurides Kräuterbuch Materia medica Eingang fand.
Im Mittelalter zählte die Pflanze mit zu den beliebtesten Gartengewächsen, darum sie sich auch in Walahfrieds Büchlein an prominenter zweiter Stelle findet. Damals diente sie jedoch nicht nur als Heilpflanze, sondern ihr würzig-bitterer Geschmack verhalf ihr auch zum Einsatz als Würzmittel.
Der herbe Geruch soll Katzen, Wiesel und Ratten in die Flucht treiben; letzere Eigenschaft führte ver- mutlich dazu, dass die Raute als Mittel gegen die Pest galt, obwohl der Zusammenhang zwischen den übertragenden Ratten und der verheerenden Krankheit noch nicht bekannt war.
Doch das Wundergewächs musste noch zu vielem Anderen herhalten: Etwa als Heilkraut gegen Au- genkrankheiten, was ihr den volkstümlichen Namen Augenkraut einbrachte, und wovon auch Hildegard von Bingen zu berichten wusste:
'Auch ein Mensch, der triefende Augen hat, nehme Raute und zweimal so viel Salbei und zweimal so viel Kerbel wie Salbei, und er zerstoße diese Kräuter mäßig in einem Mörser, damit sie etwas Saft geben. Und dann tauche er die so zerquetschten Kräuter in Eiweiß, und abends, wenn er schlafen geht, lege er sie auf die Stirn bis zu beiden Schläfen, und sie ziehen die üblen Säfte heraus, wie wenn jemand aus einer Frucht Saft saugt.
Wer schwarze oder verdunkelte Augen hat, so dass es manchmal wie eine Wolke ist, und wenn er in den Augen wie neblig sieht, dann nehme er den Saft der Raute und zweimal so viel reine Flüssigkeit des Honigs und mische dazu etwas guten und klaren Wein, und er lege ein Stücklein Weizenbrot hinein, und er binde es nachts mit einem Tuch auf seine Augen.
'
(Aus den Schriften der Hildegard von Bingen)
Die berühmte Schule von Salerno hat die Pflanze auf dem Lehrplan und auch Paracelsus weiß eine ganze Menge von Einsatzmöglichkeiten zu nennen: als Mittel gegen epileptische Anfälle, zur Vorbeu- gung gegen Infektionen und Schlangenbisse und noch Vieles mehr ... Abführmittel und Aphrodisiakum, gegen Kopf-, Gelenk-, Nieren- und Lendenschmerzen, Schwindel und Atembeschwerden und weiß der Kuckuck wogegen die Raute sonst noch wirkt ... Allerdings sollte man sich bei ihrer Anwendung auch in Acht nehmen, kann die Berührung doch Irritationen auf der Haut auslösen.
Halt, fast wär eine ganz wichtige Anwendung für das tägliche Leben unter den Tisch gefallen, die auf keinen Fall verschwiegen werden soll. Wie nämlich der englische Franziskanermönch Franziskus Bartholomäus glaubhaft zu berichten weiß, kann ein Basilisk - ja genau, der mit dem todbringenden Blick - nur durch ein Wiesel bezwungen werden, das zuvor von der Raute gefressen hat.
Sollte also euer Keller kürzlich von einem derartigen Untier bezogen worden, der eilig herbeigerufene Kammerjäger aber nicht wieder hochgekommen sein und eure halbwüchsige Tochter um die Bohne nicht auf ihren Spiegel verzichten können, dann heißt es ab in die Zoohandlung und danach in den Kräutergarten ...
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