Sælde und êre - Der Kräutergarten

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Der Schlafmohn

'Groß ist mein Kopf, und darin sind viele winzige Teilchen,
Einen einzigen Fuß hab ich nur, doch dieser ist riesig,
Hab' auch den Schlaf zum Freund,
doch selber kann ich nicht schlafen'
(Antikes Pflanzenrätsel, Francesco Gonzaga 1481,
einem Manuskript des 9. Jahrhunderts entnommen)

Die Blüte des Schlafmohns - allein ihr Anblick *gähhhn* macht müde ...

'Et Cereale quidum nugarum in parte papaver ...'

'Gerne erwähne ich hier im leichten Gedichte auch den Schlafmohn der Ceres, den - so sagt man - die Mutter Latona voll Trauer über den Raub ihrer Tochter in Fülle hinunterschlang, damit ersehntes Vergessen die Brust ihr vom maßlosen Kummer befreie. Zugleich vermag, wie man sieht, ein schlimmes Geschwür, das unleidlich bitter vom Grunde der Brust bis hinauf zur Pforte des Mundes aufstößt, mit Hilfe des Mohns sehr häufig Heilung zu finden. Trächtig von körnigen Samen vermag sich sein Haupt an dem schwachen, vorgeneigt hängenden Halse hinauf zur Höhe zu strecken, Und nach Art der Granate, des Apfels aus punischem Lande, unter dem faltigen Mantel der einzigen Schale verbirgt er Körner in großer Fülle von hoch zu preisender Wirkung, und vom Ge- räusch des Kauens empfing er den sprechenden Nahmen. '
(Aus Walahfried Strabo: 'De cultura hortorum' (Über den Gartenbau))

Wahlafried erwähnt im Abschnitt über den Schlafmohn die Leidensgeschichte der Ceres (Demeter), der die Tochter Proserpina (Persephone) entrissen wurde. Die römische Mythologie weiß zu berichten, dass Pluto, der Fürst der Unterwelt, getroffen vom Pfeil des Cupido, sich in das schöne Mädchen ver- liebte. Als sie gerade zwischen Bäumen spielte und dabei Violen und Lilien pflückte, raubte er sie und nahm sie mit zu sich in die Unterwelt. Außer sich vor Trauer ob des Verlustes irrte nun Ceres rastlos durch die Welt, um ihre Tochter wiederzufinden. Ihren maßloßen Schmerz suchte sie dabei durch den Genuss des Schlafmohns zu betäuben.

Die Pflanze (lat.: papaver bzw. botanisch lat.: papaver somniferum) gehört zu den Mohngewächsen, von denen 23 Gattungen mit ca. 200 Arten bekannt sind. Als eine der ältesten bekannten Kultur- pflanzen ist diese Mohnart bereits in Mesopotamien, Ägypten und im minoischen Kreta belegt.

Sein Zusatz somniferum im botanischen Namen bedeutet einschläfernd und ist ein Verweis auf seine betäubende Wirkung. Die antiken Kulturvölker gebrauchten ihn schon seit altersher als Beruhigungs- mittel, möglicherweise geht sein Gebrauch aber noch weiter zurück. Werden die unreifen Samenkap- seln angeritzt,tritt ein milchartiger Saft aus, der zu eine gummiähnlichen Masse austrocknet, dem berühmt-berüchtigten Opium. Es enthält unter anderem die alkaloiden Bestandteile Morphin, Codein und Thebain, die stark schmerz- beziehungsweise hustenlindernd wirken. Aus diesem Grund ist der Schlafmohn immer noch eine der wichtigsten Heilpflanzen der Welt, die etwa bei starken Schmerzen, Koliken, Reizhusten und Durchfall zum Einsatz kommt.

Durch seine Zusammensetzung (41% Öl, 16% Kohlenhydrate und 13% Eiweiß) eignet sich der Mohn- samen auch als Nahrungs- und Genussmittel. Plinius etwa weiß zu berichten, dass Mohnsamen mit Honig als Nachtisch vorzüglich schmeckt, und Dioskurides erwähnt, man backe Brot damit. Plinius schreibt aber auch: 'Der Milchsaft in Größe einer Linse beschwichtigt Schmerzen, bringt Schlaf und befördert die Verdauung. In größerer Gabe ist er gefährlich und kann Schlafsucht und den Tod be- wirken.'

Bei der maschinellen Mohnernte, wie sie heutzutage gebräuchlich ist, werden die Samenkapseln aller- dings teilweise zerdrückt und so kann der Alkaloidgehalt in den Samen ansteigen. Daher gibt es Em- pfehlungen zur maximalen täglichen Aufnahmemenge von Mohnsamen. Ausdrücklich sei auch davor gewarnt, Säuglinge und unruhige Kinder mit Mohnsamen als Schlafmittel 'ruhig zu stellen', auch wenn diese Praxis früher am Lande durchaus üblich war ('Mohnzuzler'). Zum Glück gibt es heutzutage mit dem Fernsehapparat schon eine gesundheitlich weniger bedenkliche Methoden, die selbe Wirkung zu erreichen ...

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