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Der Wermut
'Wermut vertreibt Schwermut '
('Wermut macht Schwermut')
(Zwei alte Volksweisheiten, leicht im Inhalt differierend ...)
'Proximus absinthi frutices locus erigit acris,
Herbarum matrem simulantes vimine lento.
In foliis color est alius, ramisque odor alter
Puberius, longeque saporis amarior haustus.
... '
'Das nächste Beet lässt die Stauden des bitteren Wermuts wachsen, deren zähes Gezweige der Mutter der Kräuter ähnelt. Doch haben die Blätter andere Farbe, und auch ihre Zweige, sind sie erst ausgewachsen, anderen Duft; als Getränk schmeckt der Wermut viel bitterer. Doch stillt er brennenden Durst und vertreibt als bewährter Heiltrunk meist das Fieber mit rühmlicher Wirkung. Auch wenn dir im Kopf plötzlich scharfer Schmerz pocht oder Schwindel dich quält, dann suche dir Hilfe beim Wermut, koche die bitteren Blätter der laubreichen Pflanze, schütte den Absud aus bauchiger Schüssel und begieße damit den Scheitel des Hauptes. Sind dann die feinen Haare mit diesem Nass gespült, vergiss nicht einen Bund Wermutblätter darüber zu legen. Dann soll ein weiches Tuch die feuchtwarmen Haare bedecken und nach nur wenigen Stunden wirst du, neben sonstigen Kräften des Wermuts, auch diese Wirkung bewundern.
'
(Aus Walahfried Strabo: 'De cultura hortorum' (Über den Gartenbau))
Wermut (lat.:Artemisia absinthium , ahdt: wer(i)muota, heute auch: Bitterer Beifuß, umgangssprachlich Weiberkraut, Jungfernkraut, Besenkraut, Grabkraut, Heilbitter, Magenkraut,... ) nennt man jenes mehrjährige, stark aromatisch duftende Strauchwerk, dessen luftgetrocknetes Kraut (nämlich die oberen zarten Teile der Pflanze) wohl eher in der Apotheke ihren Platz hätte als bei den Gewürzpflänzelein. Ursprünglich in Südeuropa und in Südwestasien beheimatet, fand es bald den Weg in den Norden, wahrscheinlich schon im Gefolge der Römer, jedenfalls aber fand es in den Kräutergärten der Mönche einen bevorzugten Platz, wie auch der obige Ausschnitt aus Walahfrieds 'Hortorum' zeigt. Über die Bedeutung des Namens lässt sich nichts Eindeutiges sagen aber die griechisch/lateinische Benennung verweist mit den möglichen Wurzeln 'unerfreulich' oder 'untrinkbar' auf die Bitterkeit ...
Über die Herkunft des Namens lässt sich nichts Eindeutiges sagen aber die griechisch/lateinische Benennung verweist mit den möglichen Wurzeln 'unerfreulich' oder 'untrinkbar' wohl auf die dem Wermut eigene Bitterkeit, während die Göttin Artemis als 'Mutter der Kräuter' ebenfalls einen plausiblen Platz beanspruchen dürfte. Althochdeutsch werimuota könnte Geistmutter bedeuten, aber auch warm oder Wurm könnten Ursprungsbedeutungen sein ...
Zwar findet der Wermut auch in manchem Gericht Anwendung, etwa bei Fisch oder in Alkoholischem, etwa in Aperitiven, als averdauungsförderndes Gewürz in fetten Speisen. Jedoch war es vor allem seine Heilwirkung, der das anspruchslose Gewächs, das sich selbst mit tröckenen Böden oder Steinuntergrund zufrieden zeigt, seinen hervorragenden Ruf verdankt. Will man nun all die Wirkungen aufzählen, die zu verschiedenen Zeiten bei unterschiedlichen Völkern den aus dem Kraut gewonnen Tinkturen, Lösungen und Teeaufgüssen zugeschrieben waren - und teilweise immer noch sind - dann würde dies einen mehrseitige Liste erforderlich machen. Was liegt also näher, dazu ein Zitat zu Hilfe zu nehmen, das von einem anerkannten Experten und Pharmakologen stammt, dem deutschen Arzt Hieronimus Bock - dass derselbe sein Werk über die Kräuter bereits 1539 veröffentlichte, mag uns nicht weiter stören - :
'Der Weronmut ist ein bewert und berühmt gewächs. Beynahe zu allen presten des inwendigen undeußerlichen leibs, in alle weg zu genießen, bekompt wol dem magen, macht dauen, erwärmet den Leib, stillet schmerzen, treibet auß allerhand gifft und gallen, macht lust zu essen, das wissen die vollen brüder. Benimmt das grimmen und bauchwehe, treibet aus die würm, zertheylet und füret auß die gälsucht, der frauen blödigkeit, weycht und eröffnet die verschlossene verstopfte beuch und die beuch so zu sehr fließen stillet der Weronmut - Wermut. Stillet das hauptweh, machet trübe dunkele augen klar un hell, desgleichen die schmerzlichen ohren. Zeitigt wol das halsgeschwär, benimpt das zahnwehe, stillet den ohrenschmerzen. Wer will seine tugend alle erzölen?
'
(Aus Hieronymus Bock: 'Das Kreutterbuch, Darinn Underscheidt, Namen vnnd Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken vnnd Beumen, sampt jhren Früchten, so inn Deutschen Landen wachsen' - 1539 )
Wärmende Wirkung, Anwendung bei allen Arten von Magen- und Darmbeschwerden, zum Austreiben von Würmern bestens geeignet; Wermuttee zur Behandlung von Mundgeruch, Blähungen, Sodbrennen, Übersäuerung, Fieber, Appetitlosigkeit und Völlegefühl, zur Behandlung von Magen- und Leberleiden, Gelbsucht. Auch gegen Gemütsleiden soll das Wunderkraut helfen, ebenso wie bei Vergiftungen, und bei Vielem mehr. Wie man sieht ist damit folgendes Sprichwort nicht vollständig aus der Luft gegriffen:
'Wermut ist für alles gut!'
(Alter Volksspruch)
Da staunt der Laie nicht schlecht, wenn er denn solches vernimmt. Und eilt, um sich das Kraut in großen Mengen zu besorgen, die Blätter und die Blüten. Doch halt, sei ihm an dieser Stelle zur weisen Voraussicht geraten. Denn, so fragt sich der kritische Geist, wo liegt, bei einem solchen Götterkraut der mögliche Haken verborgen. Tatsächlich gibt es ein oder zwei Wermutströpflein, welche die praktische Anwendung erschweren. Da ist einmal der gar grauenlich bittere Geschmack zu nennen, der etwa den Kindlein die Lust am gesunden Tee gar rasch verleidet - und nicht nur jenen. Schließlich sollte der Zusatz von Wermut zur mittelalterlichen Schreibtinte Mäusezähne vom Buch fernhalten, und die Blätter im Schrank gelten als geeignete Mottenabwehr.
Und, man ahnt, dass etwas Bitteres im Busche sein könnte, wenn manche Autoren, edwa Hildegard von Bingen, vor allem die äußere Anwendung betonen. Tatsächlich sind die Wirkungen des Wermuts den vorhandenen Bitterstoffen und ätherischen Anteilen zu verdanken. Wenn allerdings eine starke Überdosierung angewendet wird, wie sie vor allem bei alkoholischen Lösungen schlagend werden kann, dann gilt die alte Weisheit, dass jede Medizin sich in Gift verwandelt. Beim Wermut dafür verantwortlich ist der ätherische Bestandteil Thujon, der toxisch ist.
Und so kam es im 19. Jahrhundert dazu, dass der sogenannte Absinth, ein Kräuterschnaps mit nicht unerheblicher Wermutbeteiligung, zu einem beliebten Getränk, etwa auch in Künstlerkreisen wurde. Die davon ausgelösten Halluzinationen mochten ja anfänglich noch kreativitätssteigernd wirken, spätestens mit dem Auftreten von Wahnvorstellungen, Muskelzuckungen, Krämpfen und Erbrechen, Bewußtlosigkeit, epilepsieähnliche Anfälle und Delirien zeigte sich aber das zerstörerische Potential, wodurch es Anfangs des 20. Jahrhunderts zu einem weitreichenden Verbot des Absinthes kam.
Und tatsächlich ist der Wermut nicht in sämtlichen Quellen positiv belegt - wohl ob seines bitteren Geschmacks und seiner bedenklichen Nebenwirkungen. In der Heiligen Schrift, etwa in der Offenbarung, steht er für Heimsuchungen und Leiden und poetisch ist er ein Synonym für Trauer und Bitterkeit. Wie eben der eine Wermutstropfen, der einer angenehmen Sache einen bitteren Beigeschmack verleiht ...
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