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Speckknödel im Weinkraut
Oh ja, es gibt sie, jene Tage, an denen sich liebes Gastvolk angesagt, das nicht vom hohen Stand des Kaisers oder des Herzogs ist, auch nicht Bischof oder Abt, das aber dennoch gesättigt seyn will. Nun denn, wenn es sich um solche Hungerleider handelt, um Verwandte vielleicht, und ihr sie nicht unter hochgezogener Zugbrücke harren lassen wollt (was - nebstan bemerkt - vom Aufwand betrachtet, die wenigste Arbeit euch bereiten würde), dann lasst sie ein um der Barmherzigkeit willen. Eure guten Braten aber lasst in der Vorratskammer, auch all die teuren Würste und süßen Spezereien. Denn für diese Art von Gästen tut's auch ein Mahl, das deftig ist, und weniger fein - schließlich wollt ihr nicht, dass sie allzuoft euch erscheynen.
Nun denn, dann seht euch um, was denn da zu verwerten wäre: feines, weißes Brot vielleicht, zurückgeblieben vom letzten Gelage, und mittlerweile von einer Härte, die der eurer Mauern und - so es die Heiligen wollen - der eurer Männlichkeit gleicht? Gut! Blast den Schimmel hinfort und eilt in die Küche. Schickt die Knechte in den Stall und in die Zwinger. Dann sammelt den Speck und das Fleisch von ihren Schneidebrettern; sie sehen gut aus, sie mögen ein anderes Mal speysen. Blickt in den Topf, ob ihr dort nicht etwas vom sauren Kraut findet; wenn nicht, dann schickt die Magd zum Bauern (die alte; die junge, hübsche mag euch dafür beim Bereiten des Mahls und auch später zur Hand gehen). Denn Bauersleut' sind Krautleut', zumal in bajuvarischen Landen ...
Das Huhn war gnädig? Zwiebel findet sich? Milch von der Kuh? Und ihr, um die armen Schlucker vor dem Tor wissen zu lassen, wer hier der Herr im Hause, wer hier reich und von edlem Gemüt, ihr seyd gewillt, einige Kerne zu opfern, die aus dem Lande stammen, wo der Pfeffer wächst? Nun denn, dann habt ihr alles, was ihr braucht. Also jetzt, rasch an Herd und Feuer, auf dass euch die Hungrigen nicht zuvor das Tor zerrammen ...
Rasch begonnen nun mit dem Deftigen ...
... und nimm an Zutaten (wenn denn drei noch mit dir zu Speisen gedenken):
Drückt die Zwiebel der Magd in die Hände; sie mag sie schälen und schneiden und ihr Los beweinen. Später mögt ihr sie trösten. Danach soll sie selbiges mit Speck, Fleisch und Wurst tun, auf dass Würfel mit acht Ecken entstehen und Kanten im rechten Winkel. Alles das werfe sie in eine Schüssel von ausreichender Größe. Ihr derweylen nehmt die schwere Axt von der Wand oder den Morgenstern, denn das sind die Geräte, mit denen ihr am besten umzugehen versteht; damit zertrümmert das feine Brot.
Wenn dies geschehen, wischt euch den Schweiß von der Stirn und nehmt erst einmal einen Schluck vom Wein. Dann geht auf die Mauer und ruft euren Gästen zu, sie mögen sich noch gedulden - und sich des lästigen Pochens erst einmal entsagen. Denn Kochen ist eine Kunst; und Kunst verträgt nun einmal keine Rammen! Derweyl möge das Mägdeleyn in der Küche Milch in die Schüssel tun und den Zwiebel dazu. Hurtig die Brotbrösel auf die Schaufel und in die Schüssel geleert. Danach vermenge sie alles, schlage die Eier hinzu, hinein mit dem Mehl und gehackter Petersilie, Pfeffer und Salz dazu ...
Mit Fingern, von denen das Wasser tropft, möge sie nun Knödel formen, mit viel Kraft - eine Menge an kleinen und drei große. Ins siedende Wasser, das entweder frisch vom Meer (was denn billiger wäre) oder, wenn es euch in eurem Besitztum eines solchen ermangle, künstlich gesalzen. Ihr derweyl beobachtet ihre schlanken Glieder und nehmt, damit euch ob dieser Tätigkeit die Hitze nicht übermanne, noch einen Schluck vom Wein.
Zuvor sollte sie noch alles Saure aus dem Kraut gewaschen haben, das eure Häscher von des Bauern Feuer genommen oder vom Krämer erstanden. Ist das nun geschehen, kommt der heikelste Moment in der Bereitung des Mahles. Denn nun müsst ihr der Guten - nehmt zuvor noch einen Schluck - den Krug mit dem köstlichen Wein überlassen; eine Prüfung, an der mancher Held bereits gescheitert. Kraut und Rebensaft füge sie nun zusammen, einige Wacholderbeeren, Kümmel, ein Blatt Lorbeer aus dem Kranz, den euch der Kaiser verliehen (Moment, sind wir da noch in der richtigen Epoche?), und koche alles auf. Schlussendlich Kraut aufs Teller, Knödel dazu - zwei kleine für jeden Gast, die drei großen für euch selbst -, und etwas dunkles Brot.
Wenn das alles nun geschehen, dann lasst es ein in Gottes Namen, das lästig' Volk, und bittet zu Tisch. Und ja, sie werden euch loben für eure Künste bei der Bereytung solch feiner Speisen und für eure unendliche Güte und Großzügigkeit, die wahrlich eines Edelmanns würdig ist. Wenn aber nicht, wenn sie aber jammern, dann sagt den Knechten, dass diese es sind, die zuvor ihren Speck vom Tisch geraubt, und lasst sie über die Mauer werfen. Den Krautkopf werft ihnen hinterher, diesen lästigen Maden ...
Aber hütet euch, nach dem Genusse des Krauts gemeinsam mit allen im Saal zu nächtigen; besser ist da die Kammer des Mägdeleins ...
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