Saelde und Ere - Rezeptvorlage

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Kleiner Zwischenraum

Schnecken, gar reichlich mit Zimte veredelt ...

Das Gerichte

Wenn es feucht wird im Garten und auf der Heide, dann kommen sie hervorgekrochen unter all dem Geröll und Gestein, das sie während des heißen Tages so arglistig verborgen, jene niedlich anzusehenden Schnecklein, deren Anblick dennoch jedem wackeren Gärtnersmann, jeder tüchtigen Kräuterhexe die Augen vor Seufzern und Tränen rötet. Haben sie doch, die garstigen Schleimer, nichts anderes im Sinn, als unseren jugendlich grünenden Salat und all die anderen knackigen Pflänzlein, die wir mit so viel Herzblut gehegt und gezogen als wären's die leiblichen Sprösslinge selbst, zu beäugen, zu beschleichen und schlussendlich gar gierig zu beknabbern!

So wird denn, wer nicht ein Ententier oder ein lieblich schnatterndes Gänslein sein Eigen nennt, bald betrübt vor den traurigen Strunken und Resten seiner vergebens eingezäunten Pflanzungen steh'n. Ist euch nun selbiges geschehen, habt ihr dann nicht auch - gesteht es ein! - gar grollend vor Zorn nach grausig vergeltender, nach blutiger Rache gesonnen?

Wir von Sælde und êre verstehen's! Doch verzweifelt nicht - denn der Tag der Abrechnung ist gekommen. Wir liefern euch nämlich bei dieser Gelegenheit ein Rezeptleyn, das euch verrät, wie ihr die hinterhältigen Kriecher vom Jäger zur Beute, ja, wie ihr sie, mit einer Menge des edlen ostindischen Gewürzes bestreut, sogar zur Gaumenfreude für euch und euer Gefolge werden und derart für ihre schlimmen Taten büßen lassen könnt!

Verzieht nicht die Miene, wendet euch nicht angeekelt ab - liebt denn nicht sogar der Franke, der doch als feinbesaiteter Kenner jeglicher kulinarischer Freuden gilt, den Geschmack der seinen geheiligten Weinberge entrissenen Tiere? Darum nicht länger gezögert! Rache zu nehmen, heißt es! Lockt sie des Morgens mit freundlicher Stimmer und milden Versprechungen, lasst sie sich unter euren lächelnden Augen versammeln und dann, dann schlagt unerbittlich zu. Fluchtwege versperrt, Töpfe hervorgeholt, Zähne gebleckt, Messer gewetzt und, endlich, ... was? ... Moment, bitte ... oh, wirklich? ... schade ...

....

Ähem ... wie ... wie uns unsere Kochabteilung eben mitteilte, ist uns ein kleines Missverständnis unterlaufen, denn als Zimtschnecken werden nicht, so sagte man uns, die gezimteten Echtschnecken bezeichnet, sondern vielmehr ein Gericht, aus süßem Teig bereitet und reichlich mit edlem Gewürz veredelt,, das andernorts auch als Rohrnudeln mit Zimt bekannt ist. Hmm, seltsam ... naja, wir hätten die ekeligen Dinger ja sowieso nicht gegessen ... außerdem sind wir viel zu tierliebend und der Ente schmecken die echten Schnecken ohne Zimt ohnehin besser. Oft kommt es eben anders als man denkt und so heißt's denn, zu improvisieren.

Hurtig also an die süße Köstlichkeit ...

... und nimm an Zutaten (wenn du mit zwei Gänsen und einem Entlein zu teilen gedenkst):

Während ihr vorgebt, das Entlein und die Gänse auszuführen, mag die fesche Müllerin, soferne sie eurer leisgehauchten Einladung zum romantischen Abendmahl gefolgt, Mehl, Butter, Hefe, Ei und Milch und eine Prise Salz in einer Schüssel zum glatten Teig verkneten, diesen dann abdecken und an einem warmen Ort gehen lassen (nein, ihr müsst nicht die Türe im Auge behalten!).

Während jener halben Stunde, die es dafür braucht, mögt ihr zwei im Garten abwechselnd Gänseblümleinblütenbätter zupfen, Schnecklein zählen oder anderes mehr, das euch in den übermütigen Sinn kommen mag. Vergesst jedoch nicht darauf, eure Gespielin rechtzeitig wieder in die Küche zu scheuchen - schließlich habt ihr wohl längst schon Hunger und wollt nicht mehr allzulange ohne Labung darben müssen.

Hurtig, hurtig also, frisch ans Werk: Den Teig soll die Gute auf eine mehlbestäubte Arbeitsfläche auf die Länge euer muskulösen Elle (ca. 55cm sollten es sein) und die Breite ihres zarte Unterarms (ca 45cm) ausrollen, mit dem ersten, weichen Butteranteil bestreichen; darauf hat sie dann - ohne allzuviel davon zu naschen! - den gemengten Zimtzucker aufzustreuen. Wenn gewünscht, mag sich auch noch das eine oder andere getrocknete Träublein daruntermengen.

Von der schmäleren Seite her eingerollt, zerhaut ihr - ja, das ist nun eure Aufgabe, seid ihr doch auch im Brotberuf ein Meister des Schwertes, und zugleich mag es euch auch der Trost dafür sein, dass ihr den echten Schnecken nicht an die gefräßige Gurgel dürft! - den Teig nun in 15 Scheiben gleicher Breite - ob der Gleichmäßigkeit und der Leichtigkeit, mit der euch das gelingt, wird das Mägdlein euch und eures Armes Anatomie bestaunen.

Sie mag aber nicht zu lange staunen, gilt es doch den zweiten Butteranteil in einer Auflaufform zu erwärmen und darin die so kunstfertig amputierten Scheiben mit den Schnittflächen aufzusetzen. Doch wenn ihr jetzt schon ans frühe Naschen denkt - jenes für den Magen müsst ihr euch noch verwehren. Schließlich gilt es noch die falschen Schnecken in abgedeckter Form für weitere 45 Minuten an einem warmen Ort gehen zu lassen ...

Gänseblümchenrupfen, Schneckenzählen, ......

Erst dann werden die süßen Schnecken im vorgeheizten Backofen auf mittlerer Schiene für etwa 30 bis 40 Minuten gebacken - .... Schneckenzählen, Gänseblümchenrupfen, ...... - gerade so lange, dass sie nicht zu dunkel werden. Bestäubt mit feinem Zucker, warm aufgetragen und von des Müllers hübscher Tochter lächelnd gereicht, wer mag da noch an die gefräßigen Unholde im Garten denken?

Und ein Rezept für echte Schnecken, das werden wir allemale auch noch finden ...

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