Es zog ein Büttner ...
Mittelalterliche Lyrik - war da nicht die Hohe Minne, die Verehrung der anbetungswürdigen Frau? War da nicht die geistliche Lyrik? Nicht nur, wie die hier angeführte Büttnerzote des Herrn Gotfried von Neifen beweisen soll, denn es konnte schon mal ziemlich deftig und derb hergehen. Und schon damals galt: Hast du Handwerker im Haus, halte stets die Augen offen ...
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Es zog ein Büttner
Es zog ein Büttner
weit in fremde Lande.
Der war so liebevoll,
dass er dort, wo er Frauen fand,
gerne band.
Da sprach der edle Wirt
zu ihm, was er könne.
'Ich bin ein Büttner:
Wer mir das erlaubt,
dessen Fass ich binde.
Da brachte er seine Reife
und seinen Treibelhammer.
Mit seinem Herumziehen
konnte er sich gut erhalten,
ein gutes Werkzeug mit sich tragen.
Seinen Treibekeil
nahm sie in ihre Hand
mit seiner geraden Seite.
Sie sprach: 'Heiland,
Gott hat Euch her gesandt.'
Als sie da gebunden hatten
dem Wirten sein Fass
seitlich und auch unten,
sprach sie: 'Ihr seid nicht faul.
Mir wurde nie besser gebunden.'
Ez fuor ein büttenære
Ez four ein büttenaere
viel verre in frömdiu lant.
der was so minnebære,
swâ er die frouwen vant,
daz er dâ gerne bant.
Dô sprach der wirt maere
zim waz er kunde.
'ich bin ein büttenære:
swaer mir des gunde,
sîn vaz i'im bunde.'
Dô truoc er sîne reife
und sînen tribelslagen.
mit sînem umbesweife
kund er sich wol bejagen,
ein guot geschirre tragen.
Sînen tribelwegge
den nam sî in die hant
mit sîner slehten egge.
si sprach: 'heilant,
got hât iuch har gesant.'
Dô si dô gebunden
dem wirte sîn vaz
neben und ouch unden,
si sprach 'ir sint nicht laz.
mir wart nie gbunden baz.'
Anmerkungen:
Deftiges kennt man natürlich aus der mittellaterlichen Lyrik und Literatur, man braucht da nur an die französischen Fabliau, die Schwankerzählungen der Spielleute oder jongleurs denken, die in Versform vorgetragen wurden. Oder aber an manchen Text aus der Carmina Burana. Natürlich findet sich auch im höfischen Artusroman mehr als eine Stelle, die einem gestrengen Zensor ein nervöses Zucken entlocken würde. Und in kunstvoller Novellenform hat Boccaccio Hundertfaches beigetragen.
Die Hohe Minne kannte derartige Verwerflichkeiten selbstverständlich nicht. Da wurde die Herrin angeschmachtet, ein Gruß konnte schon das höchste der Gefühle bedeuten. Doch zur Zeit, in der Herr Gottfried von Neifen bezeugt ist, zwischen 1234 und 1255 also, ist das hohe Minneidela nicht mehr im Munde der Dichter. Die niedere Minne eines Walthers findet ebenso Nachahmer wie die Wende zum ländlich-dörflichen Hofpoesie oder parodistischen Einschläge eines Neidhart.
So darf es nicht verwundern dass Gottfried, Sohn eines bedeutenden Herren, der dem Hofe des Staufers Heinrich VII zuzuordenen ist, dem Sohn Friedrichs II, ebenfalls diesen neuen Einflüssen folgt. Kein Berufssänger, sondern adeliger Dichter, gilt er als Stilistiker, dessen Werke häufig ins Ländliche zielen. Seine Urheberschaft am lieblichen Büttner allerdings, dessen Kunstfertigkeit vor allem die Frauen schätzten, ist manchesmal bezweifelt worden.
Der Text, zweideutig - so zweideutig, dass es schon wieder ganz offensichtlich ist - mag für sich selbst sprechen und folgt damit einer langen Tradition. Auffällig jedenfalls, dass die Ehemänner in derartigen Mären selten gute Karten haben und sich meist mit einer wenig erfreulichen Rolle zufriedengeben müssen. Darum überlege gut, wer sich ewig zu binden gedenkt. Und wer' s nicht liebt, wenn's so deftig hergeht, der kann ja immerhin alles wörtlich nehmen ...
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