Hug von Werbenwags Sommerlob ...
... entpuppt sich schlussendlich doch wieder als Preislied auf den Mai und die in diesem Wonnemonat erwachende Natur; was sonst, möchte man als (selbsternannter Möchtegern-)Kenner mittelhochdeutscher Lyrik fast sagen. Immer wider dieser Mai, immer dasselbe mit seinen Vögeln und Blumen und anmutigen Mägdelein - wie sollte es da gelingen, den Reigen der Jahreszeiten aus der Sicht der mittelalterlichen Dichter darzustellen, wenn die doch immer nur das Zwitschern in den Zweigen und das Sprießen der Vegetation im Sinn haben - und das der Gefühle?
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Hugs Preis des Sommers
Der Sommer sommerbringend kommt
mit freudenerregender Wonne!
Das Laub laubt allenortes der Wald,
die Blumen beblümen das Feld.
Die Zeit schafft beizeiten Freuden
mit reich blühender Blüte.
Die süßen Töne tönen Vögel,
ihr Singen gellt vom Sang.
In schönem Grün grünt das Tal,
aus Röte gleißt es rot,
in brauner Bräune purpurfarben
der Mai sich nun schmückt,
hier gelberes Gelb, dort blaueres Blau,
da das Weiß von weißer Lilien Glanz.
Gott färbt diese Welt in viele Farben,
die Welt schöner noch anderswo.
Hugs Preis des Sommers
Der sumer sumerbernde kumt
mit wunne wunneclîche.
des loubes loubet manic walt,
die bloumen blüement velt.
Diu zît enzît an fröiden frumt
mit blüender blüete rîche.
diu süezen d?ne dœnent vogel,
ir singen sanges gelt.
Mit sch?ner grüene grüenet tal,
uz rœte rôt dâ glestet,
in brûner brûne purpervar
der meie sich nu gestet,
hie gelwer gel, dort blâwer blâ,
dâ wîze wîzer liljen schîn.
got verwet varwe vil der welt,
die welt baz anderswâ.
Anmerkungen:
Doch eingehalten mit allzuschnellem Urteilen: Denn im vorgestellten Lied grünt und treibt es zwar wie üblich - doch die Mägdlein fehlen (zu unserem Bedauern) gänzlich! Sonderbar, wo wir doch sonst stets gewohnt waren, den Mai und das Erwachen der Natur als Beiwerk zu sehen für menschliches Treiben und Minnen! Handelt es sich also hier um eine seltene Ausnahme? Nicht zur Gänze, können wir die ob des vermeintlichen Regelverstoßes Beunruhigten beruhigen. Denn die letzte Zeile verweist auf noch schönere Farben, die es anderswo zu gewinnen gibt!
Wir lieben, das müssen wir an dieser Stelle verschämt gestehen, das Zweideutige, das der Phantasie allerlei Spielraum belässt: Denn, was könnte gemeint sein, mit dem Anderswo, wo Farben noch schöner leuchten (und zweifelsohne auch das Lachen noch anmutiger klingt, die Gerüche noch verführerischer duften) als in der kraftvoll erkeimenden Natur? Zweierlei, zweifelsohne! In der jenseitigen Welt kann dies nur sein, werden die Frommen unter euch (Gott behüt', dass dies nicht die überwiegende Mehrzahl unserer Leser sollte sein!) ohne auch nur eine Rosenkranzperle lang zu zweifeln, dem Text extrahieren.
Diejenigen jedoch, die noch nicht diesen Grad der Läuterung erreich, die noch dem Weltlichen verhaftet, die mögen an dieser Stelle rufen, dass sie denn genau da wieder wären, die bereits vermissten Mägdelein! Dass die versprochenen schöneren Farben doch wohl nur bei den Geliebten zu finden wären, bei ihren blutroten Lippen und ihrer lilienweißer Haut. Nun, wir vermögen kein abschließendes Urteil zu fällen, was denn der Autor genau im Sinn hatte, als er die letzte Zeile erdichtete ...
Diesen Herrn Hug von Werbenwag, finden wir zwischen 1258 und 1279 als Ministerialen des Grafen Albrecht von Haigerloch - der selbst als Dichter in Erscheinung trat - urkundlich bezeugt; von seinem Werk (das, aufgrund namentlicher Nennungen historischer Persönlichkeiten, mit 1246/47 beginnend datiert werden kann) sind in der Manesseschen Liederhandschrift C insgesamt 5 Lieder mit 16 Strophen überliefert.
Auffällig auch und faszinierend, wie der Dichter im vorgestellten Sommerpreis mit der Sprache zu spielen versteht, indem er gleichklingende, sinnverwandte Wörter (sogenannte Annominationen) häufend in lautmalender Weise aneinanderfügt und so eine starke Wirkung zu erzeugen versteht. Dies erschließt sich euch, werte Leser, allerdings in all seiner vollen Fülle nur, wenn ihr sein Lied laut der Liebsten und aller Welt zum Besten gebt, anstatt es abends heimlich und verstohlen, stimmlos wie dar kaltblütige, schuppige Fisch, nur im Geiste zu replizieren ...
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