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Herrlich dämlich ... darf man das überhaupt noch sein?
Kürzlich wurden wir - in geselliger Runde den Abend im Gastgarten verbringend - beim Versuch, die tüchtige Bedienung um Nachschub für unsere trockendiskutierten Kehlen zu ersuchen, von einer der anwesenden Damen getadelt. Strengen Blickes - wie lieben wir diese ihre strengen Blicke!! - belehrte sie uns, dass das von uns zur Anrede gebrauchte 'Fräulein' nicht mehr zulässig wäre (.. ein absolutes no-go, wie sie es nannte - was uns notorisch fremdsprachenschwächelnden Altvorderen zuallererst einige Momente des Unverständnises und der Vewirrung bescherte ...)
Unsere Begriffstutzigkeit erkennend, erläuterte sie, dass es sich beim gedankenlos verwendeten Unbegriff um eines jener schlimmen Worte handle, mit denen über lange Zeiten hinweg - absichtlich oder gedankenlos - Bevölkerungsgruppen diskriminiert, beleidigt, ja, in hinterrücks-heimtückischer Weise geknechtet worden wären. Was sonst als eine Beleidigung wäre denn die Verwendung dieser lächerlichen Verkleinerungsform für eine unverheiratete Frau? Doch wohl nur die Hervorhebung, wie sehr sie noch des Standes der Ehe entbehren und darum eben begrifflich als nicht vollwertige Frau durchs Leben gehen müsste. Doch diese schlimmen Zeiten des Patriarchats wären nun endlich und endgültig vorbei - denn die neue Korrektheit werde unter verkrustete Denkweisen fahren, ganz so wie einst der reinigende Komet unter die fett und träge gewordenen Dinos, und all diese Unwörter aus den Wörterbüchern, ja, aus den Köpfen der solcherart Reinigung erfahrenden Menschen jagen ....
Entsetzt ob solch schrecklicher Endzeitszenariern breitete sich Schweigen über unseren Tisch und der eine oder andere beschloss tief in seinem Inneren, zumindest diesmal auf das traditionelle Zigeunerschnitzel und den daran anschließend zum Kaffee genommenen Mohr im Hemd zu verzichten . Einzig ein stets kecker Jüngling (Moment - darf man denn diese Bezeichnung überhaupt noch gebrauchen, ohne eine ganze Altersgruppe zu diskriminieren? Schließlich handelt es sich doch auch um einen Verkleinerungsform, wie beim Setzlicng oder auch Keimling. Wenn also nicht mehr zulässig, dann bitte ich die Betroffenen um Verzeihung und verspreche fortan nur noch die elegante Formulierung 'augenscheinlich männlicher Zeitgenosse, welcher der Altersgruppe der 16 - 25jährigen angehört', zu gebrauchen ...), dieser kecke Jüngling nun, wagte es, ihren Ausführungen mit einem schlichten 'Blödsinn!' zu begegnen.
Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns plötzlich vorschreiben ließen, wie wir zu sprechen hätten, rief er aus! Dann müssten wir doch gleich anfangen, Bücher umzuschreiben (das böse N-Wort in 'Onkel Toms Hütte'), alte Filme neu zu synchronisieren ('... der pigmentverarmte Eurasier spricht mit gespaltener Zunge, hugh! ...', '... heb die Flossen, Ureinwohner!' und dergleichen mehr) und - undenkbar! - sogar unsere liebgewordenen Märchen vom 'Falschsprech' reinigen ('... sie kamen zu einer Hütte, darin hauste ein weibliches Wesen mit Besen ...', 'Mama, lies mir doch bitte die Geschichte vom (oder der?) Kleinwüchsigen Nase vor!')
Bie letzterer Erwähnung gab es mir einen Stich - schoss es mir doch just in jenem Moment durch den Kopf, wie sehr es in den von uns so geliebten mittelalterlichen Aventüren nur so von Zwergen wimmelt und Mohren und Heiden und sexistisch dargestellten Elfenfrauen und halbwüchsig verführerischen Fräulei... - nein, wie ungeschickt, jetzt hätte ich es fast schon wieder gesagt! -, weiblichen Wesen also, die gemeinhin nur das eine im Sinn haben, und zudem alle noch als schlanke und strahlend schöne Traumfrauen nicht nur ziemliche Ansprüche an die zunehmend erschöpfter durch die Gegend trabenden Eisenmänner stellen, sondern auch einen ungeheuerlichen optischen Nachahmungsdruck auf weibliche Leserinnen ausüben. Entfernte man aber alle diese Unkorrektheiten, was, bitte, würde denn dann noch übrigbleiben? König Artus und seine Tafelritter hätten lange zu warten bis zum Mahl, wenn es keine derartigen Aventüren mehr zu erzählen gäbe. (Abgesehen davon, dass ja gerade die Tafelrunde längstens schon reformbedürftig wäre, als antiquierter, weil immer noch frauenloser Verein; wo doch selbst die Philharmoniker und die Sängerkaben mittlerweile ...)
Um möglichst keinen dieser Aspekte vor dieses Tribunal der Korrektheit gezerrt zu sehen beschloss ich, mich vermittelnd und beruhigend in das mittlerweile heiß zwischen der strengen Dame und dem besagten männlichen Zeitgenossen, welcher der Altersgruppe der 16 - 25jährigen angehört, entbrannte Streitgespräch einzumengen. '... endlich spricht man, wenn man die Summe meint, von ProfessorInnen und Dozentinnen ', hörte ich sie triumphierend rufen, 'von DirigentInnen, PhysikerInnen und IgenieurInnen ...' Angewidert schüttelten wir uns ob dieser schrecklichen Wortungetüme ab.
'Warum nicht auch von GeisterfahrerInnen, StraftäterInnen und TerroristInnen', kam prompt seine Entgegnung. Kopfnicken auf allen Seiten; zustimmendes Gemurmel: Wenn schon, denn schon! Doch sie, ganz im Eifer des Gefechtes aufgegangen, überging seinen Einwand: '... diese gereinigte Sprache muss Ausdrucksmittel für die richtige Weltanschauung und geistige Haltung sein. Beleidigungen und Diskriminierungen lassen sich dann gar nicht mehr denken, geschweige denn aussprechen, wenn die dazu benötigten Wörter erst einmal ausgemerzt sind ...'
Ein wenig irritiert ob ihrer Worte, die mir entfernt bekannt erschienen, hob ich endlich doch die Hände und tat den salomonischen Spruch: 'Hört auf, Mädels! Anstatt so dämlich herumzustreiten, sollten wir uns lieber am herrlichen Weinbouquet erfreuen ...' 'Du', fuhr sie mich wie von 12 HornissInnen zugleich gestochen an; ihre Augen funkelten wie Karfunkelstein und aus ihren Nüstern schien mir Rauch entgegen zu quellen, wie einst dem Wigalois angesichts des seligen Drachens Pfetan, 'du hast gerade noch gefehlt mit deinen dummen Meldungen. Herrlich und dämlich - so tyüpisch! Und ihr anderen Volltrottel, hört auf zu grinsen!' 'Volltrottel ist diskriminierend', klagte einer, doch er wurde überhört.
Ein wenig irritiert ob ihrer Worte, die mir entfernt bekannt erschienen, hob ich endlich doch die Hände und tat den salomonischen Spruch: 'Hört auf, Mädels! Anstatt so dämlich herumzustreiten, sollten wir uns lieber am herrlichen Weinbouquet erfreuen ...' 'Du', fuhr sie mich wie von 12 HornissInnen zugleich gestochen an; ihre Augen funkelten wie Karfunkelstein und aus ihren Nüstern schien mir Rauch entgegen zu quellen, wie einst dem Wigalois aus jenen des seligen Drachens Pfetan, 'du hast gerade noch gefehlt mit deinen dummen Meldungen. Dämlich und herrlich! So typisch! Und ihr anderen Volltrottel, hört auf zu grinsen! Das gefällt euch wohl!' 'Volltrottel ist diskriminierend', klagte einer, doch seine Beschwerde wurde überhört. Schulterzuckend wandte er sich ab. 'Fräulein! Bitte noch einmal das selbe ...'
Nach solch einer Schelte ist es höchst an der Zeit herauszufinden, wie der Begriff der Dame, dem doch ein Zug von Bewunderung innewohnt und von Hochschätzung, wie so ein Begriff zum herbwertenden Adjektiv hätte verkommen können. Ha, das ist einfach, wird jetzt vielleicht der eine oder andere unter euch rufen, hat denn nicht schon Tomasin de Zerklaere in seinem Welschen Gast den frouwen und frowelîn geraten, beim Tischgespräch Zurückhaltung zu zeigen, um nicht den beigesetzten Männern Angst mit allzuviel Klugheit zu machen? Könnte die negative Begriffszuschreibung in solchen Ratschlägen ihren Ursprung haben?
Nein, das ist nicht der Fall. Denn, so sagen uns die Etymologen, das Adjektiv 'dämlich' hat nichts mit der Dame zu tun! Dämlich in der uns geläufigen Bedeutung ist seit dem 18. Jahrhundert belegt; vom Niederdeutschen ausgehend, ist es erst nach 1900 im gesamten deutschen Sprachraum gebräuchlich; dabei tritt es etwa im bairisch-österreichischen Raum mit dem hier mundartlich gebrauchten damisch in Konkurrenz ('... so a damischer Hirsch ...', was je nach Situation einen verrückten, kindischen oder sich verwirrt gebenden Menschen aber auch einen solchen mit beschränkten, geistigen Eigenschaften bezeichnen kann), das wiederum in einer älteren Form dämisch bereits im 15. Jahrhundert gebräuchlich war (und auch benommen und schwindlig bedeuten konnte). Zurückführen scheint das ganze wohl auf die indoeuropäische Wurzel *tem mit den Bedeutungen 'geistig benommen, betäubt, dunkel, Dämmerung'.
Wenn also 'dämlich' herkunftsmäßig keinefalls beleidigend für die Frau ist, wie sieht es dann mit dem Adjektiv 'herrlich', das in etwa die Bedeutungen 'hervorragend', 'ausgezeichnet', 'strahlend schön' besitzt, aus? Auch das, ich muss euch enttäuschen, meine Herren, entsprang ursprünglich nicht der vermuteten Quelle, also einer angenommenen Überlegenheit des Mannes - wiewohl der Vorgänger unseres Adjektivs bereits vereinzelt im Alt- und später im Mittelhochdeutschen eine begriffliche Verbindung mit dem Herrn annehmen konnte. Dann meinte es 'herrenmäßig' oder 'herrisch' und bezog sich nicht auf das Geschlecht, sondern vielmehr auf den hohen Stand einer Person.
Ursprünglich bedeuteten das althochdeutsche hêrlîh - das wiederum seinen Ursprung in dem germanischen Adjektiv haira-, mit der Bedeutung 'grauhaarig, ergraut' haben dürfte - bzw. das mittelhochdeutsche hêrlich 'hervorragend', 'erhaben'. Letztere Bedeutung ist uns in unserem modernen 'hehr' erhalten geblieben; dieses Naheverhältnis äußerte sich auch in den über lange Zeiten verwendetn Parallelschreibungen 'hehrlich' bzw. 'herlich'.
Da haben wir also noch einmal Glück gehabt: Wir dürfen also weiterhin dämliche Männer beschimpfen und herrliche Frauen bewundern ohne dabei politisch unkorrekt zu handeln (und ihr, liebe Sprachwächter, ihr braucht eure Streichliste nicht um die zwei Begriffe verlängern) - soferne wir das überhaupt anstreben. Manche meinen nämlich, dass jenen, die stets dem Zeitgeist hinterherjagen, kaum noch Energie bleibt, um mehr als inhaltslose, wenn auch stets korrekte Worthülsen zu erzeugen. Und solche Worthülsen erzeugen im besten Fall Langeweile (man denke nur an das berüchtigte Beamten- oder das nur unwesentlich spannendere Juristendeutsch) - schlimmstenfalls aber großflächige Verdummungserscheinungen ...
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