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Hurra, der Lenz ist da, ...
... neigen wir auszurufen, wenn die Tage endlich wieder länger werden, wenn erst Schneerosen, dann Schneeglöcklein vorlaut ihre Köpfchen ins Freie strecken, um zu erkunden, ob denn der Ungemach des Winters tatsächlich ein Ende hat, wenn es überall zu keimen, zu treiben und zu blühen beginnt, wenn die Sonne die grünende Heide und unsere Gefühle wärmt. Frühlingsgefühle eben, ...
... die wir auch den Dichtern, Minnesängern und wohl auch all den anderen Menschen zugestehen, die einst während vergangener zentralheizungsloser Zeiten unter der Kälte und der Dunkelheit des (damals noch sehr unerbitterlichen) Winters leiden mussten. Nicht umsonst hören wir die alten Sänger den Meien rühmen, den Monat, in dem der siegreich ins Land gezogene Frühling endgültig die letzten Widerstände des Winters überwunden hat und allenortens Kränze geflochten und Reigen getanzt werden ...
Mai? Recht spät für einen Frühlingsbeginn, neigen wir zu denken, wo uns doch bereits der März manch sonnig-warmen Tag beschert. Und dann erst der April - gut, der April, der macht, was er will, heißt es und ist insgesamt ein doch recht verrückter Geselle -, dennoch verwundert dieses späte Erwachen der minnesänglichen Lebensgeister, wo doch die Natur häufig eine ganz andere Dynamik zeigt. Aber gut, wollen wir den dichtenden Herren eine gewisse Frühjahrsmüdigkeit zugestehen ...
Tatsächlich möchte es so scheinen, als hätten die Menschen in der Vergangenheit vielfach gar nicht unsere Viertrennung der Jahreszeiten empfunden, sondern das Jahr einfach in eine Sommer- und eine Winterhälfte zerteilt- Zumindest sprechen die Bräuche die mancherorts gebrächlich waren und noch sind, dafür - etwa wenn am Sonntag Laetare oder Rosensonntag, der das Überschreiten der Fastenzeitmitte kennzeichnet, die Winterverbrennung oder das Todaustragen und Sommerbringen gefeiert werden, Bräuche, die diesen Tag zum Sommertag machen - ähnlich wie der Palmsonntag regional auch Sommersonntag genannt wird.
Also scheint im brauchtümlichen Bewusstsein recht häufig der Sommer unmittelbar dem Winterende gefolgt zu sein, eine Annahme, die wir noch durch den Umstand gestützt sehen könnten, dass unser Wort Frühling ein recht junges ist, das weder im Alt- noch im Mittelhochdeutschen belegt ist sondern uns erst im frühneuhochdeutschen 15. Jahrhundert als früelinc und dann auch in der Lutherbibel in der heute geläufigen Bedeutung entgegentritt; da es zuvor bereits ein in der Frühjahrszeit geworfenes Tierjunge bezeichnen konnte, scheint hier eine Bedeutungserweiterung erfolgt zu sein.
Jedenfalls tritt von nun an der Frühling in mehr und mehr erfolgreiche Konkurrenz zum älteren Lenz (soviel zur Theorie, das Mittelalter hätte das Frühjahr nich als eigene, ganz spezielle Jahreszeit aufgefasst), der bereits im althochdeutschen lenzo und mittelhochdeutschen lenze ( - übrigens parallel zu gleichbedeutenden langez) und schließlich im 15. Jahrhundert als Lenz erscheint.
Diese Gleichbedeutung verweist uns auch auf die zu Grunde liegende Vorstellung des Lenz als Zeit, in der die Tage nach unerträglich langen kalten Winternächten endlich wieder länger werden und somit den liebshungrigen Minnesängern genug Gelegenheit bieten, um sich 'vom Lenz geritten' ins Getümmel der kranzgeschmückten Maiden zu drängen. Sollten wir ihrem Beispiel, wo sie doch so erfahren in Liebesangelegenheiten waren, nicht gleichtun?
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