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Minne hie, Minne da ...
Minne hie und Minne da, so liest es sich in der Überschrift. Nicht zu Unrecht, denn die Minne, so will es scheinen, ist in der mittelhochdeutschen Literatur allgegenwärtig. Ob wir uns dabei mit den stets umtriebigen Artusrittern auf Aventüre begeben, oder zu Tristan und Isolde in den Baumgarten, der Minne begegnen wir allenthalben. Nicht zuletzt auch in den Liedern der - na? - genau, der Minne- sänger. Was damit gemeint ist, das wissen wir jedoch nicht so genau - jedenfalls umschreibt der Be- griff mehr als (die) eine Sache. Aber lässt sich Minne nicht einfach mit unserer Liebe gleichsetzen, wird jetzt manch einer fragen. Ja - manchmal. Außerdem, mit welcher Bedeutung von Liebe. Und manchmal wiederum auch gar nicht ...
Denn wenn manch einer diese Lieder effekthaschend als Ehebruchslyrik bezeichnet (und damit auf die derb-erotischen und stark einschränkende Besetzung des Minnebegriffs zurückgreift, die so erst im ausklingenden Mittelalter stattfand und schließlich wohl mit dazu führte, dass die Liebe die Minne verdrängte), singen viele der überlieferten Strophen von unerfüllter Anbetung; hohe Minne findet sich neben geknickten Blumen und Gräsern, Heinrich von Morungen neben Neidhart von Reuental und an allen Ecken und Enden Herr Walther. Und, um die Verwirrung noch weiter zu schüren, gibt es dann ja auch noch die religiöse Minne ...
Grund genug - wenn nicht schon das Thema selbst tausend Gründe dafür bieten würde ;-) - um dar- über endlich auch einmal auf unserer Seite zu schreiben. Ja, aber das kann bei einem solch umfass- enden Ding, wie's die Liebe .. pardon, die Minne ist, nicht in einem einzigen Artikel geschehen. Da gilt's in manchem Werk nach Zitaten zu stöbern, manch Abbildung mit (wissenschftlichem) Wohlge- fallen zu betrachten und nicht zuletzt, will man sich nicht des Vorwurfes reiner akademischer Buch- stabenklauberei aussetzen, tiefschürfend Feldstudien zu betreiben ...
Also werden wir versuchen, der Minne im Laufe der Zeiten in einer Folge von Artikel auf ihre verführ- erische Schliche zu kommen. Damit aber ein Anfang gemacht sei, wollen wir diesmal damit beginnen die Herkunft des Begriffes zu hinterfragen - frei nach dem Motto 'erst die staubtrockene Arbeit, ehe ans Vergnügen zu denken ist.' Schließlich hat etwas Theorie noch keinem geschadet, bevor es dann an die Umsetzung in der Praxis ging.
Nun endlich, lasst uns beginnen: Das mittelhochdeutsche minne , das natürlich auch die Bedeutung unserer heutigen, zwischengeschlechtlichen, sinnlichen Liebe besitzen kann, steht aber auch für die religiöse, für jede Art fürsorglicher, für die freundschaftliche Liebe. Als 'freundliches Gedenken' zu übersetzen, an anderer Stelle wiederum als der (*huch!!*) Beischlaf selbst, als 'Geliebte' oder sogar, wie des Etymologische Wörterbuch zu berichten weiß, als 'Abschiedstrunk'. (Heutzutage würde man diesen Abschiedstrunk ('Noch einen Kaffee, bevor du gehst?') eher nach dem Akt der körperlichen Liebe ansetzen, aber sicherlich nicht die selbe Benennung für beide Dinge wählen.)
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Über das althochdeutsche minna , neben den erwähnten Be- deutungen auch beschreibend für freundschaftliche soziale Beziehungen ( fraternitas ), für das Geschenk als Zeichen der Wertschätzung oder für die Vergewisserung der Beziehung selbst, als Rechtsterminus für den friedlichen Ausgleich einander gegenüberstehender Rechtsansprüche im Schiedsverfahren, im Religiösen für caritas und auxilium , (christliche Nächstenliebe, Wohltätigkeit, Hilfe), über dieses minna werden wir also zurückgeführt auf das Germanische, wo es wohl soviel bedeuten konnte wie 'nachdenken, eine Meinung haben, lieben.' Damit wäre von seiner Herkunft her 'minnen' verwandt mit 'meinen'. Ob es sich aus die indoeuropäische Wurzel und *men herleitet - für 'denken, geistig erregt sein, erinnern' - darüber hingegen sind sich die Experten nicht einig.
Neben dem 'liebevollen Gedenken' steht jedenfalls bereits während des 13. Jahrhunderts die Bedeu- tung der sinnlichen Liebe, eine Bedeutung, die sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte verengt, auf die sexuelle Beziehung und den Geschlechtsakt selbst, so dass Minne im 16. Jahrhundert nur noch als derb und anstößig empfunden wird und schließlich durch unsere Liebe ersetzt. So kann's gehen. Aber im Zuge der Wiederentdeckung der 'klassischen' mittelalterlichen Literatur im 18. Jahrhunderts kam es schließlich zur längst fälligen Rehabilitierung der Minne; und so könnt ihr heutzutage eurer Minnedame längst wieder bedenkenlos den Minnedienst anbieten ohne dafür gleich eine schallende Ohrfeige zu ernten ...
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