Sælde und êre - Mittelhochdeutsche Originaltexte

In dem walde süeze doene

Ulrich von Lichtenstein als Minnerritter der Frau Venus, Abbildung aus dem Codex Manesse

Mit dem vierten Frauendienstlied des steirischen Ritters Ulrich von Liechtenstein liegt ein Werk vor uns, dass von einem Praktiker des Genres geschaffen wurde, von jemandem also, der im Minnedienst wohl bewandert war. Inhaltlich in traditioneller Form gestal- tet, ist es vor allem das Wissen um die schillernde Lebensgeschichte des Dichters, die uns seine Minnelieder interessant erscheinen lässt.

Zurück zur Übersicht Mittelhochdeutsch, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite

Kleiner Zwischenraum

In dem Walde süße Töne

In dem Walde süße Töne
singen kleine Vögelchen.
Auf der Heide schöne Blumen
blühen gegen des Maien Schein.
Also blüht auch mein hoher Mut
denkt er ihrer Güte,
die mir mein Gemüt bereichert
wie es der Traum dem Armen tut.

Es sind große Hoffnungen,
die ich an ihren Tugenden hege,
dass es mir gelänge.
dass ich Seligkeit an ihr erlange.
Dieser Hoffnung bin ich froh.
Gott gebe, dass ich's wohl vollende,
dass sie mir den Wahn nicht wende,
der mich so richtig freut.

Sei sehr süß, ohne Falsch,
frei von allem Betrug,
lasse mich im lieben Wahn,
solange bis es zur Wahrheit wird,
dass die Freude lange währe,
dass ich vom Wahne nicht erwache,
dass ich dem Trost entgegenlache,
der von ihren Hulden rührt.

Wunsch und inniges Gedenken,
das sind meine größten Freuden.
Ihr Trost soll mir nicht wanken,
sie lasse mich ihr sein
mit beidem nahe,
so dass sie mir gerne gönne
die große Seligkeit, die von ihr rührt,
dass sie mich für immer glücklich mache.

Glückbringender Mai, du alleine
erfreust die ganze Welt.
Du und die Welt jedoch,
ihr freut mich wenig.
Wie wollt ihr mir Freude geben,
ohne die Liebe, Gute?
Von der muss ich Trost vermuten:
wegen ihres Trostes muss ich leben.

In dem walde süeze doene

In dem walde süeze doene
singent kleiniu vogellîn.
an der heide bluomen schoene
blüejent gegen des meien schîn.
álsô blüet mîn hôher muot
mit gedanken gegen ir güete,
diu mir rîchet mîn gemüete
sam der troum den armen tuot.

Ez ist ein vil hôch gedinge
den ich gegen ir tugenden trage,
daz mir noch an ir gelinge,
daz ich saelde an ir bejage.
des gedingen bin ich frô.
got geb dau ichz wol verende,
daz si mir den wân iht wende
der mich fröut sô rehte hô.

Sî vil süeze, valsches âne,
frî von allem wandel gar,
lâze mich in liebem wâne
díe wîl ez niht baz envar.
daz diu fröude lange wer,
daz ich wânes iht erwache,
daz ich gegen dem trôste lache
des ich von ir hulden ger.

Wünschen unde wol gedenken
dést diu meiste fröude mîn.
des sol mir ir trôst niht wenken,
sî enlâze mich ir sîn
mit den beiden nâhten bî,
sô daz sî mit willen gunne
mir von ir sô werder wunne
dáz si saelic iemer sî.

Saelic meie, dû aleine
troestest al die werelt gar.
dû und al diu werlt gemeine
fröut mich min dann umbe ein hâr.
wie möht ir mir fröude geben
âne die vil lieben guoten?
von der sol ich trôstes muoten:
wan ir trôstes muoz ich leben.

Kleiner Zwischenraum

Anmerkungen:

Man könnte diesen Ulrich von Liechtenstein, der an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert geboren wurde und 1275 starb, wohl mit gutem Gewissen als 'Hans Dampf in allen Gassen bezeichnen. Als 'bunten Hund'. Er entstammte einem reichen und politisch ein- flussreichen steirischen Ministerialiengeschlecht. Damit war eine gewisse Karriere vorgezeichnet. Dass er jedoch so wichtige Ämter wie 1244/45 das Truchsessenamt der Steiermark, 1267 - 1272 das Marschallamt ausübte und auch als Landrichter tätig war, zeigt von einer gewissen Begabung. Insbesondere der Umstand, dass er sowohl unter den Babenbergern als auch unter Ottokar von Böhmen jeweils einflussreiche Positionen besetzte, spricht für sein politisches Geschick.

Der Umstand, dass er neben diesem politischen Wirken auch noch schriftstellerisch tätig war, stellt für sich alleine betrachtet noch kein Unikum dar. In Zeiten, in denen es als moderngalt, seine Minnedame zu verherrlichen, versuchte sich manch hochrangiger Ed- ler als Dichter - mit mehr oder weniger Erfolg. Ulrich gehörte zu jenen, denen dauerhafter literarischer Ruhm beschieden war.

Von besonderem Interesse ist dabei der sogenannte Frauendienst, in der das Leben eines Minnesänger in Ich-Form beschrieben wird. Manche Schilderungen darin wirken stark humoristisch - und dies durchaus gewollt. So kann es durchaus vorkommen, dass der Minnewerbende - oder sollte man besser sagen der Minnekranke? - drastische Erniedrigungen erdulden muss, um damit seine vollständige Hingabe zu beweisen. Sicherlich ist das Werk autobiografisch gefärbt. Schließlich weiß man von Ausfahrten des wack- eren Ulrichs, während der er das Ideal des Minneritters zu leben versuchte und an Turnieren teilnahm. In seiner Verserzählung ist dann etwa die Rede davon, dass der Ich-Erzähler in Frauenkleidern und mit perlumwundenen langen Zöpfen als Frau Venus verklei- det eine Fahrt quer durch Österreich bis hin nach Böhmen unternimmt. Auf der er jeden Ritter, der ihm in die Quere kommt, zum Stechen fordert. Und alles nur, um Eindruck in der Damenwelt zu schinden, stellt dies doch die Voraussetzung dar, die Gunst der eigenen Minnedame zu erringen, jener Dame, für die er schon eine aufwendige Hasenschartenoperation auf sich genommen hat.

Die 58 von ihm überlieferte Töne sind in den Rahmen dieser Erzählung gestellt. Formal orientierte sich Ulrich dabei an der hohen Minnelyrik, er gebraucht dabei alle gängigen Begriffe, wobei vor allem Walther von der Vogelweide als Vorbild gewirkt haben dürfte.

Mit den süezen doenen liegt ein Lied vor, das sich wegen seiner lautmalerischen Gestaltung wunderbar dafür eignet, um die Klang- schönheit des Mittelhochdeutschen zu erkunden. Nicht umsonst gibt es auch einige moderne Vertonungsversuche. Wie immer gilt es dabei, den Text laut zu rezitieren. Und sollte die eine oder andere Strophe dabei im Gedächtnis hängenbleiben, so muss das beim nächsten Rendevouz (oder, wie es im modernen Deutsch heißt, Date) ja kein Nachteil sein. Allerdings sollte man im Fall der Fälle gut überlegen, ob man auch Ulrichs Travestieshow nachzuahmen gedenkt. Bei vielen heutigen Damen zieht dieser Trick näm- lich nicht mehr so wie dereinst ...

Zurück zur Übersicht Mittelhochdeutsch, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite

© 2008, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten