Saelde und Ere - Aufführungssituationen

Szenische Darstellung: Das Geistliche Spiel

Kreuzigungsgruppe aus dem Kölner Dom, 16. Jhdt.

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Begriff und Geschichtliches ...

Als Geistliche Spiele werden jene, in der kirchlichen Liturgie verwurzelten, mittelalterlichen Schauspiele bezeichnet, in denen zen- trale Ereignisse der christlichen Heilsgeschichte zur szenischen Darstellung kommen. Die Bezeichnung selbst ist der Überlieferung entnommen, in der sich etwa lateinische ludus oder auch das mittelhochdeutsche spil findet. Im Spätmittelalter mit dem Aufkom- men das Bürgertums steht das Geistliche Spiel am Zenit seiner Beliebtheit, doch führen seine Anfänge mehrere Jahrhunderte zu- rück. Von diesen ersten Vorläufern bis zu den großen Spielen des 15. oder 16. Jahrhunderts kam es sowohl inhaltlich als auch be- züglich der Aufführungsform zu bedeutenden Entwicklungen.

Interessant ist die Entwicklung unter anderem auch deshalb, da Theateraufführungen dem (christlichen) Mittelalter grundsätzlich als verdächtig galten - wobei dies als Nachwehen der Spätantike zu verstehen ist, in der Schauspiele und Schauspieler von den Kirchenvätern als sittenlos bezeichnet wurden. Einerseits wollte man wohl damit die 'heidnischen' Stoffe damaliger Aufführung dis- kreditieren, andererseits stieß man sich an oftmals obszönen - zumindest aber freizügigen - Darstellungen und Inhalten. Die antik- en Dramen waren dem Mittelalter zwar bekannt, allerdings wurden sie nicht aufgeführt sondern ausschließlich als Lesetexte im Unterricht verwendet, mit deren Hilfe man Latein erlernen wollte. Dass die damalige Epoche dennoch wieder zu theatralischen Aufführungen fand, liegt nicht zuletzt daran, dass man diese Form zuallererst einmal in den Dienst kirchlicher Absichten zu stellen verstand.

Abbildung einer Spielszene aus einem Geistlichen Spiel, Mitte 17. Jhdt.

Als Ausgangspunkt für das Osterspiel und somit auch für das geistliche Spiel gilt der dialogische Ostertropus Quem queritis in selpulchro, der im 10. Jahrhundert geschaffen wurde. Tropen sind Einschübe textlicher oder musikalischer Art in liturgische Gesän- ge, die der Verständlichung, der Aktualisierung und Ausschmückung der Liturgie dienen sollten und von einem zweiten Chor oder Halbchor gesungen wurden. Diese Tropen, die vereinzelt in vorkarolingische Zeit zurückreichen, erfreuten sich großer Beliebtheit, was nicht zuletzt durch umfangreiche Sammlungen bereits im 11. Jahrhundert - sogenannte Troparien - verdeutlicht wird. Sprache für derartige Einschübe war Latein, Sänger ausschließlich Geistliche.

Der angesprochene Ostertropus, der eine Einleitung zum Introitus der Ostermesse darstellt, ist ein von zwei Chören gesungener Redewechsel zwischen den drei Marien und dem Engel am Grabe Christi, der die Auferstehung des Gekreuzigten verkündet. Mit der Erweiterung dieses gesungenen Wechsels zur szenischen Darstellung des Grabbesuches am Ostermorgen war die Vorstufe zum eigentlichen dramatischen Osterspiel geschaffen. Ähnlich entwickelte sich aus dem Weihnachtstropus Quem queritis in praesepe die dramatische Darstellung der Anbetung des Jesuskindes durch die Hirten.

Die Aufnahme außerliturgischer Szenen führt zur Verselbstständigung zum eigentlichen Osterspiel, Weihnachtsspiel, etc., wobei es jedoch nach wie vor Kleriker sind, die in lateinischer Sprache in der Kirche aufführen. Parallel dazu entwickelt sich eine Spielform, die am Kirchenvorplatz oder am Marktplatz aufgeführt wird. Kennzeichnend für diese immer popolärer werdenden Spielformen sind die Aufführung in der Volkssprache, opulente Ausstattung, Massenszenen, die Erweiterung im dargestellten Stoff und den aufge- führten Szenen, sowie die Länge der Spiele, die oft eine mehrtägige Aufführung erfordern. Ihren Höhepunkt erleben diese 'außer- kirchlichen' Spiele während des 15. und teilweise noch bis ins 16. Jahrhundert hinein, wo sie durch die Reformation einen bedeu- tenden Einschnitt erfahren. Träger ist nun das städtische Bürgertum, oft in Form von sogenannten Passionsbruderschaften.

Dabei wurden die Rollen zunehmend dramatischer ausgebaut, neue Stoffe aufgenommen, welche die vielfältige Möglichkeiten zur Darstellung weltlicher Szenen boten und zur Lösung vom kirchlichen Ritus führten. Als Beispiel für solche Erweiterungen sei hier die Einführung des Kaufmannes oder Krämers angeführt (der fallweise auch als Arzt oder Aphoteker bezeichnet wird), bei dem die drei Marien die Salben und Kräuter erstehen, mit dem sie den Leib Jesus einbalsamieren wollen. Die Frau des Apothekers, sein Knecht - und schon sind verschiedene turbulente Szenen möglich. Derartige Erweiterungen der Personalstandes - die später oftmals für ko- mische und obszöne Szenen herhalten müssen - führen schließlich zur Verselbstständigungen im Fastnachtsspiel.

Aufgeführt wurden derartige Spiel auf sogenannten Simultanbühnen, also 'Mehrortbühnen', auf denen dann mehrere Schauplätze an unterschiedlichen Orten dargestellt werden können - sei dies nun gleichzeitig (wenn die Bühnen nebeneinander aufgebaut sind) oder nacheinander, wobei Schauspieler und Publikum gemeinsam von einer Bühne zur nächsten wechseln. Durch geeignete örtliche Anordnung der einzelnen Schauplätze lässt sich über die chronologische Abfolge hinaus auch der theologische Sinn des Gesche- hens deutlicher machen: So stehen sich dann Himmel (im Osten in erhöhter Position) und Hölle (im Westen) gegenüber, während dazwischen die weltlichen Schauplätze nach einem auf Gut und Böse verweisenden Rechts-Links Schema Aufstellung finden.

Im Gegensatz zu weltlichen Spielen bleibt beim geistlichen Spiel immer eine gewisse Bindung an den Gottesdienst erhalten. Sein wesentlicher Sinn besteht in der religiösen Belehrung des Publikums. Nicht selten versucht es die Zuschauer durch Erregung von Mitleid, Erschütterung, Furcht vor der ewigen Verdammnis, aber auch durch die Erweckung von Heilszuversicht zu Selbstbesinnung und Sündenerkenntnis zu treiben. Auch die gegensätzlichen Extreme von ernstem Geschehen mit grotesker und sexueller Komik sind oft in diesem Zusammenhang zu sehen - neben vordergründiger Belustigung können die Handlungsträger als Repäsentanten der Todsünden durchaus auch eine gewissen Abschreckungseffekt bewirken.

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