Man singet minnewîse dâ ze hove
Hohe Minne, niedere Minne, ebene Minne - da singen die vogelîn, da blühen die bluomen, es kommt der Mai mit seinen Tänzen und bekränzten Mägdelein, den Reigen und dem Lachen ... aber halt, lachen wirklich alle? Nein, denn der Troubadour, der Minnebarde wendet sich häufig an eine Frau von Stand, höhergestellt und - wir vermuten es zumindest aufgrund der gebotenen Heimlichkeiten - nicht selten verheiratet. Da kann man schon verstehen, dass manch einem zu Hofe das Lächeln auf den Lippen erstarrt ...
Zurück zur Übersicht Mittelhochdeutsch, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite
Man singt Minnelieder, da am Hofe
Man singt Minnelieder, da am Hofe,
mit großem Schall:
Mir dagegen ist so große Not nach alter Kleidung,
dass ich nicht von den Damen singe.
Vier Mäntel wären mir lieber
als ein Kränzelein.
Mir gäbe ein Herr eher seinen Hengst
aus dem Stall
als dass ich mich wie ein Flame
an die Frauen heranmache.
Ich will beim hausherrn
und beim Gesinde sein.
Ich verliere des Wirtes Hulde nicht,
wenn ich ihn um seine Kleider bitte.
Übertriebenes Schöntun (den Damen gegenüber)
wäre ihm weit weniger genehm.
Gibt mir ein Herr sein Gewand,
ist die Ehre unser beider.
Verprügeln wir die Minnesänger,
die man heimlich raunen sieht.
Man singet minnewîse dâ ze hove
Man singet minnewîse dâ ze hove
und inme schalle:
so ist mir sô nôt nâch alder wât
deich niht von frouwen singe.
mir waern viere kappen lieber
denne ein krenzelîn.
mir gebe ein herre lîhter sînen meidem
ûz dem stalle
dann obe ich alse ein waeher Flaeminc
für die frouwen dringe.
ich wil bî dem wirte
und bî dem ingesinde sîn.
ich fliuse des wirtes hulde niht,
nit ich in sîner kleider:
sô waere im umbe ein überigez hübschchen
michel leider.
gît mir ein herre sîn gewant,
diu êre ist unser beider.
slahen ûf die minnesenger
die man rûnen siht.
Zum Autor und diesem Werk:
... nämlich dem Hausherrn selbst, der nach hartem Tagewerk, nach dem Heeren von Dörfern, dem Brennen von Burgen, dem Stechen und Tjosten, der Hatz auf Hirsch und Sau, erschöpft aber zufrieden ins eigene Heim zurückkehrt. Doch anstatt von der holden Gattin liebevoll begrüßt zu werden, findet er sie an der Seite eines dieser schleimigen Schmeichlers vor, wie sie ihm gespannt lauscht, mit Seufzern der Wonne und des Entzückens auf den Lippen, während der hinterlistige Schelm von Minne und Helden, vom gebrochenen Gras und Blüten im Haar singt. Recht erkannt, der Eheman ist's, dem solcherart heimkehrend - staubbedeckt und zerschrammt - das Lächeln gefriert.
Doch glaubt jetzt nicht, die Zunft der Sänger und Dichter würde sich nun auf die Seite der guten Ordnung stellen und solches Tun der werbenden Berufskollegen, deren Absichten oftmals nicht beim Schildern der Minne verharren möchten, mit empörtem Ruf zurückweisen. Nein! Meist wird solch schändliches treiben noch gutgeheißen; stets stehen die Poeten auf der Seite der heimlich Liebenden - rasch, rasch, ehe die Morgenröte euch verrät! Auf dass uns der Ehemann gut bewirte und beschenke und doch zum Hahnrei werde und die Geweihe nicht nur von den steinernen Mauern prangen mögen, so könnte man die in Verse gefassten Wünsche fast deuten ...
Klar, dass da gute Laune rasch verfliegt - von den schultern des guten Ehemannes nämlich, der solches wohl schwerlich zu gutieren versteht. Rrohes, ungebidetes Ritterpack, mag der feinsinnige Poet da gedacht habe... Doch es gibt, dem Wirt zum Troste, unter den Sängern auch solche, die ganz anders tun. Berufssänger, nicht von adeligem Stand, werfen sie den Minneschmeichlern im sogenannten Gegengesang schnödes Vorbeireden an den Realitäten vor: Nur wer selbst nicht Hunger und Kälte leidet, der mag von Blumen und Kränzlein reden, von Gras und Heu und Blatt. Möge man doch, so diese Stimmen, solchen Dichtern des Abends an der Tafel Gras und Heu vorsetzen statt den feisten Braten - dann, ja dann würden sie schon sehen ...
Mit obiger Strophe scheinen wir den Text eines solchen Pragmatikers vor uns zu haben. Lieber kappen anstatt kränzelein, lieber beim Hauswirt guttun, als der Dame schmeicheln - auf dass man Geschenke erhalte, statt Versprechungen. Sehr vernünftig, möchte man da sagen - wenn auch bar aller Romantik. Aber wer weiß, vielleicht hatte der Dichter für andere Gelegenheiten auch anderes auf dem Programm. Schließlich hat man(n) flexibel zu sein.
Und der Autor des obigen Textes, dieses Balsams für den minnesanggeplagten Ehegespons? Da findet sich in der kleinen Heidelberger Liederhandschrift (Handschrift A) der Name Gedrut, die mittelhochdeutsche Form für unsere Gertraud. Also ein Frau, die solches Treiben derart verurteilt? Dem eigenen Geschlecht diese Ablenkung vorenthalten möchte? Eher nicht, wird vermutet, denn die meisten der entsprechenden Strophen tauchen in anderen Handschriften - so etwa auch in der großen Heidelberger Liederhandschrift (Handschrift C) - unter dem Namen 'Her Geltar' auf.
Möglicherweise war Gedrut die Besitzerin eines Liederheftes, welches obige Strophe beinhaltete; oder aber es handelt sich schlicht und einfach um einen Schreibfehler, um eine verderbte Schreibung also. Wir dürfen uns unter Herrn Geltar wohl einen Berufssänger vorstellen, der vermutlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts durch die Lande zog und in seinem Repertoire auch solche Strophen führte, die gegen die Modeerscheinung 'Hohe Minne' mit ihre Realitätsferne polemisieren aber auch gegen die allzu begehrlichen Wünsche mancher Schmeichler. Der abschließende Vorschlag, doch diese raunenden Verführer mit einer Tracht Prügel von dannen zu schicken, dürfte bei manchem Herrn, wenn nicht den Wunsch nach Verwirklichung, dann zumindest wohlwollendes Nicken ausgelöst haben.
Zurück zur Übersicht Mittelhochdeutsch, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite
© 2010, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten