Sælde und êre - Mittelhochdeutsche Schlüsselbegriffe

Hier mögt ihr nun einiges über Begriffe erfahren, deren Verständnis für die Interpretation mittelhochdeutscher Texte bedeutsam ist ...

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'... von helden lobebæren, von grôzer arebeit, ...' - arbeit oder arebeit

Arbeit, ein positiv besetzter Begriff in unserer Zeit: Einerseits wünscht sich ein jeder, insbesondere in Zeiten der Krise, einen Arbeitsplatz sein eigen nennen zu dürfen, der ihm nebst vielen Silberpfunden am Monatsende (oder adäquater, moderner Zahlungsmittel in Form bunter Scheine) auch eine gewisse Befriedigung und Selbstbestätigung zu vermitteln vermag. Arbeit ist wichtig, Arbeit ist gut - zumindest dann, wenn keine Millionen am Konto ruhen - am eigenen oder auf jenem der angeheirateten Teuersten.

So positiv war der Arbeitsbegriff nicht immer besetzt, besonders dann nicht, wenn man die Heldenepen und höfischen Romane des fernen Mittelalters zu Rate zieht. Dort kann arbeit, arebeit etwas gänzlich anderes bedeuten - und damit stellt der Begriff einmal mehr ein Beispiel dafür dar, wie sich die Bedeutung eines Wortes mit den fortschreitenden Zeiten ändern, oder - in diesem Fall treffender - einengen kann.

Eine andere Bedeutung für den Begriff Arbeit? Wie und wo kommen wir dieser am besten auf die Spur? Nun, am ehesten des Wochenanfangs, am Montag in der Frühe, wenn noch graue Nebelschwaden über die Lande ziehen, Schlafesmüdigkeit durch unseren Kopf, und dennoch unser elektronischer Hahn vor dem Bette ungerührt zu krächzen beginnt. Dann nämlich wird uns unvermittelt klar, dass das Wort Arbeit - zur solchen ruft uns das nervige Piepsen nämlich - auch die Begriffe Mühsal und Plage beinhalten kann. Sogar eine ganze Menge davon, wenn die Nächte am Wochenende wieder einmal kurz und wild verliefen, mit Fest und Tanz und Trank, mit Wein und Weib (dem eigenen, so wollen wir doch hoffen) ...

Doch alles seine Reihe nach: Althochdeutsch arbeit(i) meinte schon Mühsal und Plage, war also mit An- strengung verbunden - wir würden heute wohl am ehesten von Plackerei sprechen. Diese, wohl ursprüng- liche, Bedeutung - schwere körperliche Anstrengung, Mühsal - glaubt man bis ins Germanische, ja ins Indoeuropäische zurückführen zu können. Andererseits meinte der Begriff auch schon den Ertrag der eigenen Anstrengungen, im Sinne von 'seiner Hände Werk' beziehungsweise 'seiner Hände Arbeit' Beide Bedeutungen reichen damit (auch über das Mittelhochdeutsche) bis in unsere moderne Zeit herauf. Beide Bedeutungen finden wir etwa auch im berühmten Prolog Hartmanns zum 'Armen Heinrich', von dem wir hier einen kleinen Abschnitt wiedergeben wollen:

....
Nun beginnt er euch zu erzählen
eine Geschichte die er geschrieben fand.
Derum hat er sich genannt,
dass seine Mühe (Arbeit)
die er dafür aufgewendet hat,
nicht unbelohnt bliebe
....

(Hartmann von Aue, Der arne Heinrich, Verse 16 - 21)

Für den Tagelöhner und den Handwerker finden wir im Mittelhochdeutschen die Bezeichnungen arbeitman und auch schon arbeiter , in späterer Zeit beginnt dann die Sinnbedeutung 'mühselige, ja qualvolle Plackerei'(die sich auch im slawischen 'rabota' und damit in unseren Robotern wiederfindet) immer mehr zurückzutreten und Arbeit meint dann jede zweckgerichtete körperliche Tätigkeit - und schließlich auch geistige Betätigungen. Die positive Bewertung von Arbeit geschieht dann zuerst durch Luther ...

Soweit so gut - also hat sich in der Begrifflichkeit doch nicht allzuviel geändert? Doch! Dann nämlich, wenn wir wie oben erwähnt in die Werke der mittelalterlichen Dichter blicken. Denn dort tritt besonders die Bedeutung des Mühsals und sogar von Not hervor (mancher Schüler mag das verstehen, wenn er - soferne er nichts Besseres zu tun haben glaubt - zu seiner täglichen 'Arbeit' in die Schule fährt ... ja meine lieben Wissbegierigen und all ihr Bildungsexperten - Lernen kann eben nicht stets Spaß bereiten, meinten wohl die Experten aus den finsteren Jahrhunderten.) Zur Verdeutlichung und als Kostprobe diene uns die Auftaktstrophe des Nibelungenliedes (und die Schüler lernen gleich wieder etwas dazu, was Spaß bereitet - nämlich 'pure Aktsch'n', wie der (ehemalige) kalifornische Gouverneur steirischer Herkunft sagen würde, der ja eine gewisse Erfahrung im Genre besitzt):

....
Uns wird in alten Erzählungen von vielen Wundern berichtet:
Vom Lobpreis der Helden, von großer Not,
von Freuden und von Festen, von Weinen und von Klagen,
vom Kampf kühner Recken könnt ihr nun Erstaunliches erfahren.

(Nibelungenlied, Fassung B, Auftaktstrophe)

Was meint also die grôzer arebeit ? Etwa dass der grimmige Hagen Siegfrieds heimtückisch geraubtes Schwert Balmung gegen einen schnöden Rechen tauscht und Etzels Hof vom Laub befreit? Oder Volker statt des Fidelbogens und der singenden Klinge den Dreschflegel schwingt? Mitnichten, das wäre den Herren denn doch zu gering. Statt auf Korn, dreschen sie lieber auf die Köpfe von hinterlistigen Hunnen, mutigen Goten und - verdammt seien sie dafür - den wackeren Österreichern unter dem von Bechelaren ein. Sicherlich, im weitesten Sinn auch eine Form von Arbeit. Dabei zahlen ihnen die missgünstigen Gegner mit gleicher Münze heim - Kampf und große Not sind die Folge, aber uns haben sie immerhin ein tolles Epos beschert.

Da nun Kampf aber stets etwas mit Mühsal und Not zu tun hat, denn ein großer Held wird man auch im Artusroman nur dann, wenn man starke Gegner bezwingt, kann arebeit dort gleich als Synonym für bevorstehende Auseinandersetzungen stehen. Damit hat sich der Kreis mit der Gegenwart aber auch schon wieder geschlossen: Denn diese Auseinandersetzungen können uns auch jetzt noch des Wochen- anfangs bevorstehen. Dann nämlich wenn wir, ähnlich grimmig den Burgunden, den krächzenden Hahn erschlagen und erst verspätet in die Arbeit gelangen - und dort einer modernen Krimhild in Form der Chefin begegnen ...

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