Hier mögt ihr nun einiges über Begriffe erfahren, deren Verständnis für die Interpretation mittelhochdeutscher Texte bedeutsam ist ...
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Mittelhochdeutsch
Begriffe - Erläuterung
'dô sprach der guote Rüedegêr' - die Eigenschaft guot ,
Das Adjektiv guot bereitet uns in mittelhochdeutschen Texten zumeist keine großen Verständnisschwierig- keiten - zumindest dann nicht, wenn es seinen Grundbedeutungen entsprechend als 'richtig, passend, ge- eignet, angemessen' zu interpretieren ist. Genau diese Bedeutungen finden sich nämlich auch bei Verwen- dung in unserer modernen Sprache wieder - etwa dann, wenn davon die Rede ist, dass jemand eine gute Entscheidung getroffen hätte ...
Wird es etwa zu Charakterisierung von Personen herangezogen, dann kann guot für sehr vielfältige Be- griffe stehen, deren Bedeutungen sich in leichten Nuancen unterscheiden, die jedoch allesamt positiv be- setzt sind und lobend verwendet werden können - so etwa 'vortrefflich, tüchtig, tauglich, brauchbar, brav'. Selbstverständlich findet sich auch unsere moderne Bedeutung 'gut', wie wir sie etwa in den 'guten Taten' vorfinden:
Wer um des Guten willen Gutes tut, dies
aus einer guten Gesinnung eines guten Herzens heraus,
hat er dabei aber vor allem seinen eigenen Ruhm im Auge,
so verfolgt er schließlich nur den Ruhm
mit so falscher Gesinnung,
dass mit dieser Missetat
der Ruhm der guten Tat vergeht.
swer durch gout iht guotes tuot,
durch goutes herzen guoten muot,
wil er sich selben rüemen vil,
sô uf des ruomes zil
den ruom hinz an ein ende
mit solher missewende,
daz mit des ruomes missetât
des guoten ruom an im zergât.
('Der guote Gerhard', Rudolf von Ems)
Viel Gutes tritt uns in dem angeführten Auszug aus einem Werk des Rudolf von Ems entgegen ( konse- quenterweise trägt es auch den Titel 'Der guote Gerhard'): das Gute selbst, gutes Herz und gute Ge- sinnung - allesamt Bedeutungen, wie wir sie noch heute benützen. Anzumerken, weil nämlich ein interes- santes literaturgeschichtliches Detail, wäre im Zusammenhang mit obigem Textausschnitt noch, dass sich Rudolf hier formal an eine Textstelle des Tristan anlehnt - dabei aber inhaltlich einen völlig anderen Stand- punkt vertritt als Gottfried. Gutes, nur um des dadurch erzielten Ruhmes willen erwirkt, verliert
Gerade in den Beschreibungen hervorragender Persönlichkeiten kann es aber auch dem Begriffsfeld 'vornehm - edel - tapfer - vortrefflich' entsprechen. Zumindest teilweise ließe sich diese Bedeutung aber auch vom Begriff edel ausgedrücken.
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da sprach der vortreffliche Rüdiger von Bechelaren
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dô sprach von Bechelâren der guote Rüedegêr
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('Nibelungenlied' ,20. Aventiure, Vers 1149)
Einmal mehr zeigt sich hier die Vieldeutigkeit und Austauschbarkeit gewisser mittelhochdeutscher Begriffe. Aber jene positiven Attribute, die gemäß der damals herrschenden Meinung ein Herr oder die frouwe be- sitzen sollten, treten ja in den Beschreibungen häufig gemeinsam, gleichsam aufzählend auf und alle zu- sammen meinen dann jene besonderen Eigenschaften, die den Besitzer zum rechten Herrn 'adeln'. Dass in diesem Kanon der geforderten Eigenschaften manche gegeneinander austauschbar sind oder sich in ihren Bedeutungen teilweise überschneiden, ist keine Nachlässigkeit des jeweiligen Autors. Schließlich verwendet er geläufige, allseits annerkannte Floskeln und zählt damit etwas auf, was man eben von einem Helden er- wartet - eine auch heutzutage durchaus noch übliche Methode. Einzig die Begriffe sind andere geworden ('dynamisch, flexibel, teamorientiert, leistungswillig' - solche oder ähnliche Aufzählungen finden sich in vie- len Stellenausschreibungen, in denen nach modernen Recken gesucht wird)
Als Subsantiv meint guot auch Besitz und Nutzen, also etwas, das wiederum gut ist, (eine Behauptung, die wohl jeder bestätigen wird, der zuhause einen Geldspeicher besitzt ..). So bedeutet etwa der Ausdruck varndez guot die bewegliche Habe. Auch heutzutage findest sich diese Bedeutung immer noch in der Rede- wendung von Hab und Gut oder im (hoffentlich fetten) Bankguthaben. Aber Achtung, allzuviel Geld verdirbt den Charakter, eine Tatsache, worüber schon Walther ein Liedlein, pardon einen Sangspruch zum Besten geben konnte:
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ich wusste mir keinen Rat zu geben,
wie man drei Dinge erwerben könne,
ohne dabei eins zu verderben.
Zwei sind Ehre und fahrende Habe,
die sich häufig einander schaden:
das Dritte ist Gottes Huld,
welches mehr zählt als die beiden anderen,
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deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keinez niht verdurbe.
diu zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
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(Ausschnitt aus dem 'Reichston' - 'Ich saz ûf eime steine' ,Walther von der Vogelweide, )
Der Begriff güete schließlich umfasst das Bedeutungsfeld 'Würde, Großmut, Milde, richtige höfische Gesinnung' und meint somit mehr als das neuhochdeutsche 'Güte'.
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