Was wir alle immer schon machen wollten - Grammatik lernen nämlich ...
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Mittelhochdeutsch -
über die Grammatik
Verneinung? Doppelt hält besser - '... des enweiz ich niht ...'
Schwierigkeiten in mittelhochdeutschen Texten bereiten dem neuzeitlichen Leser nicht nur einzelne Wörter, die heutzutage nicht mehr verwendet werden, oder deren Bedeutung sich weitgehend geändert haben (- wir versuchen diese letztere Problematik ja bereits an anderer Stelle anhand einiger ausgewählter Schlüsselbegriffe zu beleuchten). Nein, natürlich unterliegt auch die Grammatik einer Sprache einem Wandel in der Zeit. Daher wollen wir zu dieser Thematik in lockerer Folge ebenfalls einige Punkte ansprechen.
Wenn ihr uns jetzt je nach regionaler Herkunft in herzlicher Offenheit sagt, Grammatik - bääähhh, das interessiert uns nicht, oder das juckt mich nicht die Bohne, vielleicht sogar des kratzt uns ka biss'l net, dann seid ihr auf völlig ungezwungene Weise bereits beim Thema des vorliegenden Beitrags gelandet. Heute soll's um die Verneinung gehen und wie sie sich in mittelhochdeutschen Texten findet. Ein wichtiges Thema, nebstbei bemerkt, speziell wenn's um die Minne geht; denn da muss man schon mal 'Nein' sagen können. Und wenn auch vielleicht nur aus taktischen Gründen ...
Ein richtiges 'Nein!', so dass es das Gegenüber auch versteht - das sollte kräftig aufgetragen sein. Denkt zumindest der Bayer, oder auch der Mühlviertler; natürlich tun dies auch die besseren Hälften besagter Völkerschaften. Darum beantwortet Sie sein höflich gestelltes Ansuchen dann auch gleich ganz prosaisch: 'Brauchst gar net schau'n wia a autobus. Vo mia kriagst ka bussl net!' Schön, nicht wahr?
Lokale Dialekte, recht und gut, aber, fragt da vielleicht einer aus eurer Mitte, was hat das Ganze mit Mittelhochdeutsch zu tun? Nun, vielfach haben die Mundarten, wenn sie noch ursprünglich gesprochen werden, gewisse Eigenschaften älterer Sprachformen bewahrt, die im Hochdeutschen längst verloren sind. Also drängt sich uns unter diesem Gesichtspunkt der Verdacht auf, es könnten sich doch Spuren dieser doppelten Verneinung auch in mittelhochdeutschen Texten ausmachen lassen, beziehungsweise, wenn dem so wäre, uns das Leben oder besser das Lesen schwermachen.
Nicht lang herumgeraten; machen wir uns einfach schlau. Ein schneller Griff ins Regal und - wen haben wir denn da? - ach ja, Walther ist's, der uns in der Hand liegt ( - um ganz genau zu sein, eigentlich ein Minnerlied von ihm -) und er hat Gewichtiges zu sagen; zur Minne - natürlich - aber auch bezüglich der doppelten Verneinung:
....
Bin ich dir gleichgültig,
so weiß ich nichts davon: Ich liebe dich.
...
ich kann nicht erleiden,
solche Liebe ohne großen Schaden,
...
....
Bin ich dir unmære,
des enweiz ich niht: ich minne dich.
...
ine mac niht erlîden,
selke liebe ân grôzen schaden,
...
(Walther von der Vogelweide - Bin ich dir unmære)
Da lesen wir 'des enweiz ich niht' und auch 'ine mac niht erlîden' . Hallo rufen wir aus, das ist einfach; da erkennen wir doch sofort unser 'nicht' wieder. Aber warum heiß es dann nicht einfach 'des weiz ich niht'? Und 'ich mac niht erlîden' ? Ach ja, jetzt erinnern wir uns, da gab's ja die doppelte Verneinung. Dann ist's wohl im Mittelhochdeutschen so, dass einfach noch ein Negationspartikel ( also hier 'en' oder 'ne')zur Verstärkung vor das Verb gesetzt wird.
Wir könnten somit die beiden zitierten Phrasen zwar nicht nobelpreisverdächtig aber immerhin sinngemäß etwa mit 'das nicht weiß ich nicht' und 'ich nicht mag nicht erleiden' übersetzen. Und obige Vermutung klingt durchaus plausibel. Allerdings war's sprachgeschichtlich genau anders herum. Die ursprünglichen Formen lauteten nämlich 'des enweiz ich' ('das nicht weiß ich') und 'ine mac niht' ('ich nicht mag erleiden').
Und das 'niht'? Das kam dann als Verstärkung der ursprünglichen Verneinung hinzu. (Übrigens, bei vielen Sprachen lässt sich im Laufe der Zeiten das Auftreten solcher Verstärkungen beobachten.) Allerdings wurden derartige Verstärkungen dann häufig derart obligatorisch, dass sie ihren Sinn - nämlich etwas besonders herauszusterichen - schließlich verloren. Und somit dann wieder weggelassen werden konnten. Allerdings - und das ist das Besondere bei der deutschen Verneinung - wurde später nicht die nachträgliche Verstärkung fallengelassen, sondern der ursprüngliche Negationsartikel. Was bleibt ist also unser wohlbekanntes 'das weiß ich nicht' und 'ich mag nicht erleiden'.
Nochmal: Und das 'niht'? Das lässt sich auf das althochdeutsche niowiht zurückverfolgen, das etwa 'nicht irgendein Wesen', 'nicht irgend ein Ding' beziehungsweise 'nicht irgendetwas' bedeutet - und somit recht treffend den Sinn des 'Nichts' mancher Philosophen wiedergibt. Über mittelhochdeutsch niwiht, niweht, niht gelangten wir schließlich zu unserem heutigen 'nicht'.
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