Heinrich von Rugges Plädoyer wider oberflächliche Äußerlichkeiten ...
Arm an Zeilen, kurz im Inhalt, doch recht tiefgründig, ja weise an Bedeutung - so könnte man die vorliegende Strophe des Minneliedes eines sonst in seinem schmalen und nicht eindeutig zuordenbaren Werk nur schwer fassbaren Sängers wohl treffend charakterisieren. Eine Menge an Lebenserfahrung scheint da mitgespielt zu haben, als Herr Heinrich von Rugge vor über 800 Jahren diesen Text wider die Oberflächlichkeit rein äußerlicher Betrachtung (der Frauen) dichtete und uns damit auch heute noch den tadelnden Spiegel vor die von aktuellen Schönheitstrends geblendeten Augen hält.
Ja, wir müssen uns selbst an der Nase fassen. Denn wer von uns staunenden Kinobesuchern freut sich schließlich nicht, wenn die Nobelpreisträgerin, die in bewährter hollywood'scher Manier dem (ebenfalls, mit kantigem Kinn ausgestatteten, prächtig aussehenden) Helden, welcher angetreten ist, die Welt allen physikalischen Gesetz zum Trotz vor dem x-ten Untergang zu retten, wenn also diese kluge Frau nicht einfach nur klug ist, sondern neben einem geschätzten IQ von 155 zudem noch Modelmaße (also deutlich weniger als 155!) und Modelaussehen aufzuweisen hat - und trotz dieses bemerkenswerten Zusammentreffens glücklicher Umstände just, weil bislang stetst in ellenlange Formelherleitungen vertieft, auch noch zu haben ist!
Dass sie zudem auch noch in einem Alter zu sein scheint, in dem unsereiner vom Nobelpreis nicht einmal noch zu träumen wagte - allenfalls von den gleichaltrigen blonden Komilitoninen, denen man auf diversen Studentenfeten hinterherhimmelte -, ließe uns vielleicht ein wenig neidig werden, wenn wir ob ihrer makellos gebräunten (und auch sonst makellosen) Bikinifigur denn solch komplexer Gedankengänge noch fähig wären ... seufz!
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Auf die Schönheit der Frauen ...
Auf die Schönheit der Frauen soll niemand
zu viel Wert legen. Sind sie gut,
dann lasse er sich davon erfreuen
und wisse, dass er recht daran tut.
Was tut's, wenn sich das Aussehen ändert
von einer, die doch edlen Herzens ist?
Der ist ein ungefüger Klotz,
der das an Frauen nicht erkennen kann.
Nâch frowen sch?ne ...
Nâch frowen schœne nieman sol
ze vil gefrâgen. sint sie guot,
er lâze si im gevallen wol
und wizze, daz er rehte tuot.
waz ob ein varwe wandel hât,
der doch der muot vil hôhe stât?
er ist ein ungefüege man,
der des an wîben niht erkennen kan.
Anmerkungen:
Bewundernswert, wie uns ausgerechnet ein so alter Recke (bei diesem Heinrich handelt es sich nämlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit um denjenigen Heinricus miles de Rugge, der zwischen 1175 und 1278 in einer Urkunde des Abtes Eberhard von Blaubeuren genannt wird und der möglicherweise ein Ministeriale des Pfalzgrafen Rudolf von Tübigen war; mit gänzlicher Sicherheit lassen sich beide Zuordnungen nicht treffen, weiß man doch um mehrere Familien, die sich nach der dortigen Burg Ruck benannten) darauf hinweist, dass es die inneren Werte sind, die bedeutend höher zählen sollten, denn die äußere, so schnell dahinschmelzende Schönheit.
Political Correctness, wie sie wohl die wenigsten unserer Modernisten dem späten 12. Jahrhundert zutrauen würden (- ja ja, bevor die Debatte darüber zu hitzig wird, wir geben's zu, wir treffen in dieser Zeit auch noch auf einen Thomasin von Zerklaere, wir treffen andere Autoren, deren Worte vielleicht ein ganz kleinig weniger aufgeklärt wirken).
Bewundernswert erscheinen uns Heinrichs Gedanken vor allem darum, weil doch bei der Beurteilung seines Sanges stets auch bedacht werden muss, wie sehr das mittelalterliche Denken auf Äußerlichkeiten fixiert war: Dabei meinen wir gar nicht die Protzerei manch edler Herren und Damen - die immerhin den Zweck verfolgte Machtansprüche und Hierarchien zu verdeutlichen. Wir sprechen nicht von Kleiderordnungen und dergleichen mehr (- und Hand aufs Herz, gibt es so etwas wie einen Kleider-, oder sollten wir besser schreiben einen Markencodex nicht auch heute noch?). Nein, das Urteil zielte damals häufig genug auf den innersten Kern des Menschen selbst, das Aussehen des Körpers nämlich - wenn auch aus anderen Motiven heraus, als aus jenen, nach denen wir heutzutage ähnlich beurteilen.
Galt doch der damaligen Zeit eine körperliche Entstellung, ein verunstaltendes Gebrechen - vielleicht in Folge einer Krankheit - nicht selten als Strafe Gottes, als 'Veräußerlichung des inneren Charakters'. Wer mit solch krankheitsbedingter Hässlichkeit gestraft war, der hatte diese Heimsuchung als Folge seines unredlichen, bösen Charakters verdient und wurde auch darum von allen gemieden - man denke nur an einen anderen, an Hartmanns armen Heinrich nämlich.
Umgekehrt impliziert diese Denkweise Schönheit und jugendfrische Gesundheit als das äußere Zeichen von Redlichlichkeit, Edelmut und Güte. Tugend bei Frauen! Was eben die heinrich'sche Mahnung, sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen, zusätzlich bemerkenswert erscheinen lässt. Vielleicht aber, so könnte ein Schelm denken, hat unser Minnedichter einfach nur genügend Lebenserfahrung gesammelt, um sich nicht ausschließlich vom luftigen Liebreiz jugendlichen Lächelns blenden zu lassen.
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