Saelde und Ere - Arbeiten an Texten

Schreibung und Aussprache mittelhochdeutscher Texte - Teil 1

Graf Otto von Botenlauben beim Lesen; Abbildung aus der Manesser Liederhandschrift.

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Warum beschäftige man sich mit Schreibung und Aussprache des Mittelhochdeutschen?

Weil nichts Ordentliches im Fernsehen gezeigt wird. Weil die Liebste beschlossen hat, den längstfälligen vierwöchigen Karibikurlaub alleine anzutreten. Weil es schon acht Tage durchgehend regnet und das letzte Schuhpaar löchrig wie ein Sieb ist. Weil man wie- der einmal, obgleich man es inzwischen besser wissen müsste, eine Wette angenommen hat und diese natürlich verloren hat. Wie der werte Leser aus den angeführten Beispielen unschwer erahnen kann, gibt es dutzende ausgezeichnete Gründe, warum man sich mit der Aussprache von mittelhochdeutschen Texten beschäftigen sollte.

Ernstens nun: Natürlich finden sich darunter auch wirklich bedeutsame, etwa dass man der neuen Bekanntschaft, die man am ver- strichenen Wochenende im Swingercl... ähem ... im Tanzlokal gemacht hat, durch den nachtigallähnlichen Vortrag minneglicher Texte imponieren möchte, dass man eben eine wichtige Rolle zum Dreh des ersten mittelalterlichen Historienfilms ergattert hat, der vollständig in Mittelhochdeutsch gedreht werden soll - einschließlich der Regieanweisungen, oder dass man, wenn man denn wirk- lich keine guten Gründe dafür vorzuweisen hat, trivialerweise wegen des Interesses so handelt. Oder aber man wieder einmal, ob- gleich man es inzwischen besser wissen müsste, eine Wette angenommen und muss nun Germanistik oder Medävistik studieren ...

Egal was nun die wahren Gründe sind: Der treue Leser unserer Seite (nun, eigentlich dürfen auch untreue Leser unsere Seite be- suchen, wir maßen uns da kein moralisches Urteil an, schließlich ist das eine Sache, die einjede(r) mit seinem Partner auszudisku- tieren hat - nötigenfalls in Form des guten alten Gottesurteils ...) musste sicherlich längstens erfahren, dass wir hin und wieder schon einmal ein kleines Poemchen aus diesen alten fernen Zeiten veröffentlichen. Wer sich denn die Mühe macht, diese Texte in der mittelhochdeutschen Variante zu betrachten, dem fallen bei dieser Gelegenheit schon mal einige Besonderheiten ins Auge: Zirkumflexe, Striche, Diphtonge, ... und natürlich wundervolle Interpunktuation am Satzende. Letzteres eine feine Sache, die man vor allem dann zu schätzen lernt, wenn sie einmal nicht vorhanden ist.

Nun ist es aber so, dass die mittelalterlichen Autoren dieser Texte leider nichts von unserern Vorlieben für eine normierte Schreib- ung ahnten, und sich daher - konsequenterweise - auch nicht an eine solche hielten. Geschrieben wurde, wie es einem in den Sinn kam, bzw. wie man es für sinnvoll hielt. Ehe man nun sehnsuchtsvoll aufseufzt, möge man bedenken, dass sich unsere hoffnungs- volle Jugend endlich wieder vermehrt dieser freien Schreibweise rückbesinnt, wie man in diversen Chatforen unschwer nachprüfen kann ... (Die orthographischen Ungereimtheiten hingegen, die kritische Leser auf unserer Seite finden mag, sind natürlich in der vollen Absicht untergebracht, auf dass auch der Spielesüchtige bei uns seinen Gelüsten frönen kann, indem er nämlich ein lustiges Suchespiel nach den Rechtschreibfehlern durchführt *)

Wir sind denn nun, wie bereits mehrfach betont, der Meinung, dass man, wenn schon mittelhochdeutsche Texte gelesen werden, dies in laut gesprochener Form geschehen sollte. Daher wollen wir demnächst einige Ausspracheregeln bekanntgeben, wie sie sich in einer neuzeitlichen standardisierter Form für solche Texte durchgesetzt haben (obwohl vermutlich im ganzen langen Mittelalter allenfalls wenige tatsächlich so gesprochen haben - schließlich wussten sie damals noch nichts von diesen Regeln ....)

Die folgenden Artikel werden sich dann eben mit diesen Regeln beschäftigen, auf dass der Liebsten Ohr oder jenes des betreuen- den Professors entzückt sein möge. Zuvor aber wollen wir dann auch noch auf die Schreibung eingehen, wie sie sich denn tat- sächlich in den originalen Handschriften findet. Höchstlich beglücken würde uns der, der diesen Ausführungen folgte ...

(* .... Übrigends für ale jene, die das Suchespil verßuchen möchden: Der Zeit halten wir bei exackt daussentacht ... 1876 verstekten Rechtschreibu- ngereihmtheiten. Wer sie den alle gevunden hat, möge uns die Lössung zukommen laßen - ihn wird dann innerhalb der vogelnden 14 Monatte eine belobbigente Urckunde zugestählt ...)

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