Übersetzen mittelalterlicher deutscher Texte - Teil 4
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... und dann sind da immer noch die echten 'Fremdwörter' ....
Wir haben uns im Umfeld unserer Mittelhochdeutschsektion bereits mehrfach mit dem recht anspruchsvollen Problem des Übersetzens mittelhochdeutscher 'Original-'Texte ins Neuhochdeutsche befasst und sind uns in diesem Zusammenhang auf einige Probleme gestoßen, die es uns erschweren, diese, in einer alten Form unserer Sprache verfassten Werke auch richtig zu verstehen.
Zwar tun uns die Herausgeber der bekannten Editionen (Deutscher Klassiker Verlag, Reclam, de Gruyter, Artemis Winkler, , um nur einige zu nennen) dankenswerterweise bereits viel Gutes, indem sie die Schreibweise der originalen Handschriften unseren Lesegewohnheiten etwa in der Satzzeichensetzung anpassen, uns nicht mehr geläufige Abkürzungszeichen durch vollständige Ausschreibung ersetzen und verdorbene oder fehlende Textstellen durch Ergänzungen aus alternativen Textüberlieferungen zu korrigieren bzw. zu ergänzen suchen. Ganz abgesehen von den häufig bereitgestellten neuhochdeutschen Übersetzungen, die nicht selten von ausführlichen Stellenkommentaren ergänzt werden.
Die Frage, warum man dann überhaupt noch den Originaltext benötige, haben wir bereits an anderer Stelle zu begründen versucht; nur soviel: Spätestens dann, wenn man versucht, des alten Geheimrates 'Zauberlehrling', den 'Faust' gar, oder Schillers 'Glocke' in ungereimten Worten nachzuerzählen, weiß man um die Schönheit und Tiefe, die sich erst und einzig aus den Originalen erschließt (soferne es nicht ein Leselehrling ist, der die Strophen zum Besten gibt) ...
Also muss es wohl der mittelhochdeutsche Text selbst sein - vorzugsweise laut gelesen: Wo sich Schwierigkeiten verstecken, auch darüber haben wir uns bereits Gedanken gemacht, etwa über die Hinterlist, mit der Sprachen die Bedeutung mancher Begriffe im Lauf der Zeit verengen, ändern oder - besonders bösartig - sogar gänzlich ins Gegenteil verändern.
Und wenn das alles berücksichtigt wird? Wenn wir manche, im ersten Ansehen fremdartig erscheinende, Begriffe durch (mundartlich gefärbte) Aussprache wieder zu uns Bekanntem verwandelt haben? (Schließlich haben uns unsere lokalen Dialekte viel mehr von alten Sprachstufen erhalten, als das Hochdeutsche je erahnen lassen würde ...) Dann bleiben immer noch jene Wörter, Begriffe, Phrasen, die uns tatsächlich unbekannt sind - Fremdwörter im wahrsten Sinne. Fremd, weil sie einer Kultur entstammen, deren Lebensumstände, Denkweisen und Gebräuche wir allenfalls erahnen können.
Aus dem Französischen entlehnte Begriffe, wie sie etwa ein Wolfram von Eschenbach zuhauf in seinen Werken einführt und verwendet, weil eben dem damaligen deutschsprachigen Adeligen oder Ministerialen die fanzösische Ritterkultur als nachahmenswertes Vorbild 'par excellence' galt und die Verwendung solcher Ausdrücke als besonders 'höfisch' vorkommen musste - uns jedoch die Lektüre nicht eben einfacher macht!
Manch einer dieser besagten (und von den mittelalterlichen Autoren bereits eingedeutschten) Begriffe mag uns mehr oder weniger weitläufig bekannt erscheinen - als Beispiele sollen hier âventiure, conterfeit, harnasch oder vielleicht noch der soldiere, bzw. für uns erkennbarer (aber dann bereits wieder mit einer Bedeutungsänderung bzw. in diesem Falle -erweiterung versehen) soldenaere, erwähnt werden.
Andere Bezeichnungen sind nur noch dem Fachmann geläufig - wer von uns wüsste schon mit der kovertiure oder dem massenîe etwas anzufangen. Beides Begriffe, die der ritterlichen Lebenswelt des französischen Adeligen entstammen. Hier helfen die beigestellten Übersetzungen und vor allem auch die besagten Stellenkommentare ganz vorzüglich weiter, indem sie uns nämlich im besten Fall zusätzlich Umfeldinformationen zu geben vermögen, welche zu einem erheblich vertiefen Verständnis führen können.
Beim Lesen haben wir es aber nicht nur mit Lehnwörtern zu tun, die uns zu schaffen machen, sondern auch mit diversen, eigentlich 'urdeutschen' Substantiven, Adjektiven und Adverbien, die uns bei der Erstbegegnung ein mindestens genauso ratloses Gesicht machen lassen. Letztere Begriffe sind uns ebenso fremd, weil sie im Laufe der Zeit (soferne sie nicht - wie etwa die vielbesungene minne - eine 'romantische' Wiederbelebung erfuhren) das selbe Schicksal ereilte wie einstens die seligen, wenn auch stets hungrigen Donnerechsen. Nämlich das des recht wenig ergötzlichen Aussterbens ...
michel wonne unde lützel gram beim Lesen wird also nur der erfahren, der um die häufigsten dieser verschwundenen Relikte Bescheid weiß; heraus also mit dem Vokabelheft und fleißig gelernt! Und weil wir eben die selig dahingeschwundenen Schuppentiere (nein, und nochmals nein, ein Tyrannosaurus lief nicht gefedert durch die Gegend! wie sähe das denn aus!) erwähnten - selig führt uns in seiner Wortgeschichte geradewegs zurück zur mittelhochdeutschen sælde, was ja auch eines dieser verlorenen Wörter ist ...
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