Flöten im Mittelalter - Teil 1: Probleme der Bezeichnung
Bereits zwei Artikel in den vergangenen Monaten schulden wir unserer Beschäftigung mit Instrumenten, auf denen sich alte Musik (oder sol- che Musik, die heutzutage dafür gilt) wiedergeben lässt. Dass es nicht bei diesen beiden Beiträgen bleibt, daran ist unsere ungebrochenen Begeisterung für die zart-gehauchten Töne verantwortlich, Töne, die sich unserem inzwischen stark angewachsenen Sortiment von Flöten entlocken lassen. Ob diese Liebe für Flötenmusikk auch von unseren Nachbarn geteilt wird, entzieht sich unserem Wissen. Zumindest hoffen wir dies; schließlich sind es mittlerweile bis zu drei Stimmen, die da parallel - und nicht immer ganz melodisch - die dünnen Wände unseres Domizils durchdringen, um ihre frohe Botschaft an fremde Ohren zu tragen ...
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Drei stimmen darum, weil neben der querzuspielnden Traversflöte und der ebenfalls bereits leidlich eingespielten Altblockflöte sich bald der Bedarf nach einer Erweiterung des Holzblasinstrumentenparks ergab: Eines lieben Kindeleins Wunsch nach bläserischer Beteiligung am Musik- geschehen musste mit einer Sopranblockflöte (womit sonst als mit dem klassischen Einsteigerinstrument?) Rechnung getragen werden. Und als dann noch zunehmend lockende Noten in der Sopranlage angehäuft waren und das Bedürfnis nach größerer Flexibilität im Gruppenspiel mehr und mehr angewachsen, da wurde zu guter Letzt noch der Tonumfang mit einer weiteren Blockflöte in den Tenorbereich hinab erwei- tert.
Bei all dieser Beschäftigung fand sich auch eine Menge an Literatur, in der über altes Flötenspiel, vom Mittelalter bis in das Barock, berichtet wurde - und über die vielen Unsicherheiten, um welchen Flötentyp es sich dabei denn gehandelt hatte, wenn denn von der Flöte die Rede war. Denn bei der Bezeichnung der Instrumente war nahm man es speziell im Mittelalter nicht sehr genau, obwohl es gerade damals eine Menge von unterschiedlichen Flötenarten gab, auf denen gespielt wurde. Grund genug für uns, in diesem Artikel einige Worte darüber zu verlieren.
Grundsätzlich gilt: Es ist schwierig, genauere Aussagen über einen Flötentyp zu machen, wenn in mittelalterlichen Schriften von diesem Instrument die Rede ist oder wenn auf mittelalterlichen Abbildungen Flötenspieler abgebildet sind (siehe etwa die Abbil- dung unten). Das liegt einerseits daran, dass jene Epoche eine Vielzahl unterschiedlicher Holzblasinstrumente kannte, darunter viele Flöten, mit oder ohne Kernspalte, die regional noch mit einer Menge von Untertypen vertreten sein konnten. Von dieser großen Artenvielfalt hat sich jedoch kaum ein Fundstück in unsere Zeit retten können. Somit stellt sich die derzeitige archeolo- gische Quellensituation als sehr unbefriedigend dar.
Aber auch die schriftlichen Quellen lassen meist keine exakte Identifizierung zu. Zwar wurden Flöteninstrumente bereits im Mit- telalter in zwei unterschiedlichen Weisen angeblasen, entweder über ein rundes Mundloch hinweg wie bei Pan- und Querflöten, eine Anblasmethode, bei der die Lippen für die notwendige Form des Luftspaltes zu sorgen haben (ein Umstand, der dem leid- geplagten Querflötenschüler wohlbekannt ist), oder in ein Mundstück mit Kernspalte hinein, wie dies etwa bei der Blockflöte der Fall ist.
Leider bezeichneten nun mittelalterliche Autoren unterschiedslos häufig beide Typen einfach als Föte, obwohl man sich des Un- terschiedes wohl bewusst war. In Guilleaume de Machauts Schriften (1300 - 1377), seines Zeichens Dichter und Komponist und als solcher verantwortlich für bedeutende Neuerungen in der Musik seiner Zeit, wie etwa der Übertragung der Melodiestimme in die obere Tonlage, wird zwischen den Querflöten ('flaustes traverses') und 'Flöten, die beim Spielen gerade zu halten sind ('flaustes dont droit joues quand tu flaustes') unterschieden.
Weiters finden sich bei Machaut noch die ('flauste brehaingne'), die ('floiot de saus'), also Weidenflöte, und die ('ele'). Andere Quellen erwähnen etwa ('frestel, fletsella, flajol, flajolet') und ('floyle'). In einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert, dem Hortus deliciarium aus Landsberg findet sich eine der ersten Darstellungen einer Querflöte, die hier als 'swegel' bezeichnet wird. Es ist kaum zu erwarten, dass es ob der unbefriedigenden Fundsituation gelingen wird können, diesen zahlreichen unterschied- chen Namen zweifelsfrei eindeutige Flötentypen zuzuordnen. Zumal nicht mit Sicherheit behauptet werden kann, dass die ver- ndeten Bezeichnungen an allen Orten tatsächlich gleiche Instrumente meinten.
Anders - eindeutiger - stellt sich uns die Situation dann nach dem Mittelalter dar. So bezeichnet der Terminus ('flauto'), also die alleinige Bezeichnung als Flöte, in der Barockzeit eindeutig die Blockflöte, ein Umstand, der auch heute nicht immer bekannt ist, während hingegen in England für dieses Instrument seit dem 15. Jahrhundert die Benennung als 'recorder' gebräuchlich wurde. Für die Querflöte, die lange Zeit hauptsächlich im deutschsprachigen Raum zum Einsatz kam, setzte sich aus diesem Grund hingegen die Benennung als ('flûte allemand ') durch, später aber auch der Terminus (flute traversiere).
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