Das Glockenspiel - harmonische Ordnung, der Kirche wohlgefällig ...
In unserem diesmaligen Beitrag wollen wir uns einem Instrument widmen, dessen Geschichte (beziehungsweise die seiner Bestandteile) weit in den Nebel der Geschichte zurückreicht, dem Glockenspiel nämlich. Neben der Orgel, so scheint es, ist es das einzige Instrument, dessen Rolle in der Kirchenmusik nie umstritten war - was wiederum nicht verwundern sollte: Schließlich dient die Glocke, in jedem Kirchturm beheimatet, dem Lob und Preis des Herrn. Wie also sollte ein Instrument, das sich aus einer ganzen Reihe von solchen, in harmonischer Ordnung angebrachten Schwingkörper den Frommen nicht wohlgefällig sein?
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Doch bevor wir uns den Gebrauch und die Herkunft des Glockenspiels näher vor Augen führen, wollen wir erst einmal Klarheit schaffen, mit welcher Ausführung des Instrumentes wir uns in diesem Artikel beschäftigen. Denn unter derselben Bezeichnung finden wir einerseits aufwendige Turmglockenspiele, die, aus mehreren Dutzend größerer und kleinerer Glocken bestehend, mit ihren fröhlichen Klängen nicht selten den Umzug einer Reihe - historischen Gestalten der jeweiligen Kommune nachgebildeter - Automatenfiguren begleiten.
Andererseits findet sich im Heim des einen oder anderen Mitlesenden möglicherweise ein kleines Holzgestell samt quietschbunter, längenausgerichter Metallplättchen, zweier Holzschlägelchen sowie eines oder mehrerer putziger Kindleins - schon ist der Musikgenuss garantiert (Von 'Alle meine Enntwein ... Entklein ... Entlein, ja, jetzt wars richtig!, über 'Winke, winke, kleiner Stern' bis hin zu all den anderen Klassikern der plüschrosa gestalteten Musikerraums).
Wobei letztere Ausführung mehr unserem heute besprochenen Instrument entspricht - zumindest seiner Spielweise (schließlich, wer hat schon - schade, schade, liebe Kinder! - einen eigenen Kirchturm samt 37 trommelfelltestender Glockenschwengel im Wohnzimmer?). Wenn ihr euch dann noch die Plättchen durch kleine, freischwingende Glöcklein ersetzt denkt, die, statt sich zu klöppeln lassen, mit Hämmerchen im rechten Takt und in rechter Reihenfolge angeschlagen werden, dann seid ihr schon nahe beim mittelalterlichen Glockenspiel, wie wir es euch hier vorstellen wollen.
Woher kommt das Glockenspiel? Woher die Glocke selbst? Wie so oft, reichen die Ursprünge in die Antike zurück. Seit dem 7. vorchristlichen Jahrhundert verbreiten sie sich mit dem Auftreten iranischer Reitervölker in den abendländischen Bereich hinein. Bei den Kriegervölkern sind es kleine Bronzeglöckchen mit Eisenklöppeln, die am Zaumzeug der Pferde angebracht allerlei Schäden fernhalten sollen - ein früher Beleg für den kultischen Gebrauch als Abwehrzauber (wie er sich noch im mittelalsiatischen Schamanismus erhalten hat). Häufig finden sich derartige Glöcklein auch im Gräberkult, bis ins frühchristliche Mittelalter hinein reicht diese Nähe zum Tod.
Doch die Glocke als christliches Attribut, als Stimme der frohen Botschaft zu Ostern, konnte nicht lange auf die düsteren Gefilde der Jenseitigen beschränkt bleiben, sondern musste fast zwangsweise, in harmonische Ordnung gebracht, vielerlei religiöse Riten vereinnahmen. Tatsächlich finden sich, mit dem 7. Jahrhundert erstmalig in Frankreich belegt, das ganze Mittelalter hindurch, Hinweise auf die Verwendung von Glocken beziehungsweise derartiger Spiele zur Begleitung einstimmiger Choräle, zum Einsatz bei gewissen liturgischen Dramen. Und in England waren sie mit der Aufführung des 'Te Deums' verbunden.
Der strahlende Klang der Glocken mit seiner klaren Harmonik - das musste den mittelalterlichen Geist fesseln. Auch deshalb, weil die erzeugten Töne als Spiegel göttlicher Harmonie gelten konnten. Ähnlich dem Monochord, verwandte man Glockenspiele zum Musikunterricht in Chorschulen, um an ihnen Tonleitern und Intervalle zu erläutern. Von dort war der Weg in den Gottesdienst ein natürlicher.
Die als 'carillon (frz.), klokkenspel (ndl.), cime bells (engl.), clokarde' beziehungsweise - als vom lateinischen 'cymbalum' abgeleitet - 'cymballe (frz.), cymbal (engl.), Zimbel (dt.)' bezeichneten Glockenspiele und glockenspielverwandten Instrumente wurden üblicherweise mit Hämmerchen oder Schlegeln per Hand angeschlagen - oder in komplizierteren Vorrichtungen, wie die untenstehende Abbildung zeigt.
Die meisten Darstellungen zeigen allerdings einen einfachen Holzrahmen, auf dem die Glocken aufgehängt wurden - in Sätzen zwischen drei und fünfzehn Glocken, wobei der gebräuchliche Tonumfang die Oktave zwischen c2 und c3 diatonisch, häuig ergänzt durch den Leitton h2 und den Ton b2, umfasst zu haben scheint.
Nicht zuletzt deshalb wissen wir so gut Bescheid über den Tonumfang aber auch über die Bauweise der mittelalterlichen Glockenspiele, weil zeitgenössische Autoren häufig darüber berichteten. So kennen wir aus den zahlreich überlieferten Glockenmensuren, also den Anweisungen zum Guss von tonal genau aufeinander abgestimmter Glocken, mit rund 80% Kupfer und 20% Zinn sogar die Zusammensetzung des zum Guss verwendeten Glockenmetalls.
Also, ihr handwerklich Begabten, schnappt euch die bunten Plättchen eurer lieben Kleinen, verschrottet sie und - sofern aus Kupfer oder Zinn - schmelzt sie ein, auf dass euch zukünftig sonntagsmorgens fröhliches Glockengebimmel erwecke ...
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