Die Schalmei - laut, grell und rebellisch ...
Diesmal wollen wir uns der Schalmei widmen, einem Holzblasinstrument, dessen erste Ahnen und Vorläufer sich bis ins 3. vorchristliche Jahrtausend zurückverfolgen lassen. Diese finden sich - als Abbildung in Stein gehauen - im Ägypten der Pharaonen ebenso wie beim biblischen Fest, sind beliebt im antiken Griechenland wie bei den Römern. Über lange Jahrhunderte hinweg begleitete ihr greller, unverkennbarer Klang Kriegszüge und Feiern, Tanzveranstaltungen und repräsentative Auftritte. So war sie dabei, als die Araber über die antike Welt hinwegstürmten oder die Spielleute zum mittelalterlichen Tanz aufspielten.
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Den mittelalterlich-europäischen Spielleuten war die Schalmei ein wichtiges Instrument; als einer der Favoriten des damaligen Hörgeschmackes kam sie als 'lautes Instrument' - in der damals üblichen Aufführungspraxis Lautes zu Lautem und Leises zu Leisem zu stellen - meist in Begleitung von Trompeten und Trommeln zum Einsatz; sicherlich eignete es sich ausgezeichnet dazu, die zeitgenössischen Tänze zu begleiten oder den Aufzug eines großen Herrn, jedoch gibt es auch Berichte, die von ihrem Spiel in Gotteshäusern zu berichten wissen, etwa bei festlichen Anlässen oder - überraschend - zur Verstärkung der Chorstimmen.
Nun, Geschmäcker ändern sich. Und so kam es auch, dass die Schalmei, wild, laut und ungezügelt, wie sie sich beim Spiele gab, nicht bereit sich leise und verhalten zu gebärden und sich dem Gesamtklang einer Gruppe von Instrumenten unterzuordnen, in der orchestralen Praxis der neueren Zeiten keinen Platz mehr fand; vielmehr waren es ihre Nachfahrin, die Oboe, und die weitläufigeren Verwandten Klarinette und Fagott, die ob ihres feineren und geschmeidigeren Tones, der sich im Zusammenspiel mit Anderen stets zähmen lässt, dort Aufnahme fanden. Jedoch haben die Schalmei und ihr verwandte Typen in der volkstümlichen Musik weiter Teile Asiens und Nordafrikas ihren Platz behauptet.
Allerdings erlebt die Schalmei in jüngster Zeit auch in unseren Breiten, wo sie schon so gut wie verschwunden war, eine Auferstehung und neue Wertschätzung als schwierig - weil mit viel Luftdruck - zu spielendes Instrument in Ensembles, die sich der Aufführung alter Musik verschrieben haben oder aber auch als eines, das die 'neuen' fahrenden Spielleute bei ihren Auftritten begleitet und dabei Mittellalterfesten und ähnlichen Veranstaltungen den typisch-unverkennbaren Klang verleiht.
Der Name der Schalmei leitet sich vom lateinischen calamus ('Halm') ab und weist darauf hin, dass die Tonerzeugung durch Anblasen eines (Doppel-)Rohrblattes erfolgt - ähnlich wie bei der angesprochenen Oboe oder auch bei der Klarinette und dem Saxophon. Auf das Lateinische gehen auch die französischen Bezeichnungen chalemie und chalemele sowie das spanische chirimia und das englische shalm zurück.
Im Zusammenspiel mit der starken konischen (sich nach einer Seite hin verjüngenden) Bohrung, machte dieses Anblasen über das Doppelrohrblatt die Schalmei zum durchdringendsten aller mittelalterlichen Instrumente, mit dessen Lautstärke sich allenfalls noch Trompeteninstrumente vergleichen konnten, zu einem Instrument, dessen Klang heutzutage als aufdringlich, laut und nicht selten als wild empfunden wird, sich im Mittelalter (und darüber hinaus) jedoch großer Popularität erfreute. Und das weit über den europäischen Bereich hinaus, wie ihr Auftreten in so weit voneinander entfernten Gegenden wie Marokko und China belegt.
Wie bereits erwähnt, reichen die Urformen der Rohrblattinstrumente weit vor die Zeitwende zurück. Die Erfindung der eigentlichen Schalmei hingegen glaubt man den Arabern zuschreiben zu dürfen; sie soll in Bagdad während der Zeit des legendären Kalifen Harun-al-Rashid (786-809) entwickelt worden sein; manche Meinung datiert ihr Aufkommen noch 600 Jahre früher. Ursprünglich fand das Instrument wohl in den Militärkapellen mohammedanischer Herrscher zusammen mit Trompeten und Schlagwerken seinen Einsatz - gedacht dafür, dem eigenen Heerhaufen Mut einzuflößen und den Gegner zu verunsichern. Und verantwortlich dafür, dass die Köpfe jener, die mit dieser Art von Musik nicht vertraut waren, beängstigendend rumorten.
Über den islamischen Raum kam die Schalmei nach Europa; vermutlich bereits zur Zeit Karl des Großen. Heimisch und richtig populär, dürfte sie hier allerdings erst ab dem 12. Jahrhundert, wohl im Gefolge der Kreuzzüge geworden sein. Ab dieser Zeit erscheinen sie häufiger in Illustrationen und Skulpturen. Von der ursprünglichen orientalischen Form (als klappenloses, relativ kleines Instrument mit Lippenscheibe und sieben Grifflöchern sowie Daumenloch) hatte sich die europäische Bauart damals allerdings schon entfernt. Die Beschaffenheit von Rohrblatt und Mundstück waren verändert, die Lippenscheibe durch eine Pirouette ersetzt (einen trichterförmigen Aufsatz, aus dem das Rohr hervorragt) und es gab nun auch größere Bauformen in tieferer Tonlage als der ursprünglichen Diskantlage.
Die Schalmei wurde zur Grundlage eine Instrumentenfamilie: So entstand im 14 Jahrhundert die bombarde (deutsch Pumhart, beides zurückgehend auf das lateinische bombus, was soviel wie Brummen und Dröhnen bedeutet), ein Instrument in Altlage, später, mit den sogenannten Pommern auch Instrumente in Tenor- und Basslage, die dann zusätzliche Klappen notwendig machten, da nun die Finger nicht mehr alle Löcher greifen konnten.
Ab dem späteren Mittelalter erlebten die Holzblasinstrumente eine stürmische Weiterentwicklung, eine Tendenz, der auch die Schalmei unterworfen war, für die nun eine verwirrende Vielzahl von Bezeichnungen gebräuchlich wurden. Als Element zur Tonerzeugung kam nun ein breites Rohr aus Schilf zum Einsatz, das sogenannte arundo donax, das in den Sümpfen der Provence und Spaniens wächst, und das von den Lippen des Spielers reguliert werden konnte. Bei größeren Instrumenten saß das Rohr zudem am Ende einer Metallhülse, bei kleineren auf einer Hülse in einer Pirouette.
Bedingt durch diese Änderungen besaß die Renaissanceschalmei eine durchdringende Brillianz, die sie zu zum allgegenwärtigen Freiluftinstrument machten, und die moderne Nachbauten nicht immer korrekt widergeben. 'Bei großen Festen ... blasen sie auf Posaunen, Zinken, Schalmeien und ähnlichen Blasinstrumenten' heißt es in zeitgenössischen Quellen. Das Pfeifen der Schalmeienkapellen des 16. Jahrhunderts muss tatsächlich ohrenbetäubend gewesen sein. Im 17. Jahrhundert entstand dann schließlich die Oboe, welche aufgrund ihrer Ausdruckskraft und des geänderten Musikgeschmackes die Nachfolge der Schalmei an den Höfen und im Werkkasten der Komponisten antreten sollte ...
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