Dekorationsmöglichkeiten: Manesse / Teil 1
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Dass die kalte Jahreszeit schon zu lange andauert, merkt man spätestens dann, wenn an den langen Winterabenden schön langsam die Langeweile aufkommt. Der Lockruf der Natur ist bei Bodennebel und Nieselregen nun mal alles andere als wirklich verlockend, Fernsehen sowieso keine wirkliche Alternative und Bücher wollen manchmal auch in Ruhe gelassen werden. Was also tun?
Soferne jedoch vom letzten Regalbau (ja, es war wieder einmal kein Platz mehr vorhanden für all die neuen Bücher ...) noch Schnittreste und Abfallhölzer in der Wohnung herumliegen, von denen mangels eines wärmespendenden Kachelofens oder Kamins ohnehin niemand weiß, wohin damit, dann kann dem inaktiven Zustand ganz leicht abgeholfen werden. Man nehme: einen möglichst glatten Bretterrest, einige Pinsel, diverse Farben, eine passende Vorlage sowie guten Willen und reichlich Zeit und bemale das Holz mit dem ausgewählten Motiv.
In unserem Fall stand uns eine der schönen frouwen aus dem Codex Manesse Model (dafür seid innigliche bedankt), die auf einem etwa 20x20cm großen Bretterreststück maltechnisch abgebildet werden sollte. Ziel war es, die für die Mannessehand -schrift typische Darstellungsform, etwa in Körperhaltung oder Gestik, zu erhalten, ohne dabei auf eine wirklich hundertpro- zentige Übereinstimmung zu achten. Hauptsächlich sollte die hier abgebildete Arbeit jedoch der Gewinnung gewisser Fertig- keiten und Erfahrungen für spätere, umfangreichere Projekte dienen, etwa der figuresken Verzierung von mittelalterlichen 'Luxusgütern'.
Zum Anfang einer derartigen Arbeit gilt es, sich Gedanken über die räumliche Gestaltung zu machen (Positionierung, ornamen- tale Verzierungen, etc.) Anschließend ist das Motiv mit einem weichen Bleistift auf dem Holz zu skizzieren. Michelangelo, Da Vinci und ein Großteil unserer Leser werden dies freihand ohne Probleme erledigen - für weniger geschulte Anfängerkünstler empfielt sich ein Pausverfahren.
Nach diesem Schritt geht es an die Bemalung: Hierbei gilt es zu beachten, dass die Holzoberfläche von gänzlich anderer Struk- tur ist als jene von Papier oder Pergament ... Dies gilt es bei der Farbauswahl, ja eigentlich schon bei der Motiverstellung zu beachten. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, neigt etwa Holzbeize dazu, in die Holzporen einzuringen und dort 'weiterzulau- fen'. Demzufolge ist die Farbgebung mit Beize eigentlich nur für große Flächen ohne Farbwechsel geeignet. Das eigentlich steht deshalb hier, weil man sich bie zu einem gewissen Grad behelfen kann (etwa dadurch, dass man die einzelnen Farbgebiete durch Brandgravour oder durch Lacke begrenzt) - jedoch ist, will man benachbarte Flächen mit unterschiedlichen Farben einfärben, sehr sorgfältige Arbeit notwendig, um das unschöne Ausgreifen der Beize in andere Farbfelder verhindern.
Dafür besteht bei Verwendung von Beize die Möglichkeit wunderbare Farbschattierungen durch mehrmaliges Übermalen von Teil- flächen zu erzielen - wie dies etwa zur Gestaltung des Faltenwurfes beim Mantel unserer Schönen angewendet wurde. Zu be- achten ist dabei selbstverständlich, dass immer mit dem hellsten Farbton begonnen wird. Eine zusätzliche Beizung kann das Holz nur verdunkeln ... Auch die Maserung des Holzes bleibt bei einer Beizung immer sichtbar - man muss also zuzeiten überlegen, ob dies erwünscht ist.
All den Tricks sind jedoch Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, kleine Details darzustellen, wie etwa die sorgfältig gekräu- selten Haarlocken unseres Mägdeleins. Natürlich kann man hierzu Lacke verwenden, doch neigen diese wiederum dazu, beson- ders auf großen Flächen aufgetragen, zu glänzen und die Holzstruktur vollständig zu überdecken. Kaum, dass derart ein mittel- alterlich wirkendes Bildnis hergestellt werden kann. Außer ...
... außer, man greift wieder in die Trickkiste. Unser Pinup-Girl wurde nun folgendermaßen eingekleidet: große Flächen, dunkler als die Holzgrundfarbe (karminrot und blau), wurden gebeizt, kleine Details erhielten ihre Farben durch Modellbaulack. Die weiß-grauen Hermelininnenfelle des Mantels schließlich wurden mit sehr stark gelöstem Lack bemalt. Dadurch bleibt die Holzmaserung sichtbar und die Optik entspricht beinahe jenen Feldern, die gebeizt sind. Insgesamt wurden für die Dame samt Umrandung etwa sechs Stunden Arbeitszeit aufgewendet (aber wer opfert für eine derartige Schönheit nicht gerne seine Zeit ...) - was unter anderm auch daran lag, dass erst einige Versuche zur Mischung der unterschiedlichen Farbmedien gemacht werden muss- ten. Mit zunehmender Erfahrung sollte sich die notwendige Arbeitszeit noch um einiges verringern lassen.
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