Saelde und Ere - Symbole ... um denn besser zu verstehen!

Des edlen Falken hoher Flug ... oder Freiheit und Minne

Herr Wilhelm von Heinzenburg samt Falke und Dame, Codex Manesse, erste Hälfte 14.Jhdt

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Ich zoch mir einen valken, lässt der Kürenberger die verlassene Frau klagen (zumindest ist dies die gängigste Deutung) und im Nibelungenlied tróumte Kriemhíldè, wie si züge einen valken, starc, scóen und wíldè. Beide Male steht der Falke für den Geliebten, beim Kürenberger für den vormaligen, im Traum der Kriemhild für den zukünftigen, der zugleich auch der größte Held von allen sein wird, der einzige, der ihrer Liebe wert ist. Der Falke, also ein Symbol für den Geliebten?

Ja. Und nein. Denn auch für die Geliebte kann er stehen, wie Isolde in Gottfrieds 'Tristan' als der minnen vederspil. Vederspil, das meint die zur Beizjagd verwendeten Greifvögel, also auch den Falken. Und der schon erwähnte Kürenberger sagt an anderer Stelle Wîp unde vederspil diu werdent lîhte zam . Der Falke ist also einmal der geliebte Ritter und Held, dann wieder die verehrte Dame. Jedenfalls segelt und rüttelt er auffällig häufig über jenen Stellen mittelalterlicher Texte, auf denen von der Minne zwischen Ritter und hoher Frau die Rede ist. Manchmal bringt er dabei die Liebe einfach auch nur wieder in Schwung, botengleich, wenn er etwa in Wolframs 'Parzival', den vergesslichen Helden mit Hilfe der drei in den Schnee vergossenen Blutstropfen der Wildgans an die ferne Condwiramurs erinnert - und, nebenan bemerkt, in Folge manch Artusritter in eine unerfreulich schmerzhafte Situation bringt.

Meint der mittelalterliche Dichter die Liebe, dann spricht er also nicht selten von der Falkenbeize; die Beziehung des Falkners zum Tier stellt gleichnishaft gewisse Aspekte der Beziehung der Liebenden dar. Etwa wenn es um Freiheit und Bindung geht, zentraler Konfliktpunkt (nicht nur) mittelalterlicher Beziehungen, wie manch einer (eine?) beim Lesen dieser Zeilen seufzend bestätigen wird können, auch dann, wenn er nicht den Namen Iwein führt. Da wird der Falke gezähmt - und entfliegt doch der Klagenden, nur fliegen sieht sie ihn noch, mit goldenem Riemen; ein herber Verlust, so- wohl für eine Dame als auch für einen Falkner.

Entfliegen kann er jederzeit; ist es doch seine Art, sich hoch in die Lüfte zu schwingen, kraftvoll und schnell. Und so stellt er auch ein Symbol für Freiheit und Ungebundensein an gewisse Konventionen dar, etwa, wenn Dietmar von Aist in seinem Falkenlied die Dame beim Sichten eines Falken, diesen mit den Worten grüßt: du erkiusest dir in dem walde einen boum der dir gevalle. alsô hân auch ich getân: ich erkôs mir selbe einen man. Dass dies so selbstverständlich nicht gewesen ist, zeigt der alsbald folgende Hin- weis auf die neidischen Anderen. Das Recht auf freie Partnerwahl, noch lange nicht selbstverständlich im Mittelalter ...

Der Falke und die Jagd mit Greifvögeln, das ist dem Mittelalter ein Sinnbild höfischer Lebensart. Daher verwundert es nicht, wenn die Falkenjagd eine prominente Stelle in mittelalterlichen Illustrationen einnimmt - man denke da nur an die farbprächtigen Ab- bildungen in der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse). Nicht nur das Schwert, das Ross eignen dem Herrn vom Stand, nein, sondern auch der edle Falke; wertvolles Prestigeobjekt, wie der Augapfel gehütet, begehrenswerter Preis, den Erec im lebensgefährlichen Streit für Enide erringen muss - nun eigentlich ist's dort ein Sperber, immerhin verderspils genug, um sich die Rüstung zu verbeulen ...

So wertvoll ist der Jagdfalke, dass man über besondere Exemplare spricht, dass man sie nicht aus den Händen gibt. Keinesfalls! Selbst dann nicht, wenn schon alles andere den Bach hinuntergeschwommen ist - es sei denn, die Minne käme wieder ins Spiel. Wie in Boccaccios Novelle, in welcher der unglückselige Greifer um der Liebe Willen gar im Kochtopf endet - eine untypische Wendung wohlgemerkt, die aber schlussendlich doch noch zum glücklichen Ende Anlass gibt. Für den mittellosen Ritter wohl- gemerkt und die reiche Dame, eben nicht für den Falken. Aber für gewöhnlich erfahren sie eine bessere Behandlung. Schließlich befleißigen sich selbst Könige und Kaiser der Beschäftigung mit der Falkenbeize, wie uns Friedrichs Buch von der Falkenjagd beweist.

Der Falke, etymologisch vermutlich dem lateinischen falco entlehnt, mit der Grundbedeutung 'Sichel, Sense' aus falx , was auf die Benennung durch die gekrümmten Klauen und den Schnabel hinwiese, dieser Falke nun verkörpert - wie schon angesprochen - Freiheit, Kraft und Schnelligkeit verkörpert. Kein Wunder nun, dass er - und wir tun nun einen Blick in die fernere Vergangenheit - den Germanen als Vogel der Krieger galt. Odin selbst erkundet die Welt in Gestalt eines Falken, der listenreiche Loki borgt sich nicht selten das Falkenkleid der Freya, um die Asen das eine um das andere Mal wieder aus einer tiefen Not zu befreien. Übrigens, Freya ist die Göttin der Fruchtbarkeit und der Liebe - womit der Kreis wieder geschlossen wäre.

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