Saelde und Ere - Aberglaube oder: Mit wunderlichen sachen ler ich si denne machen ...

'Auf und davon und nirgends mehr on!' - mit der Flugsalbe mag's klappen ...

Und so geht's: Die Zubereitung der Hexensalbe; Holzschnitt von Hans Baldung Grien; 1. Hälfte 16. Jhdt

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Zaubern um der Liebe Willen - diese Kunst euch beizubringen, geneigte Leser, danach steht derzeit unser Sinnen in unserem Praxisworkshop. Schließlich sehen wir uns ja auch als Serviceeinrichtung, die euch behilflich sein soll, den geeigneten Partner zu finden. Lange ist noch nicht alles gesagt darüber, über all die Feinheiten und Spezialitäten - und dennoch wollen wir gerade jetzt eine Pause einlegen dabei.

Denn nicht immer klappt alles so, wie es klappen soll. Und was tun, wenn dann aus schlimmen Versehen das falsche Mägdelein im Kämmerlein erscheint oder es sich als gar garstig Weib entpuppt? Ihr wisst schon:'Die Geister die ich rief, ... Dann nämlich ist guter Rat teuer und schnelle Flucht vonnöten. Und was, was könnte hilfreicher sein, um sich rasch aus dem Staub zu machen, als das Döschen mit der zuverlässigen Flugsalbe stets greiffbereit zu haben. Und darum wollen wir euch über deren Bereitung nun Kunde geben.

Allerdings - und da seid strengstens gewarnt - sind manche der benötigten Igredienzien heutzutage nur schwer erhältlich, andere hingegend abscheuerregend für unsere Geschmäcker. Von allen Bestandteilen jedoch sind jene am Gefährlichsten für den angehenden Magier, die giftige Wirkung zeigen. Daher wollen wir euch die genaue Rezeptur nicht bekanntgeben - ihr mögt das fertige Präparat dann bei uns um einen unbedeutenden Beitrag ordern, nachdem wir ihre Wirkung erst einmal selbst erprobt ...

Über die Bereitung solcher Hexensalben wissen wir heutzutage nicht mehr genau Bescheid - aber über ihre Wirkung berichten uns die Verhörprotokolle der Hexenprozesse aus der frühen Neuzeit: Flug, Tanz, Teilnahme an Orgien und Exzessen, Verwandlung in Tiere. Ganz schön harter Stoff, so entfährt es manchem angesichts des in diesen Protokollen Niedergeschriebenen. Tatsächlich reicht die Anwendung solcher Salben über das Mittelalter bis in die Antike zurück. So schreibt der Satiriker Lukian im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung in seinem Werk 'Lucius oder der Esel':

'Daraufhin öffnete sie eine ansehnliche Kiste, worin eine Menge Büchsen waren, und nahm eine davon heraus; was ihr Inhalt war, darüber kann ich nichts sagen, als dass es mir, dem Ansehen nach, Salböl zu sein schien. Damit rieb sie sich nun am ganzen Leibe ein, von den Nägeln an den Füßen bis zum Kopfe, und plötzlich brechen ihr am ganzen Leibe Federn hervor, ihre Nase wird ein hörnerner, krummer Schnabel, sie bekommt alles, was zu einem Vogel gehört und ihn von anderen Tieren unterscheidet, mit einem Worte, sie hört auf zu sein, was sie war, und ist in einen Nachtraben verwandelt. Kaum sah sie sich befiedert, so gab sie den widerlich krächzenden Ton von sich, der diesen Vögeln eigen ist, erhob sich in die Luft und flog zum Fenster hinaus.'

Aber Achtung: Den guten Lucius, der die Herrin heimlich bei ihrem Tun beobachtet hat, befällt der brennende Wunsch es selbst zu versuchen und dann - ihr ahnt es bereits, liebe Leser, - geschieht was dem Zauberlehrling gerne widerfährt und warum die Geschichte den Esel im Titel führt und nicht den Raben: Die Geliebte vertauscht die Büchsen, statt der Federn wachsen die Hufe und die Ohren ... Ein Hinweis darauf, wie wohlgeübt die Kunst der Zauberey sein muss, damit nicht Schelmerey daraus entstehe ..

Die genaue Zusammensetzung solcher Salben kennen wir nicht, wohl aber wird angenommen, dass die schwarze Tollkirsche und das Bilsenkraut die Hauptbestandteile bildeten, nach Einführung des Stechapfels im 17. Jahrhundert, wohl auch dieser. Allesamt hochgiftige Bestandteile, deren Wirkung bei Einnahme tödlich sein kann, aber auch bei äußerlicher Anwendung - als Salbenbestandteil - stets gefährlich! Nachtschattengewächse, deren Wirkstoff das Atropin ist. Hergeleitet ist dessen Bezeichnung von Atropos, der dritten der drei Schicksalsgöttinnen, in deren Händen das unabänderliche Geschick, Leben und Tod des Menschen lagen. Nicht ganz unzutreffend, wie wir meinen ...

Belladonna, so heißt die Tollkirsche auch, 'schöne Frau', und das rührte möglicherweise daher, dass sich Damen einst den Saft der Kirsche ins Auge träufelten, weil dieser durch seine Giftwirkung die Pupillen erweiterte und somit 'schöne' Augen machte. Wie man sieht, hat Gift in der Schönheitsmedizin ebenfalls Tradition. Der Stechapfel soll hingegen den Zigeunern bei ihren Zaubereien und Weissagungen hilfreich gewesen sein. Und Konrad von Megenberg warnt in seinem 'Buch von der Natur' bereits im 14. Jahrhundert vor den Bilsensamen:

'Den Samen soll man keinem Menschen zu essen geben, denn er tötet und bringt das Siechtum der Vergessenheit, daß ein Mensch nur will schlafen und vergisst viel Ding.'

Die Wissenschaft spricht uns viel von der halluzinogenen Wirkung der in den Nachtschattengewächsen enthaltenen Wirkstoffe, die all die beschriebenen Erscheinungen hevorzurufen instande sein sollen. Wir wissen's aber besser: Um echt zu fliegen bedarf es noch anderer Beigaben. Und da wird's echt unappetitlich und bedenklich, außerdem variieren die Angaben, wie auch bei jenen Sprüchen, die vor dem Flug noch getan werden sollen, wenn er denn erfolgreich enden soll.

An benötigten Ingredienzien sind da je nach Rezeptur aufgelistet: allerley gekochte Kinderleyn, vorzugsweise ungetaufte, die gepulverten Knochen eines Gehängten, die mit einer Hostie gefütterte Kröte, das Fett diverser Leckereyen, wie etwa Schlange, Kröte oder Spinne, das Fett von Fledermäusen, welche eine Woche vor dem Tag des Hl. Georgs aus dem Winterschlaf erwacht sind, Kuhmist und Geißenhaar, ein paar Kräutlein noch dazu - man legt ja schließlich Wert auf eine angenehme Duftnote ...

Wichtig: Reiben, nicht schlucken! und dann nicht den rechten Spruch vergessen - ansonst kann der Flug reichlich ruppig verlaufen. 'Auf und davon und nirgends mehr on!' , 'Hui, über Stecken und Stauden' oder 'Fahre hin, nach Paris (London, Kirchschlag, etc.) steht mein Sinn' wären denkbar. Und das wär es dann auch schon gewesen. Klingt komisch, ist aber so ...

Um nochmals auf die Liebe und ihre Irrungen zu sprechen zu kommen: Sollten nächtens eine Dame in eurem Zimmer erscheinen und euch - anstatt sich euch in der Bettstatt zuzugesellen - ein ledernes Geschirr überwerfen, dann befindet ihr euch in schlimmer Bedrängnis. Statt Zuneigung, hegt die Erscheinung nämlich Böses im Sinn. Aber nein, nicht solche Bösartigkeiten und Grausamkeiten, die ihr vielleicht in diesem Moment erhofft, ihr Schelme. Sie ist's nämlich dann, die aussfliegen will, und euch zu diesem Zwecke als Mähre aufsatteln ...

So, nun ist's Zeit, für heute Schluss zu machen - die Hornhaut ist schon ganz rau(h) vom Tippen.
...
'Schatz? Darf ich mir von deiner Hautsalbe nehmen? Danke!'
...
'Was ...,
...
... verdammt, ...
...
.......... nicht, der teure Luster! ...
...
.................. Kann mal bitte wer das Fenster öffnen? ....'

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