Von Geistern, ..., Teil 3: Wiedergänger als Urbilder unserer Gespenster?
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Da nun wieder hellichter Tag herrscht und die kommende Dämmerung noch fern liegt, erscheint es uns recht an der Zeit, um erneut das gruselige Thema der Jenseitigen und ihrer meist nächtlichen Erscheinungen zum Thema zu machen. Zuletzt betrachteten wir die verschiedenen Begriffe, die für derlei Manifestationen im Gebrauche sind und suchten herauszufinden, was denn eigentlich gemeint ist, wenn wir vom Gespenst sprechen oder vom Geist. Und ob es in allen Fällen immer das Selbe ist, das wir damit zu bezeichnen gewohnt sind.
Schnell mussten wir bemerkten, dass ähnlich den Objekten, für die sie stehen, jenen Bezeichnungen die Eigenschaft der Unschärfe eigen zu sein scheint; eine Eigenschaft, die der immer genaueren Untersuchung anstelle exakter Sinngebung mehr und mehr nebelhafte Verschleierung entgegenzustellen scheint, je schärfer wir den Blick darauf richten. Da wir auf diesem Wege schwerlich weitere Erkenntnis zu erlangen hoffen dürfen, scheint es uns ratsamer zu sein, erst einmal Vermutungen anzustellen, woher denn der wohl allen Völkern und Stammesgemeinschaften verbreitete Glaube an Gespenstererscheinungen herrühren mag; mögen sie auch noch so versteckte Urwaldlichtungen oder noch so abgelegene Klippen besiedeln, kennen ihre Geschichten und Mythen, kennen ihre Märchen doch ebenso diese Manifestationen, die uns so unheimlich vertraut erscheinen.
Was, so fragen wir, könnte diese erstaunliche Übereinstimmung begründen? Nun, die Antwort scheint uns - zumal in dieser speziellen Rubrik - recht klar ersichtlich zu sein: Den kettenrsselnden Rittersmann gibt es (und jeder Schlossbesitzer wird es uns und den eifrig fotografierenden Touristen aufrichtig bestätigen!) natürlich ebenso wie die nach Erlösung seufzende weiße Dame, den rachsüchtigen Baumdämon ebenso, wie die blutsaugende Geisterprinzessin - und die ganze Welt zeigt sich uns Lebenden derart als recht gefährliches übernatürliches Pflaster ...
Doch halt, hält uns da die moderne Wissenschaft entgegen. Diese sets ungläubige Wissenschaft! Es gäbe andere Erklärungen, werden ihre Vertreter erklären und uns ähnlich abstruse Theorien auftischen, wie einst, als sie uns einzureden versuchten, das Universum und mit ihm die Welt wären aus einem großen Knall hervorgegangen. Welch ein Humbug! Wissen wir doch alle, wie der Körper des Urriesen einst zu Bildung von Himmel und Erde, zu Berg und Wasser herangezogen wurde ...
Wenn ihr aber dennoch mehr dieser modernistischen Sichtweise zuneigt als dem klar Offensichtlichen, dann werden wir hier nicht umhinkommen, die häufig von dieser, jeglicher Romantik entbehrenden Seite vorgebrachten Erklärung für den über alle Welt verbreiteten Geisterglaubens einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
Da nun der Glaube an diese übernatürlichen Geistererscheinungen der gesamten Menschheit - zumindest über lange Abschnitte ihrer Historie - zu eigen zu sein scheint und wir hier nicht auf die einfachste Begründung zurückgreifen dürfen, müssen wir uns daher fragen, woher sonst eine solche Übereinstimmung rühren könnte. Doch wohl nur von einer allen Menschen gemeinsamen Erfahrung, die so nachdrücklich erschütternd sein muss, dass sie diesen bestimmenden Einfluss auf das Denken nicht nur Einzelner, sondern ganzer Gruppen, ja der gesamten Menschheit auszuüben wusste (und in gewissem Ausmaß immer noch weiß).
Was aber könnte diese Erfahrung sein? Vielleicht helfen uns die Erkenntnisse der paläonthologischen Forschung: Diese sprechen davon, wie bereits Neandertaler und Höhlenmaler ihre Toten unter Beachtung gewisser Begräbnisritualen bestatteten - ein starkes Indiz dafür, dass jener so unbegreiflich erscheinende Übergang vom Leben, das eben noch erfüllt ist mit Jagd und Mühen, Liebe und Lachen, zur toten Materie, der dem Menschen das Liebste und Vertrauteste nimmt, dass also dieser Vorgang bereits den Menschen der Urzeit nebst vielen Fragen wohl auch den Gedanken an eine übernatürliche, jenseitige Welt eingefößt haben muss - wie immer dieser im Wandel der Zeiten auch ausgesehen hat.
Betrachtet man diese Rituale, dann erscheint es uns nun so zu sein, dass durch die Zulegung von Grabbeigaben nicht nur eine angemessene, vielleicht sogar möglichst gute Ausstattung des Toten für die jenseitige Welt angestrebt wurde, sondern durch geeignete Maßnahmen allzuhäufig auch verhindert werden sollte, dass die Verstorbenen in der Umgebung der Lebenden verbleiben oder auch zurückkehren möchten. Und seien wir ehrlich: Verspüren selbst wir 'Aufgeklärten' nicht jenes unerklärliches Grauen beim Anblick des toten Menschen?
Begrabungsstätten, die, mit Tabus belegt, weit abseits der Dörfer der Lebenden angelegt wurden, schwere Steine, welche Brust und Beine des Verstorbenen beschwerten - und liegt nicht auch die Sitte der Verbrennung möglicherweise diesem Grundgedanken, eine Rückkehr zu verhindern, zugrunde? Woher aber diese Angst vor solchen Erscheinungen. Wollten die Toten die Lebenden zu sich holen? Waren sie ihnen ihres Lebens und der Wärme neidig, sodass sie lockend oder furchterregend in Träumen erschienen? Wollten sie sich gar vom heißen Blute nähren, wollten sie ihren Durst daran stillen wie einst die drängelnden Schatten der griechischen Unterwelt? Nicht immer helfen Pflöcke, um die Erkalteten fernzuhalten ...
Wiedergänger nennt man diese Rückkehrer, die meist unwillkommen über die Welt der Lebenden hereinbrechen, unheimlich und grauenerregend, und blühendes Leben bedrohen und denen viele Eigenschaften zugeschrieben werden, die man gemeinhin auch den Geistern und Gespenstern neuerer Zeit andichtet. Wenn wundert es, wenn man aus diesem Grauen vor den Toten und der Angst vor ihrer Wiederkehr einen, wenn nicht den wichtigsten Ursprung des Geisterglaubens herzuleiten glaubt ...
Warum aber, fragen wir uns, warum aber finden sich die typischen Geister- und Gespenstergeschichten so häufig in Antike und Neuzeit, selten jedoch in der mittelalterlichen Epoche? Was ist mit dem Ausgang der Antike mit ihnen geschehen? Dieser Frage wollen wir uns allerdings erst in der nächsten Folge unserer grauenvollen Serie beschäftigen, hat doch der Rabe auf der großen Standuhr just mit seinem sechsten Schrei das nahe Hereinbrechen der Dämmerung angekündigt; Zeit, um die nächtliche Seance vorzubereiten ...
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