Große Erwartung auf ein freudiges Ereignis: die stille Zeit des Advents ...
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'Ist's in der Adventwoch' kalt, so dauert die Kält' noch Wochen halt.'
(Alte, durchaus nachvollziehbare Bauernregel, die meteologischen Bezug auf die erste Adventwoche nimmt)
Erneut bricht sie an, die Adventzeit, die Zeit der Erwartung schlechthin, in der die Augen der Kinder von Tag zu Tag größer, ihre Geduld hingegen immer geringer zu werden scheint. Die einen von uns (seien wir uns ehrlich - wohl die meisten von uns) versetzt sie in ein hektisches Dahineilen von einem Schaufenster zum nächsten, gilt es doch höchst dringlich, inmitten neugestalteter Fußgängerzonen und aufgeregt dahinwogender Massen, endlich das eine oder andere passende Geschenk für die Lieben zu finden, die ein derartiges verdient haben. Nur um dann abends, rotnäsig, von zwei oder drei Glas Punsch erwärmt, erst recht wieder zu bemerken, wie einmal mehr bloß Bücher für das eigene Bücherregal in den Einkaufstaschen Platz gefunden haben, und zudem der chronischen Überlastung dieses Regals einen indirekt proportionalen Zusammenhang zum Inhalt des verstörend dünnen Brieftäschchens zu attestieren ...
Spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Mann oder Frau dazu neigen, in melancholische Stimmung zu verfallen. Nachdenklich zu werden. Was ja gut ist, stellte doch der christliche Advent ursprünglich - also in jenen rückständigen Zeiten, in denen noch keine Smartphones, I-Pötte und Tabletts unser Leben mit Sinn erfüllten - ohnehin eine Zeit der Besinnung dar. Tage, die uns auf ein freudiges Ereignis vorbereiten sollten. Eine Erwartung der anderen als der oben beschriebenen Art.
Doch wenn unser Bücherregal sich schon so fettgefressen hat an unseren schwererarbeiteten Talern und Gulden, dann mag es uns zumindest helfen, dem Sinn dieser rund vier letzten Wochen vor Weihnachten auf die Spur zu kommen. Indem es nämlich eines jener, von vielen Gymnasialschülern so heiß geliebten Lateinlexika herausrückt, aus dem wir erlesen, dass Advent von 'advenire' herrührt, was mit 'erreichen' oder auch 'ankommen' übersetzt werden kann.
Im Ursprung inhaltlich gleichbededeutend dem griechischen 'epipháneia', also der Ankunft einer Gottheit am Kultort (- kein Griechischlexikon im Regal? da müssen wir doch bei nächster Gelegenheit dringend in die Stadt, um diesen Umstand zu beheben ...), meinte es den Römern also Ankunft, Besuch oder auch Anwesenheit einer Gottheit oder auch eines Amtsträgers. Als 'adventus Divi' oder 'adventus regis' war damit Zerimoniell zum Empfang des (göttlichen) Herrscher oder König gemeint.
Einem solchen Ereignis gingen stets aufwendige Vorbereitungen und auch eine Stimmung der Erwartung und (in Aussicht auf die Feierlichkeiten zumindest beim einfachen Volk wohl häufig auch Vorfreude) voran. Was lag also einer Kirche näher, die sich in engem Kontakt zum römischen Kaisertum beziehungsweise nach dessem Untergang im Westen in Erinnerung an dessen Traditionen entfaltete, als diesen Begriff für die Vorbereitung und die Erwartung auf die Ankunft dessen zu gebrauchen, der der König aller Könige ist, nämlich Christus, des Erlösers der Menschen.
Wann lassen sich erste Spuren danach in den Quellen finden, fragt ihr nun vielleicht. Und woher kommt diese seltsame Ambivalenz (welch schönes Fremdwort; es enthält, wie uns unser Wörterbuch verrät, die lateinischen Begriffe 'ambo', also 'beide', und 'valere',?'gelten' - und schildert somit einen Zustand, der einem Schüler, der sich nicht entscheiden kann, ob die gestellte Frage beim Test mit 'Ja' oder mit 'Nein' (keinesfalls jedoch mit 'Weiß wieder einmal nicht'!!!!) zu beantworten ist, höchsterfreulich, dem Digitaltechniker ob seiner Binärtechnik hingegen höchst beunruhigend erscheinen muss ...), dieses Gespaltensein in Askese und freudiger Erwartung?
Also zurück an die Wurzeln - vielleicht verraten's die: Im gallisch-spanischen Raum finden sich erstmals im 4. Jahrhundert Zeugnisse für eine dreiwöchige Fastenzeit vor der dem Epihaniefest (also dem Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Jänner), welche sich später, mit Beginn am 11. November, auf 6 bis 7 Wochen ausdehnte. Auf Weihnachten ausgerichtet war dagegen der wohl im 5. und 6. Jahrhundert wohl unter Einfluss ravennatischer Gebräuche entstandene Advent der römischen Kirche. Bußcharakter von der einen, auch mit endzeitlicher Ausrichtung ('Parusieerwartung'), freudige Vorbereitung auf ein großes Fest von der anderen Seite herrührend ...
So mag es auch nicht verwundern, dass die Adventzeit ('tempus adventus Domini' - 'Zeit der Ankunft des Herrn'), die in der römischen Westkirche vorerst zwischen vier und sechs Wochen umfassen konnte und erst von Papst Gregor dem Großen auf vier Wochen festgelegt wurde - ohne dass sich alle Regionen daran gehalten hätten -, dass der Advent also lange Zeit als 'geschlossenen Zeit' betrachtet wurde, in der keine keine Tanzveranstaltungen und Hochzeiten abgehalten werden durften. Dafür aber ausgiebig gefastet - wovon uns der traditionelle Weihnachtskarpfen als Überbleibsel dieser Bräuche ein trauriges Liedlein singen könnte ... wenn er denn noch zu singen vermöchte ... Ach und ja, meine Damen und Herren, auch Abstinenz wäre gefragt. Und nein, wir meinen damit nicht die süßen Weihnachtsnaschereien ..
Fasten und 'andere Übungen' - die wurden den deutschsprachigen Gläubigen zuerst 836 auf der Kirchenversammlung zu Aachen und dann wiederum 932 auf der Synode zu Erfurt eingeschärft. 1022 schließlich verordnete die Synode zu Seligenstadt allen guten Christen neben einem Fasten 14 Tage vor Weihnachten den Heiratsstopp zwischen Adventbeginn und der Oktav von Epihanias (selbst schuld, möchte man da sagen, wenn man solange zuwartet ... all ihr jungen Leut', trefft euch daher zeitgerecht zum Reigen im Mai, brecht manch Blümlein dabei im hohen Gras, und dann rasch geheiratet und im kalten Dezember - husch, husch! - gemeinsam das Bettchen gewärmt! Die Adventzeit ist ja, wie unsere Landwirte wohl wissen, oftmals eine kalte. Auf dass ihr nebstbei auch unsere Renten und Pensionen sichert ...)
Es brauchte übrigens eine ganze Weile und ausgiebige Dispute (etwa den sogenannten 'Adventsstreit' 1038), bis sich im Abendland endlich eine wirkliche einheitliche Praxis durchsetzte. Klar zumindest ist allen, den Katholiken und Evangelen, dass das neue Kirchenjahr mit dem 1. Advent beginnt. Die orthodoxe Kirche feiert Advent als sogenanntes 'Weihnachtsfasten' dagegen bis heute noch sechswöchig (vom 15. Oktober bis zum 24. Dezember).
Und was ist mit den Bräuchen? Mit Advent(s)kalender und Advent(s)kranz? Nichts mittelalterliches, müssen wir da berichten, alles erst Erfindungen des 19. Jahrhunderts. Wiewohl solche, die uns, wenn wir an den knisternden Schein der Kerzen denken, in Besinnung zu versetzen verstehen und uns helfen können, ein wenig Abstand zu finden vom vorweihnachtlichen Kaufwahn und Trubel. Vielleicht so ein wenig Zeit geben für Gedanken der Sammlung und Besinnung ...
Wer's lieber noch traditioneller mag, der sollte den Besuch einer sogenannten 'Roratemesse' oder 'Engelsmesse, ins Auge fassen, einer Votivmesse zu Ehren der Jungfrau Maria, die ursprunglich nur an Samstagen des Advents und ausschließlich beim Lichte von Kerzen gefeiert wurde (- abends, aber auch im kaum noch dämmernden Morgen, mit Erwartung des Sonnenaufgangs und der ersten Lichtstrahlen, den Erlöser verheißend.) Aber Achtung, die ihr das lest: Bei einer solchen Veranstaltung mag auch dem einen oder anderen alten Heiden unter euch das Herz weich werden ...
Aber was ist nun richtig? Der Adventkalender oder doch der Adventskalender? Das wollen wir noch aufklären: Dort, wo einst Walther von der Vogelweide wirkte und Reinmar, dort also, wo man schönes, melodisches wenn auch manchmal etwas schlampiges Deutsch zu sprechen versteht, kann man das 's' entbehren. In Nordgermanien hingegen, das wird aus dem Adventkranz der Adventskranz ... was uns aber nicht entzweien soll in all der vorweihnachtlichen Freude ..
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