Allerheiligen und Allerseelen: Wenn die Seelen wandern ... '
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'Schenk jedem Lebenden deine Gabe und auch dem Toten versage deine Liebe nicht.'
(AT, Jesus Sirach 7,33)
Lauscht auf und lasst euch über jene Seltsamkeiten berichten, die sich am Abend des 31. Oktober vor unserer Wohnungstüre ereignet haben, stellen diese doch den Auslöser für den vorliegenden Beitrag dar. Wie bekannt, handelt es sich bei jenem Datum um den Vorabend des Allerheiligenfestes, an dem die katholische Kirche ihrer Heiligen und Märtyrer gedenkt, während am darauffolgenden Allerseelentag üblicherweise auf den Friedhöfen der Verstorbenen gedacht wird.
So weit, so gut. Aber selbst jene, welche es nicht so recht haben mit Religiosität und Brauchtum, kommen für gewöhnlich nicht umhin, diese Zeit der Morgennebel und fallenden Blätter, der kürzer werdenden Tage als stille Zeit zu empfinden, als Zeit, in der das Entschlafen der Natur zum Nachdenken anregt über eigene Endlichkeit. In der man, den Blick auf die Raben gerichtet, die krächzend auf kahlen Feldern wandeln, über tiefsinnige Fragen grübelt ... wenn, ja wenn einem die Zeit dazu vergönnt ist.
Uns nämlich wurde sie nicht gegeben! Zwar lungerten wir an besagtem Abend behaglich im weichen Ohrensessel (oder seiner Entsprechung), just ansetzend, in tiefschürfendes philosophisches Reflektieren zu verfallen, als die Klingel schellte. Wer mag das sein, fragten wir uns, so spät zur Nacht? - und erhoben uns, um zu öffnen! Hätten wir's doch nicht getan - denn da wir's doch getan, fuhr uns der Schreck in alle Glieder, als wir jene Schar kleingewachsener, über alle Maßen hässliche Dämonen erblickten, die uns, Schlimmes im Falle der verwegenen Verweigerung androhend, kaltlächelnd stark zuckerhaltige Lebensmittel aus unserer Vorratskammer abpresste.
Wär's nur bei diesem Grüpplein geblieben, dann hätten wir uns zurückflüchten können an den warmen Herd, unseren Schreck in einem ordentlichen Schluck Portwein ertränkend - aber nein, kaum hatten wir Zeit Platz zu nehmen, als wiederum die Schelle klingelte. Des Kommenden ahnend, griffen wir in unserer Vorratstöpfe, und fassten mit zittriger Hand nach der Klinke - Monster, noch hässlicher als zuvor ... insgesamt achtmal hatten wir Zoll zu entrichten an jenem Abend, ehe wir, in Anbetracht geleerter Töpfe, alle Lichter löschten und furchtgebeutelt darauf hofften, dass der Unheilabend rasch vergehen möge.
Halloween (hiezulande ausgesprochen als 'Hello Wien') war - ihr, Leser, habt's natürlich längst erraten, ja vielleicht wart ihr ja gar selbst eine jener vermummten Spukgestalten. Da wir von Sælde und ere aber nicht nur ein Herz für kleine, hässliche Monster haben, sondern dazu noch äußerst wissbegierig sind, fragten wir uns natürlich sofort, nachdem neues Tageslicht den Spuk vertrieben, wie denn dieser wunderschöne neue Brauch, den alle soooo herzlich lieben, derartig rasch Fuß fassen konnte in unseren Breiten, wo er doch - wie alles Schöne, wie Kaugummi und Nylonstrumpfhose - von jenseits des weiten Atlantik stammt.
Nein, stammt er nicht, werdet ihr jetzt rufen, aus dem katholischen Irland kam er einst in die Neue Welt - vielleicht ein Andenken bewahrend an ältere keltische Traditionen, an Jahreswechselfeste und Totengedenken, wie es sie bei vielen Völkerschaften gab und gibt, jedenfalls aber an katholisches Brauchtum, meinte doch All Hallows? Eve nichts anderes als den Abend vor Allerheiligen. Und wie war das mit dem Kürbis? Wenn ihr solches fragt, dann lasst euch sagen, das war kein Kürbis, sondern eine Rübe! Darin ein glühendes Stück Kohle, dahinter ein Hufschmied namens Jack - lest selbst die Legende von Jack O'Lantern, darin erklärt ist, wie dieser Bursche dazu kam, bis in alle Ewigkeit am Vorabend zu Allerheiligen mit der Laterne umherzuwandern ...
Egal, denn eigentlich wollten wir über die Gebräuche zu Allerheiligen und Allerseelen schreiben - daraus mögt ihr einige Berührungspunkte zum Halloweentreiben ableiten, so das für euch von Interesse ist. Allerheiligen ist ja bekanntlich dem Gedenken der Heiligen und Märtyrer gewidmet, die nach katholischem Glauben vor Gott als Fürsprecher für die Menschen eintreten. Seit dem vierten Jahrhundert lassen sich solche Gedenktage nachweisen, die aber ursprünglich meist eine Woche nach Pfingsten gefeiert wurden. Ebenfalls gebräuchlich waren (bereits vorchristliche) Feiern zum Gedenken an die Verstorbenen; sicherlich gab es dabei Überlagerungen von christlichen und heidnischen Gebräuchen (etwa in England, wo schon im 8. Jahrhundert solche Feiern zum 1. November - dem Beginn des keltischen Jahres - nachgewiesen werden konnten, oder auf keltischem Gebiet, wo das Anzünden großer Feuer (mal mit, mal ohne Wildschwein) üblich war).
835 wurde schließlich unter Ludwig dem Frommen der 1. November als Termin für das Fest der Heiligen und Märtyrer eingeführt. Eine Verquickung mit dem Totengedenken fand schließlich vom Kloster Clugny seinen Ausgang, als dort 998 Abt Odilo allen Benediktinerdateien ein solches Gedenken für den 2. November verordnete. Es dauerte dann noch bis 1006, bis Papst Johann XIX das Fest an besagtem Temin für die gesamte Christenheit einführte - und das Gedenken an die Heiligen und an die Verstorbenen zu unserem auch heute noch begangenen Doppelfest machte.
Totengedenken - das hat mit dem Wandern der Seelen zu tun; Halloween lässt die Geister umherstreifen .... erster Anknüpfungspunkt. Allerdings lässt der Volksglaube den Seelen gnädigerweise häufig länger Zeit zum Umherstreifen, so im bayrisch österreichischen Raum vom 30. Oktober bis zum 2. November. In manchen Gegenden können sie sich aber schon viel früher in Form kleiner Lichter ankündigen. Jedenfalls ist es für die Wandernden eine angenehme Unterbrechung des Alltages, der nämlich ansonsten im - zwar wohlverdienten, aber nichtsdestotrotz unangenehmen - Läuterungsprozess durch das Fegefeuer besteht. Allerseelen als Ausgang vom lästigen 'Wochengeschäft' also, den die Verstorbenen nutzen, um ihre ehemaligen Wohnstätten und damit ihre Anverwandten aufzusuchen.
Übrigens: Qualen des Fegefeuers - die kann man den Toten verringern, indem man über deren Gräber Weihwasser versprengt, Gebete spricht oder Kerzen anzündet - die Lichtlein helfen den Seelen auch, wieder zu ihren Gräbern zu finden; auch können sie sich daran wärmen.
Zuvor sollte es ihnen aber in ihrem Heim an nichts mangeln: So ließ man Brot, Wasser und Milch zur Zehrung am Tisch stehen, schüttete Mehl ins Feuer (um die Leiden im Fegefeuer zu dämpfen). Auch durfte keine leere Pfanne über den Flammen stehen (damit sich nicht eine arme Seele dareinsetze), am Tisch kein Messer mit der Schneide nach oben liegen (damit sich nicht eine arme Seele daraufsetze), keine Türe zuknallen (damit sich nicht eine arme Seele erschrecke), ... Überall laufen (schweben?) sie herum, die Geister; zu Mitternacht hört man sie singen - aber nur solche, die am richtigen Tag geboren sind, können sie auch sehen ... ach ja, und steigt nicht auf Kröten, wenn ihr sie vor euch sitzen seht, denn in den Alpengebieten zeigen sich - warum auch immer - die Geister in dieser Gestalt!
In dieser Zeit gibt es auch Speisevorschriften für die Lebenden. Vielfach ist das Anfertigen von sogenannten Gebildbroten üblich, die innerhalb der Familie und der Dienstboten verteilt werden. Aber auch die Armen werden mit Speisespenden bedacht, häufug mit jenen 'Resten', die die Toten über Nacht zurückgelassen haben. Und wenn wir dann hören, dass insbesondere die Kinder in jener Zeit beschenkt werden - etwa vom Paten mit Brot und Kuchen, wenn wir weiters vernehmen, dass sie, so wie die Armen auch, von Haus zu Haus ziehen, dort singen und 'um der armen Seelen willen' Gaben empfangen (das sind vor allem Brot, auch Äpfel, Geld, Schmalz, Mehl und Getreide), dann fehlt uns der Querschluss zu den modernen Halloweengebräuchen nicht mehr gar so schwer ...
Nun gut - die Aufmachung müsste gar so grell nicht sein - als wackerem Landmann erschreckt einem so viel ungesunde Bleiche im Gesicht. Zudem wär ein wenig mehr Stille und Einkehr doch wünschenswert. Aber, lasst's euch sagen, liebe Kinderleyn: so viel an Süssigkeiten .. tss, tss tss ... ja, natürlich, der Onkel Zahndoktor wird den Kariesmann schon finden; aber dazu muss er erst ganz viele, tiefe Löcher bohren ...
Und nun hurtig Schluss gemacht und zum Nachbarn weiter - denn der hat nicht geöffnet am 'All Hallows? Eve', und - infolge des versagten Süßen - ordentlich Saures von den umherziehenden Geistern empfangen ... nämlich in Form liebevoll auf die Tür drapierter Eier ... hähä! ... wollen mal sehen, ob er die wegbekommen hat ...
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