Haarwuchsmittel - nach alten Rezepten frisch angerührt ...
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'... daz hâr reiset auz von überigem gepresten der kost oder von fauler fäuhten in dem haupt oder in dem leib, als wir sehen ... mêr an den mannen wan an den frawen und an den mannen, die maiden sint und ir gezeug niht habent, und daz ist von der kelten an den paiden. dar umb auch werdent die haizen man kal wenn sie unkäusch pflegent, aber die frawen kalent niht dâ von daz si kelterr nâtûr sint wan die man ...'
(Konrad von Megenberg, Buch von den natürlichen Dingen)
Haarausfall ist für den modischen, smarten Kerl von Welt eine Tragödie. Gilt ihm doch die ungelichtete Mähne als Bestätigungs seiner ungebrochen jugendlichen Vitalität - und nicht zuletzt als Attraktivitätsplus beim weiblichen Geschlecht, dem schütteres Haar nur allzu leicht auch als Zeichen körperlichen Erlahmens gilt. Und seien wir uns ehrlich - recht so; wer von den werten Damen will schon mit unattraktiven Langweilern wie Yul Brynner, Jason Statham oder Bruce Willis zu tun haben?
Doch nicht nur dem heutigen Herzensbrecher sind kahle Felder und Lichtungen auf dem Haupt ein Gräuel, nein, schon die alten Zeiten kannten dieselben Sorgen. Dieselben Ungerechtigkeiten, dass - wie uns Konrad von Megenberg in seiner Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen 'ziemlich systematischen Naturgeschichte' Kunde gibt - auch damals schon die üblichen Bevölkerungsgruppen - Frauen und Kastraten - in besagter Beziehung bevorzugt sind, indem ihnen das Haar weniger stark schwindet als uns testosterongeblagten Mannsbildern.
Und als ob dessen noch nicht genug wäre, legt unser mittelalterlicher Enzykopädist auch noch offen, dass es vor allem Unkeuschheit ist, welche die 'heißeren' Männer kahl werden lässt. Und mit einem derartigen Makel behaftet, müssen wir uns dann jeden Morgen in die U-bahn drängen, feindselig beobachtet vom bartlosen Teil der Population, welche uns zur Hälfte für schlappe Auslaufmuster hält, während der andere Teil denkt, dass da schon wieder so ein kahlköpfige Falott wäre, der es ob seines besonders stark gelichteten Oberstübchens ausgesprochen schlimm getrieben haben müsse ...
Ich denke, ihr versteht nun alle, warum es uns so um unser Haupthaar zu tun ist. Selbiges gilt aber auch dem Helden der mittelalterlichen Aventüren - stellt euch einen Hagen mit Geheimratsecken vor, einen Gawein mit natürlicher Tonsur oder einen kahlköpfigen Tristan gar ... nicht möglich, sagt ihr? Unvorstellbar? Ja, und doch nagt der Zahn der Zeit an jedem, sogar an 800-jährigen Recken ...
So schlimm galt dieser Makel, dass in manchen europäischen Gegenden der vom Haarausfall gezeichnete Kahlköpfige es schwer hatte - von wegen, auf die inneren Werte käme es an! -, eine brave Ehegattin zu gewinnen, wenn dies nicht gar unmöglich für ihn war. Das Mindeste aber waren Spott und Getuschel über einen Makel, der in der Schar lockiger Rittersgefährten umso schwerer wiegen musste ...
Vorbei! Hebt eure gramgebeugten Spiegelglatzen, ihr vom Schicksal Geschlagenen. Denn wir von Sælde und êre haben (obwohl wir besagte Geheimratsecken sexy finden) die Bücher in unserer Bibliothek durchforstet, um euch Hilfe zu sein, damit es euch im erwachenden Mai wieder am Scheitel sproßt, wie das frische Korn am Felde, und nicht nur am Rücken und aus den Ohren. Dort, zwischen den staubigen Einbänden, haben wir die sensationellen, hundertfach bewährte alte Rezepturen entdeckt. Sie und nicht die so neuartige Kinkerlitzchen die dies Leiden ein für allmal beseitigen werden.
Ihr hasst Maulwürfe? Ihr zürnt ihnen ob der nach ihnen benannten Erdhaufen in eurem englischen Rasen? Kein Grund euch dessenthalben das schüttere Haar zu raufen! Denn wir haben das rechte Mittelchen gegen beiderley Ärger, gegen die lockeren Haufen im Garten und die kahlen Flecken am Haupt! Lauscht also, was der magische Johannes Staricius in seinem 'Geheimnisvollen Heldenschatz' Mitte des 18. Jahrhunderts an gewisslich viel älterer Weishait hat zu Pergamente gebracht:
'... Item, brenne einen lebendigen Maulwurf in einem newen Hafen, so in einem Backofen geschehen kann, zu Pulver, schmiere den kahlen Ort mit Honig und streue des Pulvers drauff ... '
(Johannes Staricius, Geheimnisvoller Heldenschatz, oder der vollständige egyptische Magische Schild)
Donner auch, so ein liebliches kleines Rezept - wie man darauf nur so lange vergessen konnte, fragt man sich da? Übrigens bietet dieses gelehrte Pergament noch andere Rezepturen für denselben Zweck, schließlich hat nicht jedermann sofort so ein putziges, kleines Maulwürfchen zur Hand. Wenn dem so ist, verzweifelt nicht, denn es tun auch Blutegel, die in ähnlicher Weise zu Pulver gebrannt, siedend in Wasser aufgelöst, eine Waschlösung ergeben (Achtung: Nicht mit der noch siedenden Lösung waschen!), welche an allen Körperteilen Haar sprießen lässt, die durch wiederholte Waschungen mit der Lösung in Berührung kommen.
Vor ausgedehnten Vollbädern sei also gewarnt - und die Hände werdet ihr euch zukünftig wohl rasieren müssen. Es sei denn, ihr zieht es vor, anstatt der Egellösung oder des Maulwurfhonigpulvers (beides nur in gut sortierten Apotheken lagernd) das viel leichter zu erschwingende Hechtschmalz zum Einreiben zu verwenden ...
Sollte euch die magische Quelle des Magisters Staricius aus irgend einem unerfindlichen Grund hingegen suspekt erscheinen, dann können wir euch mit dem 6. und 7. Buch Mosis eine andere, absolut vertrauliche anbieten. Die empfiehlt, die zur Wiederaufforstung vorgesehenen Lichtungen mit Hundsmilch zu benetzen, um dort bald schönsten Haarwuchs hervorbrechen zu sehen. Weiters bietet sich zum Beförden des Wuchses und zum Verhindern des Ausfalls folgende, leicht handzuhabende Mischung an:
'Nimm 1/4 Pfund Rindsmark, 1/4 Pfund Ochsenpfotenfett, 1 Quentchen Bergamottenöl, lasse es untereinander zergehen und gieße bei stetem Umrühren (mmmh, lecker!) noch etwas Wein und Rum dazu, dann reibe die kahlen Stellen oder das Haar damit ein.'
(6. und 7. Buch Mosis, 45f)
Wenn ihr's jetzt macht, wie in obigen Rezepturen geschildert, ist's vorbei mit allem Gram ob eines kahlen Schädels. Ihr braucht uns nicht zu danken dafür, sehen wir es doch als unsere Pflicht an, unseren guten Lesern stets auch Hilfen fürs tägliche Leben bereitzustellen, seien es nun kleine Liebeszaubersprüche oder eben Rezepturen wider das Veröden weiter Flächen.
Was aber tun, wenn einmal das Unglück sich ereignet, dass die neue Flamme oder gar - Gott behüte! - die Göttergemahlin sich versehentlich, weil im Glauben, es handle sich um ein Gesichtswässerchen, an eurem heimlichen Waxchstumswunder vergreift? Dann müsst ihr nicht verzweifeln: Soferne ihr sie nicht ohnehin derart bärtig zum Singen schicken wollt, wendet doch einfach ein anderes von Johannes Staricius magischen Rezepturen an:
'... nimb Operment (Arsen-sulfid), zereibe dasselbe klein mit Bilsen Safft, salbe den Ort daemit, so fallen die Haare hinweg und wachsen nicht wider ... '
(Johannes Staricius, Geheimnisvoller Heldenschatz, oder der vollständige egyptische Magische Schild)
Nebstbei bemerkt, ein solches Enthaarungsmittel zur Hand zu haben, empfiehlt sich nicht nur für die schlanken Beinde der Maiden, sondern auch für euch selbst. Weiß doch schon Konrad von Megenberg, dass viel Haar an Bauch und Brust auf umso weniger Weisheit hindeutet und, schlimmer noch, das Haar am Bauch wiederum jedermann den unkeuschen Menschen entdeckt. Was liegt also näher, als sich die Sünden der Vergangenheit mit einem solchen Enthaarungswässerchen buchstäblich vom Leib zu schaffen. Alternativ könnt ihr es, falls im Haushalt vorhanden, auch mit Fledermausurin ... gut, an dieser Stelle wollen wir für dieses Mal enden, darob aber nicht vergessen, euch viel Erfolg beim Experimentieren zu wünschen (schickt doch Fotos, wenn's gelungen - wenn nicht, lasst es bleiben ...)
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