03. Februar 2008
Durch strahlenden Sonnenschein motiviert, machten wir uns an diesem Sonntag mit viel Elan und einer nagelneuen Windschutzscheibe vor den Augen auf den Weg in den nahegelegenen südlichen Wienerwald. Nah vorbei an unseren letzten Ausflugszielen, Rauhenstein und Rauhenegg bei Baden, führte uns unser Weg durch Bad Vöslau hindurch bis zu den Hängen des hohen Lindkogels. Dort liegt mit der Ruine von Merkenstein eine der größten Burganlagen des Wienerwaldes, was bisher unserer Aufmerksamkeit vollständig entgangen war! Egal, schließlich sollte dieser Makel nun beseitigt werden. Was als kurzfristige Notlösung als Ausflugsziel aus dem Hut gezaubert worden war (da sich unser Aufbruch wieder einmal so weit verzögert hatte, dass nur noch wenige Stunden Zeit und damit auch nur noch Ziele in der näheren Umgebung erreichbar blieben), entpuppte sich schließlich als beeindruckende Anlage, deren Besichtigung nur dringend empfohlen werden kann ...
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Vom Haidlhof weg führte uns eine breite, gut gangbare Straße sachte in höhere Regionen. Die Burg selbst hatten wir vorerst als mas- siges Gebäude, dass den Wald überragt, vor Augen und so bestand selbst für uns kaum eine Möglichkeit, den richtigen Weg zu ver- fehlen. Einzig der eisige Wind erinnerte uns an diesem sonnigen Tag daran, dass die Winterzeit eigentlich noch gar nicht vorbei war.
Bald schon verschluckten die Bäume des immer dichter werdenden Waldes die Straße, die nach und nach zu einem gewöhnlichen Forst- weg zu verkommen begann, doch vor dem Wind hatten wir endlich Ruhe. Dafür quietschten und ächzten von allen Seiten die bedenk- lich schwankenden Stämme auf uns frechen Eindringlinge ein. Doch bald schon verloren wir das Gefühl, jeden Moment unter Holz begra- ben werden zu können und konzentrierten uns mehr und mehr auf die Umgebung. Riesige Felsbrocken und auffällige Gesteinsformatio- nen säumen den Weg zur Burg, viele davon von schmalen Schluften und Höhlenzugängen zergliedert. Kalksteinformationen, an denen das Wasser lange Jahrtausende gründliche Arbeit geleistet hat. Fast erwarteten wir beim Aufstieg, zwischen Moosen und stillen Tüm- peln, gähnenden Öffnungen und dem Schattenspiel des Sonnenlichtes seltsame Wesen herumhuschen zu sehen - so märchenhaft er- schien die Gegend.
Dann jedoch war Schluss mit beschaulicher Naturbetrachtung: Die Burg erhob sich auf einem riesiegen Felsen vor uns, massig und kom- pakt. Und wie es sich für diese Gegend gehört, ist auch dieser Fels, der Merkenstein, von Höhlen und Öffnungen durchzogen - fast schon wie ein reifer Emmentaler ... Eine Tropfsteinhöhle von beachtlichem Ausmaß, die Merkensteinhöhle, zieht sich direkt in den Burg- fels hinein; aber leider war sie verschlossen. Egal, weiter voran, die Ostseite des riesigen Wohntraktes hoch, dessen Mauern in Erman- gelung von Ringmauern die Wehrfunktion zu übernehmen hatten. Wohl deshalb finden sich nur ganz wenige Fenster in dem riesigen Bau - und die alle in großer Höhe.
Nach einigen Kletterminuten war der höchste Punkt des Felsens erreicht. Ein Zugang in die eigentliche Höhenburg war aber auch von hier aus nicht möglich, wohl aber ein atemberaubender Blick durch kahle Fensteröffnungen hinab in den einige Stockwerke tiefer liegen- den Innenhof des Zentralbaus, ebenso wie ein zweiter in den Vorhof. Schade, dass ein Abstieg ins Innere der Zentralburg nicht möglich war.
Immerhin gelang der Abstieg an der Nordseite des Felsens hinunter zum Vorhof und durch zwei Tore hindurch in den schmalen, lange- zogenen Burghof, der sich unterhalb der mächtigen Felsen und der darauf aufgesetzten Mauern bis zu einem kleinen Zugang zwängt, der - erraten - wiederum verschlossen war. Schade, aber sicherlich gibt es Sicherheitsaspekte, die für die Absperrung einsturzgefähr- deter Abschnitte sprechen. Bleibt nur zu hoffen, dass Sanierungsmaßnahmen gesetzt werden, wofür die aufgestapelten Ziegel im Hof sprechen würden ...
Unabhängig davon, dass alle Zugänge ins Innere verschlossen waren, lieferte der massige Bau, der in seiner jetzigen Form aus dem 16. Jahrhundert stammt und vermutlich noch auf die Mauern der mittelalterlichen Anlage aufsetzt, eine Menge an interessanten Fotomo- tiven. Anzumerken ist auch das Fehlen eines Bergfriedes, wie er normalerweise bei keiner Burg fehlen darf. Ob dies schon in der ur- sprünglichen Konzeption so realisiert war, oder ob der Turm erst späteren Umbauten zum Opfer fiel, entzieht sich unserer Kenntnis.
Und wie kam die Burg zu ihrem Namen? Dazu existiert eine Sage, die vom Ritter Leodegar und seinen Zwillingssöhnen zu berichten weiß. Die beiden konnten sich absolut nicht einigen, wer denn nun eigentlich der Erstgeborene wäre - keine rein akademische Frage, wie uns dies heutzutage scheinen würde, sondern eine sehr bedeutsamen. Herrschte doch damals in vielen Gebieten das Erstgeborenenrecht, was bedeutet, dass der Erstgeborenen den gesamten Besitz des Vaters erben sollte. Mithin eine Maßnahme, um der Zersplitterung von Grundbesitz vorzubeugen.
Um den Streit zu schlichten, nahm der Vater seine Söhne mit in den Wald, führte sie zu einem Stein (wohl eher zu einem Fels) und bestimmte den zum Erben, der den Stein nach drei Jahren wiederfinden würde. Einer verirrte sich bei der Suche, doch der andere - Winfried - war erfolgreich. Später baute er ganau auf diesen Fels seine Burg, die er in Erinnerung an die Probe Merkenstein nannte ...
Die Fotos der Burg, die aus jenem Bereich stammen, für den ein Zutrittsverbot besteht, wurden uns übrigens dankenswerterweise von einem nordkoreanischen Touristen zur Verfügung gestellt, der gerade eine Fusswalfahrt von Pjöngjang nach Rom zum Papst absolviert. Warum er gerade in Merkenstein einen Zwischenstop einlegte, ist uns nicht bekannt. Ebensowenig, warum er die Festungsmauern in allen Details fotografierte ...
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