03. April 2012
Da sitzt man und blättert durch Bildbände. Oder surft im Netz. Und seufzt, um der vielen Sehenswürdigkeiten wegen, derer man noch niemals ansichtig wurde (und dabei - ihr Halunken, die ihr nun Schlechtes über uns denkt - meinen wir Historisches aus Stein!). Ach, stöhnt man, hätte man doch bloß mehr Zeit zur Verfügung und wären die Entfernungen nicht alle so gewaltig, dann, ja dann ... dann merkt man, zur eigenen Verwunderung - und ein wenig verschämt auch -, dass es solches zuhauf vor der eigenen Nase in näherer Umgebung zu besichtigen gäbe.
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Es muss also nicht immer der Krak de Chevaliers sein, oder Notre Dame - nein, es findet sich genügend Historisches, das sich in einer Tagesreise oder auch rascher erreichen lässt. Die Burg - oder, leider, treffender - die Burgruine Starhemberg im Piestingtal ist ein schönes Beispiel dafür. Nichtsahnend von ihrer Existenz, passierten wir den Hügel, auf dem sie thront, wohl schon hundert Mal in nächster Entfernung. Nun vielleicht nicht allernächster Entfernung, aber mehr als fünfzig bis hundert Bogenschussdistanzen werden's wohl nicht gewesen sein.
Schluss mit diesem unwürdigen Zustand; nachdem die Existenz der Burg erst einmal entdeckt war, musste sie auch bezwungen werden - und zwar in der bewährten Art von Sælde und êre, in der von Sommerschuhtouristen nämlich, an einem sonnigen Tag in den Osterferien. Wie sonst? Die Anreise von Wien aus - ein Katzensprung; kaum mehr als eine halbe Stunde brauchte es, um vom Verkehrslärm und vom Trubel Abschied zu nehmen und ins idyllische Piestingtal zu gelangen.
In der Nähe der Ortschaft Dreistetten, thronen sie - die Ruinen der Burg, die einst eine der mächtigsten und prächtigsten war, zumindest des östlichen Österreichs. Doch noch stellen sich unserer Besichtigung schwerwiegende Hindernisse entgegen: Zuerst eine in Form des Zitherwirtes, dessen Lockungen wir - schweren Herzens, aber doch - widerstehen. Dann nach circa sieben Minuten schweißtreibenden Aufstiegs durch den frühlingshaften Wald die andere - klein und unscheinbar - neben dem Tor; nämlich die Mitteilung, dass die Burg wegen ihrer Baufälligkeit gesperrt wäre ...
Leider erreichten wir jedoch die Burgmauer an einer Stelle, in der schon eine Bresche geschlagen war ( - wir waren's nicht, ehrlich! - ), und durch die schlugen wir uns - ganz Eroberer, die die erste beste Gelegenheit zu nutzen wissen - sogleich ins Innere der Feste. Tut uns leid, liebe Forstverwaltung, das kleine, unscheinbare Schild haben wir dann erst beim Verlassen der Burg bemerkt (sollen wir sagen, zum Glück?) ...
Die Burg - eine Augenweide. Und ein Grund traurig zu werden. Wegen ihres derzeitigen Zustandes nämlich. Aber dass Heinrich der Streitbare, der letzte Babenbergerherzog, sie einst großzügig ausbauen ließ, dass sie in den folgenden Jahrhunderten laufend erweitert wurde, das merkt man ihr immer noch an. Imposant, weitläufig, beeindruckend. Mit einer Fülle an Details, die es an allen Ecken und Enden zu entdecken gibt. Man denke nur an Küche und Schornstein. An den Säulenraum und die einzigartige Rundkapelle mit ihrem Kuppelgewölbe ...
Oder der Anblick, der sich dem bietet, der auf dem weitläufigen Waffenplatz unterhalb der riesenhaften Mauern des Nordtraktes steht. Still! Hört man da nicht die Rösser schnauben? Zaumzeug und Sporen klirren, die Glöcklein, die in die Mähnen der Pferde geflochten sind, die Wimpel im Winde knallen, während man jeden Moment Damen zu sehen erwartet, die von oben herab, aus den Fenstern im dritten Stockwerk, ihre Favouriten anfeuern?
Nein, hört man nicht - sagt jetzt der Historiker, dieser Oberschlaumeier. Weil, erstens wären diese Damen längst zu alt, um das dritte Stockwerk noch zu begehen. Wenn es denn dort überhaupt noch einen Fußboden gäbe. Und außerdem hätte das, was jetzt fälschlich als Waffen- und Turnierplatz gedeutet wird, damals noch gar nicht existiert. Weil dieser Hof erst im Rahmen des späteren Ausbaus zur Feste mit ihren Vorwerken entstand, die dazu dienen sollten, Geschütze auf Distanz ...
Maul halten, sagen wir ganz schroff. Interessiert uns nicht, was du zu sagen hast. Warst ja immer schon der Liebling der Lehrerin, der alles besser wissen musste. Wir stehen hier und unsere Phantasie sagt uns, dass genau hier zum Tjosten angeritten wurde, so wie dies einst der selige Robert Taylor tat. Schluss, Punktum! Egal. Und wer immer noch dem Kerl mit dem Doktortitel mehr glauben will als uns, der soll sich einmal auf den Platz unter dem Palas stellen und aufmerksam lauschen. Er wird sie wiehern hören, die alten Geschichten, so wie wir dies taten ...
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