Mittelalterliches Handwerk und erlebbare Geschichte in Langenzersdorf / NÖ
(03. - 05. April 2009)
Lange erwartet war es, herbeigesehnt, dieses erste Fest des Jahres 2009, an dem wir von Sælde und êre teilnehmen wollten. Und auch ein wenig mit Besorgnis erwartet - eigentlich mit viel Besorgnis. Aber diese erwies sich als unbegründet und so durften wir an einem wunderschönen Festereignis teilnehmen, das uns, wie auch allen anderen Teilnehmern, diese Behauptung wage ich, schließlich sehr viel Spaß und Freude bereiten sollte. Wenn die Festsaison so fortschreitet, wie sich der Start an diesem Wochenende im Langenzersdorfer Erholungsgebiet Seeschlacht darstellte, dann steht uns ein schönes Jahr bevor.
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Aber alles der Reihe nach. Warum, so wird sich manch einer an dieser Stelle fragen, diese Besorgnis vor Beginn der Veranstaltung. Nun, da mögen wir ihn daran mahnen, dass wir erst den Beginn des Aprils schreiben, und der macht bekanntlich meist was er will - nicht aber das, was wir uns wünschen. Keine zehn Tage zurück tanzten uns immerhin noch vereinzelte Schneeflocken um die Ohren. Zwar macht sich Schnee gut, aber nicht auf unseren ungeheizten Zelten! Und zur Erinnerung: Bei der ersten Veranstaltung in Langenzersdorf im vergangenen Jahr wütete zu eben diesem Termin des Nachts ein Sturm, der manchem Zelt zum Verhängnis wurde. Verständlich, dass im Vorfeld einige Befürchtungen aufkamen.
Aber je näher der Festtermin heranrückte deso sonniger wurden (im wahrsten Wortsinn) die Aussichten und so machten wir uns des Donnerstags frohgemut ans Packen. Nein - eher stöhnend und ächzend, aber immerhin mit viel Vorfreude. Leider konnten wir aus Ter- mingründen erst am Freitag nachmittag anreisen, aber da waren wir nicht die einzigen. Und die Anfahrt machte wirklich Spaß. Sind doch die 30 Minuten Fahrzeit von Hetzendorf nach Langenzersdorf ein Nichts im Vergleich zu unseren vorjährigen Anfahrtswegen (etwa ins ferne, nahezu fünf Stunden entfernte Vohenstrauß).
Tatsächlich verlief alles wie geplant und so erreichten wir gegen 16 Uhr den Badesee mit dem idyllischen Namen Seeschlacht (kann mir vielleicht jemand hier verraten, woher dieser Name stammt?). Nach der herzlichen Begrüßung durch die Bock'sche Renata und der Ein- weisung auf einen wunderschönen, sehr groß bemessenen Lagerplatz hieß es also die eingerosteten Lageraufbaukenntnisse wieder her- vorzukramen und diese vielen Einzelteile, die sich da vor uns auftürmten zu einem einigermaßen sinnvoll aufgebauten Lager zusammen- zustellen. Stroh gab's zu diesem Zeitpunkt leider keines mehr - selbst schuld, wenn man so spät kommt - aber die Veranstalter ver- sprachen ihr Möglichstes zu tun, um die von uns sehnlichst erwünschten sechs Ballen aufzutreiben.
Soweit, sogut - aber bald tauchte das erste größere Problem auf. Wie nämlich, so war die Frage, die sich uns stellte, baut man ein Speichenradzelt ohne Speichenrad auf? Genau - gar nicht! Und da dieses unverzichtbare Teil irgendwo im heimischen Keller vor sich hinschmollte, hieß es zurück hinter das Steuer und in Windeseile auf vier Rädern ins ferne Hetzendorf um von dort das verschollene fünfte zu holen. Von wegen kurze Anfahrzeit. Das war es aber dann auch schon mit allen Pleiten und Pannen an diesem Tag. Zurück- gekehrt erwarteten den Fahrer nicht nur die abgearbeitete und ausgelaugte Crew von Sælde und êre, die zwischenzeitlich das restliche Lager mustergültig aufgestellt hatte (vielleicht sollte ich nächstes Mal das Rad wiederum im Keller ...), sondern auch noch fünfzehn gemütliche Strohballen. Ein wahrer Komfort!
Überhaupt ist es hier hoch an der Zeit nur lobende Worte über das Organisationsteam zu äußern. Stets freundlich und um Hilfestellung bemüht, besonders die netten Herren von Armati Domini die des Öfteren Rückfrage hielten, hat wirklich alles bis zur kleinsten Kleinigkeit gepasst: neben dem Stroh, natürlich, fand sich immer ausreichend Brennholz, wurde Mineral- und Brauchwasser geliefert, die WCs waren sauber, die Gastronomie hatte Leckereien zu bieten (der gegrillte Fisch war ein wahrer Festschmaus ...) und alle Vereine und Gruppen schienen bester Laune zu sein. Wen wundert's, bei diesen Umständen und bei diesem Kaiserwetter.
Die folgende Nacht allerdings versprach kalt zu werden, und so rückten wir näher und näher ans Feuer, was unseren Gewandungen einige zusätzliche Brandlöchlein bescherte. Tatsächlich hielt der dunkle Teil des Tages dann sein Versprechen und wer inmitten der Nacht das Pech hatte, sein warmes Felllager verlassen zu müssen, bekam einen sternenklaren Himmel zu sehen und eisige Nordpolar- kälte zu spüren. War der Pinguin dann wieder im Schlafsack, hieß es erst mühsam wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Klar, dass man des Morgens dann schon mal länger liegen blieb um der Sonne die Chance zu geben, mit dem grauslichen Morgentau aufzuräumen und etwas Wärme zu liefern.
Sich beim gemütliches Frühstück den Bauch wärmen zu lassen ist schon was Feines - insbesondere dann, wenn alle Vorbereitungen ab- geschlossen sind und man nur noch des Kommenden zu harren hat. Das kam dann auch, in Form einer Messe auf freiem Feld, wobei die Ehrenwache von den teilnehmenden Vereinen in Waffen gebildet wurde. Zusammen mit den vielen Gewandeten im Publikum ergab dies ein eindrucksvolles Bild. Dass der Herr Pfarrer beim Predigen mehr Geschick zeigte als beim anschließenden Leeren eines Trinkhorns (die Spitze muss nach unten zeigen, Hochwürden!), soll ihm hier ausdrücklich zugute gehalten werden. Den Humor verlor er dadurch noch lange nicht.
Anschließend ging es richtig los. Da wurden von Eulenspiel mittelalterliche Tänze zur Musik der Spielleute aufs Park .. äh, auf den Rasen gelegt, in der Schmiede durfte gehämmert werden was das Zeugs hielt, Marionettenpuppen unterhielten die Kleinen (aber auch manche Große, obwohl wir's natürlich nie zugeben würden ...) und die anwesenden Handwerker - halt, eigentlich müsste es Künstler heissen - brachten die Besucher ob ihrer Künste zum Staunen. Da gab es eine Menge an ausgewählten Stücken im Stand der Bock'schen Werk- statt zu sehen, wer eine mittelalterliche Brille zu eigen nehmen wollte, kam auf seine Kosten und bei Mutter und Sohn Pritz kam manch neidvoller Blick ob des Geleisteten auf: Handschriften auf Pergament, mit originalen Pigmentfarben erstellt, wunderbar illuminiert nach Vorbildern aus dem Codex Manesse ...
Mutter Pritz hat sich gleich eine Sysiphusarbeit aufgebürdet: Der Teppich von Bayeux soll ein zweites Mal entstehen, in seiner ganzen Länge von beeindruckenden runden 70 Metern, natürlich schöner als das Original - und wir können dies nach Ansicht der vorgelegten Arbeitsproben nur bestätigen. Angeblich, so die Aussage der Stickexpertin sollen in einem Monat 1,5m durchaus machbar sein. An ein späteres Austauschen mit dem Original sei bis dato zwar nicht gedacht gewesen, aber jetzt, einmal zur Sprache gebracht, werde man den Vorschlag überdenken ...
Natürlich gab's für uns neben dem Besuch anderer Lager und diverser Künstler- und Handwerksstände auch eine ganze Menge zu tun. Gäste begrüßen, mit Daniel und Reinhard auch ehemalige Weggefährten von Vexillum Vulpis, an und ab mal eine Partie Schach wagen - ja genau, auch diesmal war unser Schachzâbel zusammen mit anderen Spielen wieder mit von der Partie und verleitete hier Besucher und Gäste aus anderen Lagern zu einer selbigen - vielen interessierten Besuchern zu erklären was man denn hier macht, warum es in Wien Verordnungen gab, die es verboten seine Körperglieder zu verspielen, warum die Kirche das Würfelspiel zwar verdammte, sich beim Schach aber nicht so sicher war und was die Tiefenpsychologie mit mittelalterlichen Darstellungen zu tun hat.
Am Abend des Samstag gab's natürlich noch einen multiplen Höhepunkt, um dies einmal so auszudrücken. Da war erst einmal das be- reits bekannte, aber immer wieder beeindruckende Trebuchetschießen mit feuriger Munition von Prima Nocte. Da aber die kleine, den Hang beherrschende Burg nach dem Beschuss immer noch stolze Gegenwehr leistete, trat anschließend die Gilde von Arduinnas Gefähr- ten an und deckten das bemitleidenswerte Bauwerk gekonnt mit Salven von Brandpfeilen ein. Aber es wäre noch nicht genug an Feu- rigem und jedenfalls ein herber Verlust gewesen, hätte man den abschließenden beifallsumjubelten Auftritt der Shining Shadows ver- passt. Schließlich sind aller guter Dinge drei.
Der Sonntag präsentierte sich dann so wie der Samstag: sonnig, mit gutgelaunten Besuchern und allseits zufriedenen Mitwirkenden, die allenfalls das bevorstehende Ende der Veranstaltung beklagten. Wie immer sind es die schönsten Ereignisse und Veranstaltung die am raschesten von Gegenwart zu Vergangenheit werden. Und so begann um 16 Uhr das große Packen, die Verabschiedungs- und Dankes- tour bei Freunden, Bekannten und den Veranstaltern des schönen Festes. Langenzersdorf war die Reise wert - wir freuen uns schon aufs nächste Jahr. Als wir uns dann drei Stunden später auf die lange Heimreise in den fernen Südosten Wiens machten, war diesmal sogar das Speichenrad mit an Bord.
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