Die spätantike Mosaiken von Ravenna
Replikenausstellung in der Krypta der Karmeliten in Linz
(07. Juli 2009)
Immer wieder findet sich Außergewöhnliches an Orten, an denen man dies nicht erwarten würde. So geschehen in der lauten und vor Menschen wimmelnden Linzer Landschtraße. Ein unscheinbares Schild vor der Karmelitenkirche verkündete, dass in den Kellern der Krypta eine Ausstellung über die weltberühmten Mosaiken von Ravenna vorzufinden sei, die übrigens ganz ohne Eintritt (aber mit der Möglichkeit zu einer freien Spende) zu besichtigen wäre. Wunderbar war der erste Gedanke, eine solche Gelegenheit lässt man sich nicht entgehen. Und darum, werte Leser, findet ihr hier einen kurzen Bericht über diese Ausstellung, deren Besuch jedenfalls dringendst anzuraten ist, wie wir begeistert meinen ...
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Nun, an dieser Stelle wird sich der Angesprochene vielleicht fragen, wenn er denn bis hierher vorgedrungen ist und die Bilder betrach- tet, die unseren Text begleiten, aber keinesfalls die Schönheit der Mosaiken im Original widergeben können, was denn jene spätrömi- schen Mosaiken aus dem fernen Ravenna mit dem Thema Mittelalter zu tun haben, dem wir uns gemeinhin auf dieser Seite widmen? Die Antwort lautet: Viel, und wenn's nicht so wäre, wär's uns auch egal. Aber der Reihe nach:
Tatsächlich finden sich in der Krypta Mosaiken und nicht etwa nur Fotos! Aber nein, keine Panik an dieser Stelle - die berühmten, zum Weltkulturerbe gehörenden Kunstwerke wurden nicht etwa aus ihrer heimatlichen Umgebung geschlagen um auf Weltreise geschickt zu werden. Den griechisch römischen Musen sei Dank! Es handelt sich um originalgetreue Repliken dieser Werke, die in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts für genau solche Ausstellungen geschaffen wurden. Was aber bedeutet originalgetreu? Originalgröße, klar! Aber viel mehr noch: Auf die Originale wurden bei der Herstellung Transparentfolien aufgebracht, auf die die Umrisse der im Mosaik verwen- deten Steinchen durchgepaust wurden - Stein für Stein, eine Herkulesarbeit.
Nach der Mustererstellung sämtlicher benötigter Farbttöne lieferten die Glasbläsereien von Murano und Venedig die benötigte Glas- paste, aus der dann die benötigten Mosaiksteinchen ausgeschnitten wurden. Mit der Hand, genau nach Vorlage, jedes Stück einzeln. Die Anfertigung des Mosaikes selbst erfolgte dann nach der sogenannten indirekten Methode - Aufbringung auf der Transparentpause, die, nach Anbringung der Steinchen auf dem Kalkuntergrund, schlussendlich von den Steinen abgerissen wurde. Klar dass die Original- treue der erstellten Repliken einzigartig ist und sich alleine deshalb schon eine Besichtigung lohnt. Natürlich handelt es sich nur um Ausschnitte der prachtvollen ravennatischen Abbildungen, dennoch bieten sie einen guten Eindruck, von der aufwändigen Fertigung, von der Farbbracht, von den Motiven.
Natürlich fehlt die originale Umgebung, darum auch der Besuch der Krypta der Karmeliten eine Reise nach Ravenna wohl nicht ganz ersetzen kann. Das Mausoleum der Galla Placidia, der Basiliken San Vitale und San Apollinare Nuovo, das Baptisterium des Neon und die erzbischöfliche Kapelle wird man wohl oder übel selbst bereisen müssen um einen Gesamteindruck der dortigen Pracht zu erhalten. All- erdings bieten die Repliken einen unüberschätzbaren Vorteil. Sie können aus nächster Nähe betrachtet werden, etwas was für den Kurzsichtigen an den Originalstandorten allenfalls mit dem Privathelikopter möglich wäre.
Ravenna, die alte Stadt an der Nordküste der Adria, ehemals von Lagunen umschlossen und nahezu uneinnehmbar, gilt als Stadt der Mosaiken. Die große Zeit Ravennas begann 401, als der Weströmische Kaiser Honorius seinen Regierungssitz hierherverlegt. In der Folge umstrittener Zankapfel zwischen Römern und Germanen, zwischenzeitlich von den Westgoten erfolglos belagert, Residenzstadt des Heerführers und Ursopators Odoaker und - nach der Rabenschlacht - Theoderichs des Großen, der bekanntlicherweise seinen Rivalen eigenhändig meuchelte, danach, nach Rückeroberung durch Belisar für lange Zeit Hauptstadt des byzantinischen Exarchats Ravenna, das sich in stetiger Auseinandersetzung mit den einfallenden Langobarden zu behaupten hatte.
Im Laufe dieser 3 Jahrhunderte, dem 5. bis zum 7., wurden die einzigartigen Mosaiken unter vielerlei Herrschaften geschaffen. Hier entwickelte das an und für sich bilderfeindliche Christentum seine Formsprache, die für viele folgende Jahrhunderte verbindlich bzw. zum Vorbild wurde. So kann man diese Kunstwerke mit gleichem Recht spätantik als auch frühmittelalterlich nennen, da sie aus einer Zeit stammten, in der sich die griechisch-römische Welt der Antike endgültig zu jener frühmittelalterlichen änderte, in der germanische Königreiche mit Byzanz konkurrierten und die am Vorabend zum Auftreten des Islam standen. Unserer Meinung nach Grund genug, diesen herausragenden Kunstwerken einen eigenen Artikel zu widmen, zumal auch die Formensprache und Symbolik, wie sie in den Mosaikdarstellungen ersichtlich werden, bereits Themen auf unserer Seite waren und weiter bleiben werden.
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