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Farbe im Mittelalter
Gibt's denn das? Wie staunt man doch als unbedachter Laie, als der man umtriebig die (durchaus eindrücklich-farbigen) Weiten der digitalen Welt durchkreuzt, dann und wann sich auch einfach durch diese Welten treiben lässt, und dabei unvermutet an manch seltsamen Ufern strandet. (Nicht dort, wo ihr, Schurken, dies wieder vermutet!) Oder würde es euch nicht seltsam erscheinen, wenn ihr erführet, dass es Orte gibt, Symbosien, bei denen man über Farben spricht (nun, das ist noch nicht so seltsam), nur über Farben, so intensiv dabei in die Tiefe schürfend, dass daraus eine Veröffentlichung entspringt?
Aber nicht etwa ein dünner Band ist es, der diesem im Jahre 2009 in Bamberg abgehaltenen Symbosium - 'Farbiges Mittelalter' - entsprang (herausgegeben von Ingrid Bennewitz und Adrea Schindler im Akademie Verlag), nein zwei Bände mit einem Gesamtumfang von gut 1000 Textseiten und noch zwei Tafelteilen extra mit insgesamt 150 farbigen Abbildungen. Was, so fragten wir, lässt sich auf so vielen Seiten über eine doch begrenzte Anzahl von Farbtönen sagen?
Nun, die Bände versammeln Beiträge diese Veranstaltung - und wenn man dann erfährt, dass es original 350 waren, die damals über die angesprochene Thematik gehalten wurden, von denen es ohnehin nur die Hälfte dieser Beiträge in die Bände geschafft haben -, wundert der Umfang schon weniger. Hingegen aber schon, dass sich überhaupt so viele Aspekte für eine derartige Anzahl von Vorträgen finden lassen (wenn man einmal mit Schule zu tun hatte, weiß man, wie schwer es ist, alleine 20 gute Vortragsthemen zu finden!). Was das wohl ist, das zu so ausgedehnten Debatten von so vielen klugen Fachleuten Anlass geben könnte, fragten wir uns also.
Neugierig geworden, begannen wir das angeführte Inhaltsverzeichnis zu inspizieren - mit dem Erfolg, das uns diese teuflische Erfindung des Verlagswesens tiefer in seinen Bann sog. Beitragstitel wie 'Farbe in der Buchmalerei' und 'Die Farben des Goldes' - Glanzvergoldung in der Buchmalerei des Mittelalters, aber auch 'Zwischen Material und Medium' - Überlegungen zur Farbästhetik in der Buchmalerei das 11. Jahrhunderts, erweckten erste Begehrlichkeiten, versuchen wir uns doch selbst - in dilettantischer Weise - auf diesem Feld zu betätigen.
Doch nicht nur der handwerkliche Aspekt der mittelalterlichen Buchgestaltung findet Berücksichtigung. Nein, es geht mit weiteren Beiträgen direkt an die Deutung der Inhalte selbst: Dass da effektheischende Überschriften á la 'Das Blaue vom Himmel gelogen oder bunt wie das Leben selbst' (wie lieben wir alleine schon die Melodik dieses Titels!) - Kleiderbeschreibungen im Parzival und archäologische Funde im Vergleich, 'ein ritter allenthalben rôt' oder gar 'Die farbige Traumwelt am Beispiel der romanischen Lyrik' endgültig letzten Widerstand brachen, versteht wohl ein jeder, der um unsere Beschäftigung mit solch alter Literatur weiß.
Also liegen sie nun hier vor uns am Pult, die beiden Bände - auch wenn es gar nicht einfach und auch nicht billig - 128 Euros sind zu zöllen! - zu bewerkstelligen war; wir blättern darin, wir schmecken die frische Druckerschwärze und wir erfreuen uns der Abbildungen. Der einzelnen Beiträge, die so tief an Inhalten schürfen, wie wir dies bei schon bekannten Texten nie vermuteten. Wer an Deutungen, an Auslegungen, aber auch an realistischer Gestaltung interessiert ist, dem ist unbedingt zu empfehlen, seine Bibliothek mit den besprochenen Bänden aufzustocken.
Zumal die Vielfalt der abgedruckten Beiträge noch ganz andere Aspekte zu verdeutichen vermag! Zusammenhänge zwischen Religion und Farbe herstellt, sich der Farbgestaltung mittelalterlicher Architektur annimmt, der Zuordnung mittelalterlicher Farbbenennungen mit konkreten Farbtönen, dem Vorkommen von Farben in Sachtexten und der Bedeutung der Farben im theologischen und politischen Weltbild, und, und, und ...
In ihrer Vielfalt ermöglichen die abgedruckten Beiträge jedesmal wieder zu überraschen, wenn man einen der Bände zur Hand nimmt. Also nicht lang gezögert, wem die Thematik anspricht ... Wie ...? Ihr wollt wissen, welches denn nun die erste Abhandlung war, in die vor allen anderen unsere Neugier uns hineinzog? Gut, wir verraten es - aber ihr - psst! - müsst versprechen, es nicht weiterzutragen. 'Die Farben der Minne' waren es, die uns gleich zu Beginn in den Bann zogen, und uns so mit einer uns bislang unbekannten Mär des Dietrichs von Glezze bekanntmachten. Diesem Umstand ist bereits ein erster Artikel in unserer Mittelhochdeutschsektion geschuldet. So macht euch demnächst auch auf einiges an anderen Überraschungen gefasst ...
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