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Geschichte der Buchkultur - Frühmittelalter
Der hier kurz beschriebene Doppelband Frühmittelalter ist die Nummer 3 einer 9 Bände umfassenden Reihe über die Buchkultur, welche im Verlag der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt bereits erschienen ist beziehungsweise dort immer noch am Erscheinen ist (- wie sehnsüchtig erwarten wir schon die Gotik!). Besonders treue Leser mögen sich noch an das Jahr 2008 erinnern (oh ja, soviel Erfahrung haben wir mittlerweile gesammelt, soviele Jahre angehäuft!), in welchem wir nämlich die Vorstellung des Nachfolgebandes Romanik mit fast identem Wortlaut einläuteten.
Das an besagter Stelle über die ambionierte Konzeption der Gesamtreihe Gesagte hat nach mehr als fünf Jahren immer noch Gültigkeit. Also können wir uns hier auf einige Hinweise über diesen aktuell in unsere Bibliothek adoptierten Doppelband, der sich die Buchkultur des besagten Frühmittelalter zum Thema setzt, beschränken. Es geht also um jene Epoche, in der nach dem Zerfall der römischen Macht im Westen zahllose Umwälzungen vonstatten gehen mussten, bis aus den Wirrungen der Völkerwanderungszeit mit dem fränkischen Großreich und der sogenannten 'karolingischen Renaissance' Karls des Großen auch kulturell der Aufbruch in eine neue Epoche gelang, in der die europäischen Nationalitäten, so wie sie heute kennen, Gestalt anzunehmen begannen.
Doch obwohl Karl die Order gab, die Heldenlieder seiner Völkerschaften zu sammeln (eine Sammlung, die uns, soferne es sie je gegeben haben sollte, leider verlorengegenagen ist und mit ihr unschätzbare Kulturschätze), er die einheimischen Dialekte fördern wollte und Schulen gründen ließ, sollte es noch gute Jahrhunderte dauern, bis Bücher hergestellt wurden, deren Aventüren sich in den Volkssprachen zutrugen. Bis dahin blieb das Latein unangefochten die Sprache des geschriebenen Wortes.
Doch nun zu den Teilbänden selbst: Deren erster, ca. 320 Seiten stark, befasst sich vorerst mit den geschichtlichen und sozialen Zusammenhängen der behandelten Epoche - folgerichtig, bestimmten doch die daraus resultierenden Umstände ganz wesentlich, wie die literarische Tradition (wenn auch in stark abgeschwächter und gewandelter Form) in die neuen Zeiten gerettet werden konnten. So erfahren wir unter Anderem manches darüber, wie die neue dominierende Religion, das Christentum, die Buchkultur geprägt hat. Wir hören von den Klöstern, die zu Horten der Schreibkultur wurden. Von den Glaubensvorstellungen der damaligen Menschen, von ihrer Kultur.
Aber auch von den handwerklichen Aspekten ist zu lesen: von der Buchproduktion, den dazu verwendeten Beschreibstoffen und den Buchformen. Wie hat sich die lateinische Schrift entwickelt? Wie sahen die Schreibschulen und Bibliotheken jener Zeit aus? All diese Aspekte - und mehr - finden sich in diesem ersten Band behandelt.
Vieles jener Epoche steht noch in engerem oder entfernterem Verhältnis zur Antike, jener Zeit, in welcher die Autoritäten lebten, lehrten und schrieben. Der zweite Teilband setzt mit der Untersuchung der Frage ein, wie diese Autoren rezeptiert wurden. Welche Schriften waren bekannt, wo haben sie sich erhalten? Ein weiteres, kurzes Kapitel widmet sich den Laien, die damals an der Buchproduktion noch keinen Anteil hatten, und den sich entwickelnden Volkssprachen.
Den überwiegenden Hauptteil der zweiten, ebenfalls etwa 320 Seiten, macht der Abschnitt über die Buchmalerei aus, der noch durch knapp fünfzig Farbtafeln prachtvoll illustriert wird - gut so, wie wir meinen, war doch das mittelalterliche Buch stets durch besondere Farbenpracht seiner Illustrationen, seiner ausufernden Ornamentik, in der die Phantasie keine Grenzen zu kennen schien, gekennzeichnet. Die etwa neunzig zusätzlichen Fotos in Schwarz und Weiß vermögen dagegen die unterschiedlichen Schriftarten, die Minuskel, Majuskel und Unzialen, die sich damals entwickelten, gut zu verdeutlichen.
Den Abschluss bildet ein Abschnitt über die bestaunenswerten Einbände, die damals für die Bücher der kirchlichen Liturgie geschaffen wurden, für Evangeliar, Sakramentar, Epistolar, Graduale, Brevier und wie sie alle heißen. Entsprechend der Wertschätzung, die diese Bücher genossen, finden sich auf ihren Einbänden nicht selten Materialien wie Elfenbein und Gold zwischen funkelndem Edelstein. Wir hören von der Weiterverwendung antiker Erzeugnisse im Dienste der kirchlichen Bücherproduzenten, aber auch von Neuschöpfungen. Von Metallen am Buchdeckel und vom Leder der Gebrauchsbände ...
Abschließend lässt sich zusammenfassen: Verglichen mit den Werten, die jene alten Werken darstellen, könnte man die 90 Euros, die man für die besprochenen Bände berappen muss, nachgerade als Schnäppchen der Sonderklasse bezeichen. Also: absolute Kaufempfehlung für jeden Bücherliebhaber!
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