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Das ritterliche Turnier im Mittelalter
Mit dem Erscheinungsjahr 1985 hat der von Josef Fleckenstein im Verlag Vandenhoeck u. Ruprecht heraus- gegebene Sammelband Das ritterliche Turnier im Mittelalter mittlerweile zwar schon ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel, dennoch gilt er immer noch als ausgezeichnete Quelle für diese Thematik. Dabei ist das Buch inhaltlich so gestaltet, dass man wohl den akademisch gebildeten Mediävisten als eigentlichen Adressaten vermuten kann (- was aber selbstverständlich die Dilettanten von Sælde und êre niemals vom Erwerb abschrecken könnte ...)
Dies insbesondere deshalb, weil es sich um einen Sammelband handelt, der Beiträge verschiedener Experten veröffentlicht, die das Thema, das mittelalterliche Turnier nämlich, von ihren Spezialgebieten kommend um- kreisen und beleuchten, wobei die Summe dieser sehr unterschiedlichen Beiträge einen äußerst informativen Gesamtüberblick zu liefern versteht.
Dabei wird bewusst auf eine leicht zu lesende, zusammenfassende Gesamtschau verzichtet, die vorgibt, alle offenen Fragen zur Thematik beantworten zu können. Stattdessen wird der Stand der (damaligen, 1985) For- schung samt allfällig vorhandener kontroversieller Haltungen dargestellt. Zahlreiche Literaturangaben verfest- igen dieses Bild eines wissenschaftlich fundierten Werkes noch.
Gewarnt sei der Leser allerdings davor, dass er neben Beiträgen in deutscher Sprache auch solche in engli- scher (- geht ja gerade noch -) und in gallischer, meinte französischer Zunge (- geht leider nicht mehr -) vor- findet - eine durchaus gängige Praxis bei der Herausgabe von wissenschaftlichen Sammelbänden. Wer darü- ber jammern möchte, sollte doch zuvor bedenken, dass es glücklicherweise kaum chinesische Mediävisten gibt, die über das europäische ritterliche Turnier publizieren - so bleibt einem wenigstens Kantonesisch erspart ...
Öffnen wir den Band so finden sich an erster Stelle zwei Beiträge, die das adelige und ritterliche Umfeld des Turniers beleuchten. So erfahren wir etwa, dass im deutschen Sprachraum die sogenannte Ganerbenburg durchaus gebräuchlich war, das heißt die gemeinschaftliche Nutzung einer Burg durch mehrere Familien - mit allen Problemen, wie sie auch heute bei engem Zusammenleben etwa im idyllischen Gemeindebau üblich sind. Auch der Heraldik wird breiter Raum gelassen.
Anschließend folgen in einem ersten Schwerpunkt elf Beiträge, die sich mit verschiedenen Aspekten des Tur- niers im hohen Mittelalter befassen - etwa mit der Betrachtung in verschiedenen Regionen Europas (Frank- reich, England, Deutschland, Italien, Böhmen, Ungarn), aber auch mit den Auswirkungen des kirchlichen Turnierverbotes oder der Schilderung des edlen Sports in der zeitgenössischen deutschprachigen Literatur.
Den zweiten Schwerpunkt bilden dann die sieben Beiträge, die sich mit den geänderten Gegebenheiten des Turniers im späten Mittelalter beschäftigen. Dabei bietet sich der stete Vergleich der Verhältnisse an, etwa wie sich der steigende Einfluss der Städte bemerkbar macht oder wie die sozialen Gegebenheiten und Mög- lichkeiten des Adels die Turniergepflogenheiten änderten. Als besonders interessant empfanden wir dabei etwa die Auflistung der Kosten für eine adäquate Turnierrüstung - samt der Erkenntnis, dass für die allfällige Anschaffung einer solchen wohl noch einige Überstunden nötig wären ...
Ein abschließender Anhang, der sich mit frühen Burgen in einem lokal begrenzten Gebiet befasst, sowie ein Überblick über archeologische Funde in Burgruinen sowie deren Auwertbarkeit für unsere Kenntnisse von ritterlichem Fest und Alltag runden den sehr gelungenen Band ab. Die Literatur desselben wird somit strengs- tens angeraten!
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