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Zweifelsohne ein Klassiker: Jakob Grimms Deutsche Mythologie
Was der Specht mit dem Drachen zu schaffen hat und mehr noch ...
Wenn wir heute ausnahmsweise nur eine Hälfte eines üblicherweise als zusammengehörig Empfundenen zum Inhalt eines unserer Beiträge machen, dann sollte dieser Umstand vom geneigten Leser nicht als unangebrachte Vernachlässigung oder Verlust empfunden werden. Schließlich behandeln wir mit der 'Deutschen Mythologie' des Jacob Grimm ein Werk eines der vielleicht größten, sicherlich aber eines der ersten bedeutenden Gelehrten neuerer deutscher Zeitrechnung.
Für gewöhnlich verbindet sich uns der Namme Grimm mit dem Begriff der Zweiheit: Als Brüder oder auch Gebrüder Grimm kennen wir sie aus unserer fernen Jugendzeit, einer Zeit, in der den Kleinen von den Großen noch aus Büchern vorgelesen zu werden pflegte, kennen sie von damals als die lobenswerten Sammler jener alten Märchen, welche uns die dämmrigen Abende und finsteren Nächte richtig schaurig werden ließen und uns nebstbei viel für unser späteres Leben Nützliches beibrachten. Alle wussten wir damals Bescheid, wie wenig alten Weibern zu trauen ist, die köstliche Äpfelchen feilbieten, zumal dann, wenn auch noch eine mächtige Warze ihre Hakennase ziert ...
Heutzutage? Heutzutage wird ja - den neuen Technologien sei Dank! - kaum noch gelesen. Zumindest keine Sätze, die mehr als fünf oder sechs Wörter enthalten. Heutzutage übernimmt es Hollywood, unseren Nachwuchs Geschichtsunterricht zu geben. Aber, psst, liebe Kinder, ganz im Vertrauen, die Brüder Grimm, das waren nicht Tschekop und Will, sie waren auch keine Scharlatane und Geisteraustreiber. Sie waren ernsthafte Gelehrte und hatten als solche stets noch viele andere Interessen, denn das Sammeln zumeist mündlich überlieferter Märchen und Sagen, die sie hinsichtlich der zarten Jugend des gewöhnlichen Märchenpublikums dankenswerter Weise auch glätteten und von ihren gar nicht so seltenen erotischen Anspielungen befreiten.
Stets im gemeinsamen (zeitweise auch reinen Männer-)Haushalt lebend, überschnitten sich diese Interessen, waren aber nicht in allen Fällen gleichlautend. Und so liegt mit der hier präsentierten Deutschen Mythologie ein Werk vor, dessen Herausgabe 1835 der Ältere der Brüder, Jacob, alleine bewerkstelligte.
Warum aber empfehlen wir die Lektüre dieses monumentalen Werks (immerhin 1400 Seiten sind es, welche die vorgestellte Ausgabe füllen)? Wohlrecherchierte und vor Fachwissen nur so strotzende Seiten, wohlgemerkt, und dies ist keinesfalls abfällig gemeint. Gewiss könnte jetzt der eine oder andere Leser vermerken, die Schreibweise des seligen Jacobs wirke vielleicht ob der Ausdrucksweise etwas antiquiert an.
Solchen entgegnen wir, sie mögen doch mehr auf die unzähligen Hinweise und Erläuterungen achten, sich an der Aufdeckung möglicher Zusammenhänge, auch mit dem Märchen, ergötzen (die etwa Dornröschen in die Nähe der verwunschenen Schildjungfrau bzw. Walküre Brynhild oder Brunhilde rücken, während Swanwitchen unschwer den Zusammenhang zwischen der bekannten Märchengestalt und den Schwanenfrauen der mittellaterlichen Erzählungen herstellt; die drei Spinnerinnen aber - wer dächte da nicht an die Nornen, die nordischen Schicksalsfrauen ...), vor allem auch auf die vielen althochdeutschen und mittelhochdeutschen Formen unserer Wörter, auf die Genealogie und Herkunft der vielen Götter, der Wichte und Gnome, all der weißen Frauen und Saligen, der Holden und Unholden ...
Zudem (von wegen antiquiert) - in einem zeigt sich Jacob als sehr fortschrittlich - nämlich in der Rechtschreibung, die, und dass ist thatsache, der heute üblichen großschreibung insofern entbehrt, als sie, dem damaligem gebrauche üblich, nur für eigen- und ortsnamen verwendung findet - insofern also der geläufigen schreibweise manch theiles unserer hoffnungsvollen heutigen schuljugend entsprechend ...
Und wie kommt nun der überschriftlich erwähnte Specht zum Drachen? Eine eher unerfreuliche Begegnung, möchten wir vorwegschicken; wofür allerdings dem Schuppentier als Bestohlenem ursprünglich recht wenig anzulasten ist, wie wir meinen. Ihr ahnt schon, um welches altenglisch-angelsächsiche Heldengedicht es sich hierbei handelt? Richtig, um den Beowulf ...
Beowulf, oder, wie ihn Grimm schreibt, Beovulf, meint - so jener - Bienenwolf (althochdeutsch vielleicht Piawolf, weil der nämlich den Bienen nachzustellen pflegt), was wiederum eine Bezeichnung des Spechts wäre, einem Vogel, von dem alte Geschichten viel zu erzählen wussten. Die zahlreichen Anknüpfungspunkte des Poems an andere Sagenkreise und auch Geschlechtergenealogien herauszuarbeiten, ist dabei einem Grimm nur selbstverständlich ... aber das ist wiederum eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden mag. Oder, besser, die ihr selbst nachlesen solltet ...
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