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Noch sind es die Filialen, die schließen - doch wie geht es weiter?
In unserer Rubrik Buchneuigkeiten wollen wir euch heute ...
... aus traurigem Anlass, wie wir finden, über einen Trend berichten, den wir von Sælde und êre, als begeisterte Buchhandlungsreisende und Endlosschmökerer so gar nicht recht wahrhaben möchten. Denn nun, es lässt sich nicht länger verdrängen, scheint auch das glückliche Österreich und seine selige Walzerhauptstadt Wien das erreicht zu haben, was in anderen Ländern längst geschehen oder bereits längere Zeit im Gange ist - der brutale Verdrängungswettbewerb im Buchhandel nämlich, weg von den vielen kleineren und größeren Läden in den engen Gassen der inneren Stadt, hin zur Vormachtstellung eines Internetmonopolisten.
Nicht dass wir dergleichen bei uns in den einheimischen Landen anders erwartet hätten, oh nein, solche Phantasten sind selbst wir nicht. Doch sagt man uns Alpenrepublikanern häufig nach, internationalen Entwicklungen stets mehreren Dekanden hinterher zu hinken - oft vorwurfsvoll gemeint, kann sich derartiges manchmal auch als Segen erweisen. Doch ach, umsonst gehofft! Ein Bummel dieser Tage, eröffnete uns endgültig die grausige Aussicht auf die bibliophile Zukunft.
Wohin strebt der Büchernarr bei lauschigen 34 Graden, wenn ihn mittägliche Schwüle aus der heimischen Wohnung treibt? Ins überfüllte Freibad? In den Schatten jahrhundertalter Eichen? Mitnichten! In die Wollzeile zieht es ihn, welche bekanntermaßen Wiens erste Bücherstraße darstellt, mit geschätzten sieben eng aneinandergereihten Buchläden, die zahlreichen anderen Buchhändler in der näheren Umgebung noch gar nicht eingerechnet. Zudem gibt es - immerhin befinden wir uns in Wien! - natürlich noch die obligaten Cafes, offenes Eis an jeder Ecke ... und für den Notfall, wenn es wirklich einmal zu heiß wird, unter der Hausnummer 9 zu finden noch das Hasbach'sche Antiquariat.
Das findet sich nämlich im Keller, über eine enge, wendeltreppenähnliche Stiege vom darüberliegenden Geschäftslokal, das hier immerhin seit neunzig Jahren beheimatet ist, unter nicht unbeträchtlichem Gefahrenpotential aus erreichbar, das zugehörige Antiquariat - oder zumindest ein Teil desselben, logiert doch ein weiterer kaum 100 Schritte südwärts im zweiten, ebenfalls in der Wollzeile liegenden Hasbach'schen Standort. Nebst seltenen bis sehr seltenen Buchausgaben, deren Alter man nicht nur ersehen, sondern im einen oder anderen Fall auch schon mal erriechen kann, lockt den hitzegequälten Besucher zudem noch eine, dem alten Gewölbe geschuldete Abkühlung um gute zehn Grad.
Besser gesagt, lockte ... Ein unscheinbarer Zettel, dessen Zwilling wir in der sonnenglühenden Auslage noch übersehen hatten, kündete uns vor dem Treppenabgang von der baldig bevorstehenden Schließung der Filiale. Ein eilig angezetteltes Gespräch mit der die Kasse betreuenden Dame, die, weil seit unserem ersten Besuch hier vor vielen Jahren stets von uns angetroffen, unserem Empfinden nach ebenso zum Inventar des Ladens zählt wie das tiefer liegende Antiquariat, enthüllte uns die ohnehin sofort vermuteten Ursachen.
Nebst steigenden, und kaum noch zu bezahlenden Mieten, wären es vor allem die stark zurückgehenden Bücherkäufe - und solches in einer Lage, in der die tägliche Passantenzahl wohl in die mehrere Zehntausende geht!! -, welche die Geschäftsleitung dazu zwängen. Ganz Ähnliches hatten wir vor nicht allzulanger Zeit andernorts vernommen: Als nämlich die von uns bis dahin ebenfalls häufig frequentierte Filiale der Buchhandlung Hintermaier auf der - bekannterweise auch recht belebten - Mariahilferstraße geschlossen werden musste.
Da zudem größere Buchhandlungsketten mehr und mehr dazu übergehen, zunehmend größere Teile ihrer Geschäftslokale anderen Zwecken zu öffnen (da finden sich Filme und die neuesten Serien auf DVD, Computer und sonstige EDV, Reiseangebote, SmartPhones ... es fehlt dort ja gerade noch der Bereich, in dem man sich mit den nötigen Utensilien eindecken kann, um solche Klassiker wie 'Leg den Werwolf an die Leine', 'Fifty Shades of Grey', oder ähnliche zuhause nachstellen zu können!), ist es wohl selbst dem größten Optimisten nicht mehr möglich, diese Vorkommnisse als singuläre Einzelfälle abzutun.
Vielmehr dürfte uns die Entwicklung, die andernorts schon weit fortgeschritten, wenn nicht gar bereits abgeschlossen ist, endlich erreicht haben: Dank Wischergeräten (die, von manchen als 'externes Gehirn' bezeichnet, bereits unabdingbar sind, sagen sie uns doch, wer unsere Freunde sind, wie wir unseren Tag gestalten sollen und wo das nächste WC zu finden ist und manch anderes Lebensnotwendige mehr) braucht es keine Bücher mehr. Und wenn doch noch Interesse besteht, dann bestellt man viel bequemer und oft günstiger im Onlinehandel. Ist ja wirklich komfortabel - man kriegt beim Durchklicken gleich noch dazugesagt, was einen sonst noch interessieren könnte und zukünftig werden uns die konzerneigenen Drohnen sogar den Weg zur Post ersparen, wenn sich der Briefträger wieder einmal den Weg zu uns, in den sechsten Stock erspart hat.
Doch ist diese Zukunft wirklich so wünschenswert? Sollen wir uns wirklich so vollständig von einem einzigen, überregional agierenden Konzern abhängig machen? Denn in den USA, wo besagter (nun längst nicht mehr nur) Online-Buchhändler seinen Ausgangspunkt und Sitz hat, sollen klassische Buchhandlungen längst zur Rarität, wenn nicht manchenortes gar zur gänzlich ausgestorbenen Spezies geworden sein. Zurück bleibt ein Monopolist.
Monopolisten aber, so lernten wir zumindest in der Schule, sind selten gut für die Vielfalt von Angebot und Meinungen. Erst - als 'Noch nicht Monopolisten', wurde uns erzählt, nutzen sie ihre überwältigende Marktstellung und ihre finanziellen Möglichkeiten, um mit Dumpingpreisen die weniger liquide Konkurrenz zum Aufgeben zu zwingen. Buchpreisbindung, was ist das? Man verkauft gern schon einmal mit Verlusten - solange es noch Konkurrenz gibt. Danach, ja dann, dürfen die Preise schon wieder anziehen.
Und wie ist das mit dem breiten Angebot? Gibt es da nicht Meldungen, beispielsweise über Autoren, die ihre Werke als E-Books oder, falls doch noch als reales Buch verlegt, im konzerneigenen Hausverlag herausgeben lassen sollten? Und die, nachdem sie solches ablehnten, in Folge ihre bei einem anderen Verlag herausgebrachten Titel bei besagtem Online-Händler eben nicht mehr auf der Liste der lieferbaren Bücher auffinden konnten? Nun, vielleicht ist das aber auch alles nur Verschwörungstheorie; schließlich muss ein ordentlicher Konzern stets darauf schauen, ordentlich Gewinn für seine Aktionäre abzuwerfen. Klar, dass man da, bei der Menge an erscheinenden Titeln, schwerpunktmäßig die Werke solcher Autoren anbietet, deren Namen hohe Verkaufszahlen erwarten lassen ...
Frei nach dem Motto: 'Die Bestseller übernehmen wir, Nischenprodukte können dann ja die anderen anbieten ...' Ähh, welche Kleinen? Die gibt es dann ja nicht mehr - schließlich lebten die ja auch nicht ganz unwesentlich von den Verkaufszahlen der Bestseller. Verkaufszahlen, die sie unter anderem benötigten, um die Mieten ihrer Geschäftslokale zu bezahlen, um ihre Mitarbeiter einigermaßen ordentlich für ihre Arbeit zu entlohnen, um für jedes verkaufte Buch Steuern an Vater Staat abzuliefern ...
Ja gut, wird man uns jetzt entgegnen: Der überregionale Online-Anbieter ist ja auch bekannt dafür, seine Mitarbeiter adäquat zu bezahlen, von seinen orbitanten Gewinnen einen rechten Patzen an die jeweilige inländische Fiskalität abzuliefern; zumindest glauben wir uns zu erinnern, jüngst immer wieder derartige Berichte in den Medien vernommen zu haben ... solche, ... oder so ähnliche ... zumindest ging es dabei um Arbeitsrecht und Steuern ...
Ob uns allerdings die vor unserem Fenster aufgeregt auf- und abschwirrende Drohne eine ähnlichen Genuss bereiten wird wie ein Spaziergang entlang der prall mit verschiedensten Titeln beladenen Auslageständen realer Buchgeschäfte, die immer wieder zum Verweilen und Blättern einladen, wagen wir zu bezweifeln. Natürlich, auch wir haben bereits online Bücher bestellt - aber stets nur solche, die wir auf andere Weise nicht mehr erhalten konnten (und ja, diesen Vorteil bietet der Online-Händler; immerhin muss er sich in unseren Breiten ja gegen die noch bestehende Konkurrenz auch mühen - und Konkurrenz belebt das Geschäft, sagt man nicht umsonst!); zu lieb sind uns die Plaudereien mit den vertrauten Buchhändlern, die oft genug mit ihrer Kompetenz bei Suchen und Recherchen hilfreich waren, da gibt es auch schon mal einen Kaffee in der gemütlichen Leseecke, den einen oder anderen Vortrag, das hübsche Fräulein, das man ob ihrer Lesevorlieben ansprechen kann - und eben das unnachahmliche Rascheln beim Blättern im gegenständlichen Buch selbst ...
Wir werden den Lauf der Dinge nicht aufhalten können, fürchten wir. Aber vielleicht können wir alle, in Summe, dafür sorgen, dass eine vernünftige Vielfalt erhalten bleibt, dass die Straßen unserer Städte nicht gänzlich an Geschäften verarmen, indem wir manches, aber eben nicht alles über den Händler im Internet besorgen. Noch sind es ja erst die Filialen, die schließen ... noch! Doch uns graut jetzt schon vor dem Gedanken, zukünftig an der Stelle des Hasbach'schen Schriftzuges vielleicht den eines Handyshops entziffern zu müssen ...
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