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Theophilus Presbyters 'DE DIVERSIS ARTIBUS'

Eine Fundgrube für den handwerklich Interessierten ...

...
Darum - liebster Sohn - ...
erfasse diese 'Schedula der verschiedenen Künste' mit begierigen Blicken,
durchlies sie mit fest einprägendem Gedächtnis, umfange sie mit brennender Liebe!
...
(Aus dem Prolog zum 1. Buch 'DE DIVERSIS ARTIBUS')

Wie kann das doch seltsam sein, mit dem Suchen. Sicherlich ist's auch dir, werter Leser, schon ähnlich widerfahren. Da spürt man einer Sache oder einem Gegenstand hinterher, vermeint das Vermisste dringend zu gebrauchen, kramt in den hintersten Ecken und dunkelsten Winkeln - und just ist nicht und nicht aufzuspüren, was unsere Sinne so heftig beschäftigt. Schwer aber doch, gewöhnen wir uns des Gedankens, lassen endlich ab und und beschäftigen uns mit Anderem - nur um dann über jenes Verschollene zu stolpern, es lachend oder schmollend in die Hände zu nehmen, zu betrachten, und sich zu wundern über die Umstände ...

So ähnlich ist es uns kürzlich ergangen. Doch war's kein Erinnerungsstück aus Kindheitstagen, auch kein verlegter Ehering, der uns abhanden gekommen, nein, es war eine Thematik, beschrieben in alten Handschriften, die wir noch nie besessen, die uns über lange Jahre zum nachhaltigen Suchen anregte - kurz gesagt, wir suchten nach einem Buch mit speziellen Inhalten. Wo die liebevoll detaillierten Abbildungen, wo die anschaulichen Beschreibungen?

Ein Einband, der neugierig macht - jedenfalls solange, bis man das Preisschild entdeckt - ach, was soll's ...!

Was sind das für ... für spezielle ... Inhalte, fragst du, ein verwegen-neugieriges Lächeln auf den Lippen? Welche liebevollen Abbildungen? Nein, Verdorbener, nicht was du wieder denkst! Es ging uns stets nur um die mittelalterlichen Handwerkstechniken - von denen wollten wir aus berufenem Munde mehr erfahren: über Arbeitstechniken, über Materialien, über Farbmischungen; möglichst von einem, der sich selbst damit beschäftigt hat.

Es gibt sie, diese Beschreibungen, die von einem kundigen Handwerker seiner Zeit erfasst, uns vieles über damalige Techniken zu verraten vermögen. Es sind dies die drei Bände einer Schrift 'DE DIVERSIS ARTIBUS', die uns also 'Über die verschiedenen Künste' unterrichten - wobei wir uns darunter nicht die Künste in unserem modernen Sinn, sondern vielmehr die Kunstfertigkeiten und Handwerkstechniken des erfahrenen Meisters seines Faches vorstellen sollten.

Prächtige Abbildungen ergänzen den hochinteressanten Text.

Erstellt hat diese Schriften im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts ein Mönch, der sich selbst als Theophilus Presbyter bezeichnet. Selbst der Goldschmiedekunst mächtig, versteht es dieser Kleriker, seine Erfahrungen auf diesem Gebiet ebenso trefflich darzustellen, wie die Arbeitstechniken anderer 'Fachgebiete' - wie etwa jene der (Buch-)Malerei oder jene der Herstellung von prachtvollen Gläsern.

Wir wussten um diese Schriften - konnten jedoch trotz aller Versuche keiner Bücher beikommen, die uns ausführlich darüber Auskunft gegeben hätten. Und da wir uns selbst - der treue Leser erinnert sich vielleicht - mehrfach mit der Malerei auf Holz nach mittelalterlichen Motiven befasst haben, schmerzte uns das Herz um dieses vergebliche Mühen sehr, wünschten wir uns doch innig, Genaueres über originale Maltechniken, Pigmenterstellung und Farbgebung zu erfahren.

Was nicht zu bekommen ist, ist nicht zu bekommen - dieses weise Wort gab uns schließlich Trost ... solange, bis wir kürzlich, völlig zufällig und unbedarft bei einem Besuch einer Buchhandlung auf das vorgestellte Buch stießen! Längst vergriffen war sie, die erste Ausgabe - aber nun stand sie vor uns, die prächtig gestaltete Neuauflage: Aufgeschlagen, und nicht mehr aus der Hand gegeben! Lateinischer Originaltext samt Übertragung - aber nicht irgendwelcher Übersetzung, sondern erstellt von einem der selbst Goldschmied ist und ein Meister seiner Zunft - Erhard Brehpohl nämlich, Verfasser 'des' modernen Standerswerkes der Goldschmiedekunst - und der damit bestens um die Begriffe weiß und ihre Bedeutungen.

Dass dieser Fachmann uns Leser nicht mit dem faszinierenden Text des Theophilus alleine lässt, sondern auf den über 500 Seiten des Buches noch fachkundige Kommentare zur Erläuterung beistellt und Abbildungen zu den Arbeitstechniken, dass das Buch zudem mit einer Reihe prächtiger Fotos ausgestattet ist, erhöht den Genuss beim Lesen und Staunen nochmals.

Aber das, was in unseren Augen das Buch so einzigartig macht, ist der originale, 900 Jahre alte Text, der uns zurückführt in die Werkstätten und Schreibstuben mittelalterlicher Klöster. Was finden wir da nicht für aufmerksamkeitsheischende Kapitelüberschriften: 'Von den Farbmischungen für nackte Körperpartien' etwa (dies für jene angeführt, denen unsere Ausführungen zu langweilig zu werden drohen), 'Vom Leim aus Leder und Hirschhorn', 'Von den mit Öl und Gummi angeriebenen Farben', 'Auf welche Weise Farben für Buchmalerei gemischt werden', aber auch 'Von der Gestaltung der Fenster', 'Von den verschiedenen undurchsichtigen Gläsern' und 'Vom Bau der Werkstatt', 'Vom Arbeitsplatz', 'Vom Polieren der Vergoldung', 'Vom Anbringen der Edelsteine und Perlen' und noch vieles mehr.

Um den Preis des Buches fragt ihr? Fragt nicht - das Buch ist ihn jedenfalls wert. So wert, dass wir zukünftig wohl mehr als einmal auf Techniken und Beschreibungen daraus berufen werden, vielleicht sogar - wenn es uns die Zeit, ach, die stets zu knappe Zeit!, erlaubt - das eine oder andere daraus versuchen mögen und es euch anschließend beschreiben und zeigen - aber nur wenn es gelungen ...

Ach ja, der Preis, um den habt ihr uns gefragt - 100 sind's - aber nicht Denare, sondern nur Euros ... also dür das Gebotene keinesfalls zuviel ...

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