Zurück zur Bibliotheksseite, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite
Tiere - Begleiter des Menschen
Wie mittelalterliche Literatur all die Tiere sah, ...
... das verraten uns die etwa 320 Seiten des brandneu im Böhlau-Verlag erschienen Bandes 'Tiere - Begleiter des Menschen in der Literatur des Mittelalters' der Herausgeberinnen Judith Klinger und Andreas Kraß, und zugleich damit viel über die Denkweise, aber auch über manch Lebensumstände unserer Vorfahren. Häufiger Begleiter in verschiedensten Situationen, ob nun im heimischen Haus oder im bedrohlichen Wald, konnten dabei vielerlei Tiere sein, von denen im vorgestellten Buch zu lesen ist.
Denn Tiere konnten immer schon beides darstellen: Gefährten und Helfer des Menschen, aber auch Konkurrenten oder gefürchtete Feinde. Ja, nicht selten stellen sie uns in der mittelaterlichen (Klein-)Literatur in recht vermenschlichter Form (auch in manch einer der im Buch zitierten Parabeln und Episoden) einen Spiegel für unser eigenes, oft recht selbstgefälliges Verhalten vor Augen - schließlich fällt es uns leichter, über die Dummheit und Trägheit des Esels zu lachen denn über unsere eigene ... (Anwesende und Leser seien explizit von dieser Verhaltensweise ausgenommen!)
Dreizehn Autoren sind es, die uns in ebenso vielen Kapiteln über Tiere aus unterschiedlichen Lebenswelten berichten, vom adeligen Umfeld, wo dem Ritter sein Pferd zum Gefährten wird oder darüber hinaus Ross und Reiter sich als vom Schicksal für einander bestimmte Hälften zum Hybridwesen ergänzen, wie dies etwa beim legendären Makedonier Alexander und seinem wundersamen, am selben Tag geborenen Hengst Bucephalus der Fall ist.
Von den Tieren des Hause lesen wir ebenso; selbstverständlich darf da der Hund nicht fehlen, der treueste Gefährte des Menschen - denken wir doch nur an die zahlreichen Geschichten, wo von wunderschönen Damen die Rede ist, die anstatt des Helden Haar das Fell des Schoßhündchen kraulen und kosen, an kläffende Meuten, die den Hirsch hetzen, an die weißen Feenhunde mit ihren roten Ohren und Augen, Boten der jenseitigen Anderwelt. Ohne Zweifel, der Hund besitzt schon damals eine bevorzugte Stelle an der Seite seiner menschlichen Herren.
Anders ist da schon die Stellung der Katze: eigensinnig, selbstverlieb, ambivalent in ihrem Verhalten, ist das Bild, das die mittelalterlichen Autoren von ihr geben in seiner Gesamtheit ebenso gespalten: Wird sie an einer Stelle dem Mönch in seiner Zelle bei seiner einsamen Tätigkeit zum Freund und geduldigen Gefährten und ist sie häufig der nützliche Helfer, der das lebensnotwendige Korn vor den Mäusen schützt, gilt sie an anderer Stelle als unreines Tier oder wird gar mit dem Bösen in Verbindung gebracht (wissen doch sogar wir noch, dass eine jede anständige Hexe einen tiefschwarzen Kater zu besitzen hat!)
Und die Episoden, in denen wir von der Brautfahrt des allzu eitlen Katers erfahren, dem die eigene Gefährtin eines Tages nicht mehr gut genug erscheint ob all seiner Vorzüge, sind ohnenhin stets mehr als nur einen Lacher wert, erkennt ein jeder von uns in seinem Verhalten schließlich (nicht sich selbst - Gott behüt's!) jemanden aus dem eigenen Bekanntenkreis wieder, der sich und seine Attraktivität in ähnlicher Weise überschätzt: Statt 'Schuster bleib bei deinen Leisten' möchte man hier sagen: 'Kater bleib bei deinem Kätzchen' ...
Recht prominent sind die Tiere des Waldes vertreten: Vom schlauen Renart, uns als Reinecke Fuchs bekannt, vom bedrohenden und unheilbringenden Wolf, der den Lämmern Gottes als Entsprechung des Teufels gegenübertritt und ebenso wie die gleichfalls in eigenen Kapiteln vertretenen Adler und Rabe auf dem Schlachtfeld als Leichenfresser tätig wird. Ebenso fehlen nicht der Eber und - natürlich - der König aller Tiereschar, der Löwe.
Von den Tieren der Lüfte - Adler und Rabe - war schon die Rede; an dieser Stelle darf der der Literatur so wichtige Falke (unter dessen Bezeichnung die mittelalterliche Literatur auch den Habicht, ja alle Vögel mit 'waffenartigen' Schnäbeln einschloss) natürlich nicht fehlen. Prestigeobjekt des Adels für die Beizjagd, war er zugleich ein Symbol für Freiheit und folglichermaßen auch verlorenen Liebe ...
Und wer von euch sich noch über all die Wofgangs und Wolframs, Arnulfs, Berulfs und Bernhards und Leonhards wundert, denen er vielleicht sogar noch im heutigen Sprachgebrauch begegnet, dem wird das abschließende Kapitel recht Erhellendes über die Verwendung von Tierbezeichnungen in Namen und damit über deren Herkunft zu verraten wissen.
Absolut empfehlenswert ist sie also, die Lektüre des vorgestellten Buches, wie wir meinen. Besonders angetan haben es uns dabei die zahlreichen Zitate und Textausschnitte aus den mittelalterlichen Werken, die stets im Originaltext und in neuhochdeutscher Übersetzung angeführt sind, wodurch uns der Blick auf Ausschnitten aus der gesamteuropäischen Literatur ermöglicht wird ...
Zurück zur Bibliotheksseite, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite
© 2017, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten