Zurück zur Bibliotheksseite, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite
Bonifatius
(eigentlich Wynfreth)
ca. 675 - 754
Die Briefe des Bonifatius
Über den Autor:
Bonifatius, der 'Apostel der Germanen', wurde um 675 in Wessex als Sohn einer vornehmen, angelsächsischen Familie geboren und unter dem Namen Wynfreth (Winfried) getauft. Seine Erziehung erhielt er in den Benedik- tinerklöstern Exeter und Nhutscelle, in welchem er auch zum Priester geweiht wurde. Wie viele Mönche beschäf- tigte er sich vorerst in der Lehre. So war er auch der Verfasser einer lateinischen Grammatik.
In jenen Zeiten, die auf die Wirrnisse der Völkerwanderungsepoche folgten, verließen viele iroschottische und angelsächsische Mönche ihre Heimat, um den Kontinent neu zu christianisieren. Bonifatius folgte diesem Trend und versuchte sich 716 erstmalig im fernen Friesland als Missionar. Diesem Versuch war jedoch kein Erfolg be- schieden, da der Herzog der Friesen, Radbod, ein erklärter Gegener des Christentums, den christlichen Franken kurz zuvor Gebiete im Kriege abgewonnen hatte.
Nach seiner vorrübergehenden Rückkehr in die Heimat, reiste Wynfreth 718 nach Rom, um dem Papst seine Mis- sionspläne zu unterbreiten und sich dessen Unterstützung zu sichern. 719 erhielt er von Gregor II., der ihm auch den lateinischen Namen Bonifatius verlieh, den Auftrag, den 'ungläubigen Völkern das Geheimnis des Glaubens bekannt zu machen'. Mit dieser Aussendung als Heidenmissionar hatte Bonifatius auch offiziell den Auftrag be- kommen, im Frankenreich zu missionieren, das relativ schwach verankerte und vielfältig zerstreute Christentum zu strukturieren und Fehlentwicklungen zurückzudrängen.
Neuerlich begann er seine Missionstätigkeit in Friesland, diesmal in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls angel- sächsischen Mönch Willibrord, diesmal unter ungleich günstigeren Voraussetzungen als bei seinem ersten Ver- such, war doch der christenfeindliche Radbod inzwischen verstorben. Da auch das Interesse der Frankenherr- scher auf eine Christianisierung gerichtet war - der fränkische Hausmeier Karl Martell erhoffte sich im Christen- tum römisch-katholischer Ausprägung eine Bindklammer für die Völker seines Reiches -, konnte er mit der Unterstützung der Franken ebenso rechnen, wie mit jener des Papstes, der ihm 723 einen Schutzbrief für seine Tätigkeit ausstellte. Tatsächlich versuchte der streng romtreue Bonifatius, die jeweiligen Landeskirchen stets nach römischem Vorbild zu organisieren.
Nachdem er Friesland verlassen hatte, bereiste er Hessen, Thüringen und Bayern, wo er sich um die Ordnung der kirchlichen Verhältnisse mühte und - bereits als Missionserzbischof - mehrere Bistümer, darunter Salzburg und Passau, gründete.
Wie darf man sich die damalige Situation in den Rand- und Einflussgebieten des fränkischen Reiches vorstellen? Das Christentum war in der Bevölkerung noch keineswegs fest verwurzelt. Dies selbst in jenen Ländern nicht, die schon als christlich galten. Stets begann die Missionierung eines heidnischen Herrschaftsbereiches mit der Kon- vertierung der einheimischen Großen, die sich dadurch Vorteile, etwa die Erhaltung ihrer Machtposition oder ei- nen größeren Einfluss unter den neuen Herren, erhofften. Das Volk selbst hielt dagegen meist noch lange an den althergebrachten Vorstellungen und Gebräuchen fest, wie sich das an vielen Gräberfeldern aus derartigen Gebie- ten zeigt, in denen bis weit ins 9. Jahrhundert hinein christliche und heidnische Grablegungen nebeneinander er- folgten. Erst nach und nach, in zähem Ringen, konnte der neue Glaube den Menschen nähergebracht werden, wobei oftmals viel Geduld vonnöten war. Dass auch Zwang und Gewalt bei Missionierungen eine Rolle spielten, darf nicht verschwiegen werden.
Der Missionsreisende, der zumeist mit einem größerem Gefolge unterwegs war, mit Mönchen, Kriegern zur Be- deckung, Handwerkern, einer Expidition vergleichbar, versuchte, bei der Bevölkerung Aufmerksamkeit zu erre- gen: inszenierter Gesang, Gebete und Predigt sowie effektheischende Aktionen sollten die gewünschte Wirkung erzielen. So wird von Bonifatius berichtet, dass er die in der Nähe der fränkischen Büraburg stehende Donar- eiche, ein heidnisches Heiligtum des germanischen Gottes Donar, fällen ließ, um die Überlegenheit des christ- lichen Gottes zu demonstrieren. Da nun kein Blitzstrahl des Donnerers den wagemutigen Missionar traf, der je- doch sicherlich von der fränkischen Besatzung der naheliegenden Burg beschützt wurde, musste der Christengott den anwesenden Heiden als sehr mächtig erscheinen ...
Schon über 80 Jahre war er, der sich lange Jahre um die Kirchenorganisation bemüht hatte, als er zum dritten Mal zur Missionsreise aufbrach. Was seine Beweggründe dazu waren, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Viel- leicht wollte er auch als Märtyrier sterben. Vermutlich 754 machte er sich auf, um bereits getauften Friesen die Firmung zu spenden. Dabei wurden er und seine Begleiter überfallen und erschlagen. Ob von einfachen Wege- lagerern oder gedungenen Mördern muss unbeantwortet bleiben. Begraben wurde er im Kloster Fulda, das ge- meinhin als seine Gründung gilt.
Über die Briefe :
Von Bonifatius sind Predigten und Briefe erhalten. Letztere sind an vier Päpste, Bischöfe, aber auch Fürsten und Große gerichtet. Dabei scheute er sich nicht, Missstände anzuprangern und sogar Papst oder Könige zu kriti- sieren, wie etwa in seinem berühmten Mahnbrief an König Aethelbald. Stets suchte er sich der Zustimmung des Papstes für seine Tätigkeiten zu holen - vielleicht hin und wieder zu häufig, was dann zur gereizten päpstlichen Antwort Anlass gab ...
Der folgende Auszug stammt aus einem Schreiben an Papst Zacharias aus dem Jahre 742, in dem davon berichtet wird, dass der Majordomus des östlichen Reichsteiles, Karlmann, ihn, Bonifatius mit der Ausrichtung einer längst überfällige Synode beauftragt hat. Offensichtlich waren in jenen Jahrzehnten die Sitten auch bei hohen kirchlichen Würdenträgern der fränkischen Kirche so geartet, dass sie zu den anklagenden Worten Bonifatius Anlass gaben. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass diese Würdenträger sich aus dem Adel rekrutierten und somit auch dessen Lebensstil frönten. Aber auch dann erfuhren sie wütende Kritik aus des Bonifatius Feder, wenn sie nicht streng nach römischem Kirchenrecht, sondern nach Landesgesetz lebten:
Meinem teuersten Herrn, den mit dem Schmucke höchsten Priestertums bekleideten apostolischen Mann Zacharias Bonifatius, Knecht der Knechte Gottes.
....
Euch, o Vater, sei auch kund, dass mich der Frankenfürst Karlmann kommen ließ und das Verlangen stellte, ich möchte Anstalten treffen, in dem Teil des Frankenreichs, der seiner Gewalt untersteht, eine Synode zu versam- meln. Und er versprach, dass er die schon seit seit langer Zeit, nämlich seit 60 oder 70 Jahre mit Füssen getre- tene und aufgelöste kirchliche Ordnung einigermaßen bessern und wiederherstellen wolle. Wenn er dies unter Gottes Eingebung wahrhaftig auszuführen gedenkt, denn muss ich Entschließung und Vorschrift Eurer Macht- vollkommenheit, des apostolischen Stuhls, wissen und kennen. Denn die Franken haben nach der Aussage be- jahrter Männer mehr als 80 Jahren weder eine Synode abgehalten noch einen Erzbischof gehabt, noch ir- gendwo kirchliche Rechtssatzungen begründet und erneuert. Augenblicklich sind die Sitze in den Bischofs- städten größtenteils habgierigen Laien und eingedrungenen, der Unzucht oder dem Gelderwerb frönenden Klerikern lediglich zu weltlichem Genuss ausgeliefert. Soll ich also diese Angelegenheit in Eurem Namen auf Anregung des genannten Fürsten anfassen und in Fluss bringen, dann wünsche ich Vorschrift und Entscheidung des apostolischen Stuhls nebst den kirchlichen Satzungen zur Hand zu haben.
Wenn ich unter ihnen Leute finde, die sich Diakonen nennen, dabei aber von Jugend an in Unzucht, Ehebruch und jeglichem Schmutz lebten, trotz solchem Leumund zum Diakonat gelangten und jetzt als Diakonen vier, fünf und mehr (Anm: :-o ) Beischläferinnen im Bett haben, dabei aber nicht erröten, noch sich scheuen, das Evan- gelium zu lesen und sich Diakonen zu nennen, wenn sie dann, in solchem Unflat zur Priesterweihe gelangt, in ihr in gleichen Sünden verharren und Sünden auf Sünden häufen, trotzdem das Priesteramt ausüben und behaupten, für das Volk Fürbitte einlegen und das heilige Opfer darbringen zu können, wenn sie dann endlich, was dem Übel die Krone aufsetzt, trotz solcher Bezichtigung alle einzelnen Weihegrade durchlaufend, zu Bischöfen ge- weiht, und so genannt werden, dann muss ich doch Vorschrift und Entscheidung Eurer MAchtvollkommenheit haben, was ihr über solche Leute verfügt, damit ich derartige Sünder, gestützt auf die apostolische Entschlie- ßung, entlarven und bestrafen kann. Dann wieder gibt es unter ihnen Bischöfe, die zwar behaupten, keine Hurer und Ehebrecher zu sein, die aber Trinker, Zänker, oder Jäger sind, gewappnet im Aufgebot zu Felde ziehen und mit eigener Hand Menschenblut, gleichgültig ob von Heiden oder Christen, vergießen.
...
Die ungeschlachten und einfältigen Menschen, die Alamannen, Bajuvaren oder Franken wähnen nämlich, wenn sie eine von den Sünden, die wir ihnen nicht durchlassen, in der Stadt Rom begehen sehen, das dies von den Priestern erlaubt und gestattet sei, machen uns darob Vorwürfe und leiden Ärgernis für ihre eigene Lebens- führung.
(Auszug aus einem Brief des Bonifatius an Papst Zacharias, vermutlich 742)
Aber auch mit 'Kollegen' und 'Leidensgenossen', angelsächsischen Missionaren wie er selbst, die ebenfalls im wilden Germanien ausharrten, führte er rege Korrespondenz, ebenso wie mit Ordensschwestern in der Heimat. Bereits früh hat er mit dem Schreiben seiner Briefe begonnen. Der folgende Ausschnitt eines Briefes aus dem Jahre 716, der an die Äbtissin Eadburg von Thanet gerichtet ist, ist insofern interessant, da er über die Vision eines Mönches im Kloster Wenlock berichtet, die wie eine moderne Nahtoderfahrung geschildert ist:
'… Du batest mich, geliebte Schwester, die wunderbaren Gesichte von jenem Wiedererweckten, der neulich im Kloster der Äbtissin Milburg starb und wieder zum Leben erwachte, die er geschaut hat, schriftlich aufzeichnen und übersenden zu lassen, so wie ich diese durch den Bericht der verehrungswürdigen Äbtissin Hildelida ken- nengelernt habe. Zunächst nun danke ich dem allmächtigen Gott, dass ich darin Deiner Lieben Wunsch unter Gottes Beistand um so vollständiger und zuverlässiger erfüllen kann, weil ich selbst mit dem erwähnten wieder- erwachten Bruder, als er unlängst aus den Ländern jenseits des Meeres in unsere Gegenden kam, gesprochen habe und er mir bei einer besonderen Unterredung die erstaunliche Gesichte berichtet hat, die er nach der Entrückung aus seinem Leib im Geiste gesehen hat.
...
Er sagte nämlich, er habe infolge des Schmerzes einer heftigen Erkrankung plötzlich die Schwere des Körpers verloren. Und es sei ganz ähnlich im Vergleich, wie wenn die Augen eines Menschen mit sehendem und wachen Zustand plötzlich mit der dichtesten Decke verhülle und nun die Hülle plötzlich wegnehme und jetzt alles sichtbar sei, was bisher unsichtbar, verhüllt und unbekannt war. So sei ihm nach Entfernung der Hülle des irdischen Fleisches die ganze Welt vereinigt vor Augen gewesen, so daß er alle Länder, Völker und Meere der Welt mit einem Blick übersah. Und nach dem Austritt aus dem Körper hätten ihn die Engel in Empfang genommen, deren Klarheit und Glanz so groß war, daß er des allzugroßen Glanzes wegen keinesfalls zu ihnen aufschauen konnte. Diese sangen mit lieblichen und wohllautenden Stimmen: `Herr, strafe mich nicht in Deinem Grimm und züchtige mich nicht in deinem Zorn.'
...
(Auszug aus einem Brief des Bonifatius an die Äbtissin Eadburg von Thanet, 716)
Zurück zur Bibliotheksseite, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite
© 2008, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten