Sælde und êre - Gewandung in der mittelalterlichen Literatur

Wigalois - Gewandung der Flôrîe, Teil 2

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Tierschützer hätten mit dem Innenfutter des Oberkleides wohl weniger Freude ... - Bildauszug aus dem Codex Manesse

Wirnt von Grafenberg wendet in seinem höfischen Wigalois etwa 230 Verse dafür auf, um den Erstauftritt der Fee Flôrîe, der Toch- ter des König Jorams, zu beschreiben. Einen guter Teil dieser Schilderung entfällt auf Gewandung, 'modisches' Zubehör und allerlei Schmuck. Es scheint, als sollte ihr Erscheinen nicht nur dem untadeligen Ritter Gawein, sondern auch der Zuhörerschaft den Atem rauben. Allein die Tatsache, dass Wirnt seinem adeligen Publikum eine derartig lange Beschreibung zumuten konnte, zeigt, wie wichtig diesen Kreisen eine derartige Demonstration von Wohlstand und gutem Geschmack war. Der gesellschaftliche Stand hatte sich nicht nur im Benehmen, sondern auch in vielfältiger Weise eben in Gewandung und Ausstattung wiederzuspiegeln ... (Siehe im Weiteren auch die Anmerkungen)

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Zum 1. Teil der Gewandung der Flôrîe,

Wigalois (801ff.)

...
Die edle Jungfrau hatte sich
sehr höfisch
in einen Mantel gehüllt,
weit und lang,
reichlich mit Gold beschlagen,
gefüttert, so wie sie dies wollte,
mit Pelzwerk aus Hermelin;
darin waren eingearbeitet
aus einer Fischhaut
- deren Haare bläulich waren
und die aus Irland stammte -
Mond und Sterne,
was den Innenpelz vortrefflich zierte;
Mit Hermelinschwänzen war er
innen verziert.
Das Pelzwerk überzog
ein derart gute Siglatstoff,
dass in der Welt kein besserer zu finden ist.
Die Tasseln waren
beide rot und gelb,
zierlich geschnitten
aus einem wertvollen Stein
mit heidnischer Kunstfertigkeit.
Der eine war ein Amatist,
der andere ein Hyazinth.
Ein Zobelschal reichte ihr bis zur Hand,
der war schwarz und breit,
graues und gelocktes Pelzwerk untermischt,
wie jetzt noch viele Damen tragen.

Vorne an ihrem Halsausschnitt
befand sich Herr Amor,
so meisterlich aus Stein geschnitten,
das es fast schien,
als lebte er.
Einen goldenen Pfeil
hielt er in der linken Hand,
in der anderen eine Fackel;
das zierliche Kunstwerk war
aus einem Karfunkel
vortrefflich geschnitten;
klein wie eine Bohne
war der selbe Stein.
...
Damit verschloss sie ihr Brustkleid
nach französischer Sitte.
...

Die Jungfrau trug ein Schapel,
das war blau und gelb,
rot, braun und weiß;
große Sorgfalt hatte man darauf aufgewendet,
mit Göldfäden und Seide.
Wer ihr das nun neiden möchte,
dass sie so schön gekleidet war,
der beginge eine große Torheit,
denn es schadet niemandem
was immer ich auf sie bürden mag,
an Seide und Borten
und an Schmuck - mit Worten.
...

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Anmerkungen:

Wirnts ausführlicher 'Modeabschnitt' ist daher auch kein Unikat im mittelalterlichen bzw. mittelalterlich-deutschen Literaturschaf- fen. Als höfisches Vorbild für derartig wortreiche Gewandungsbeschreibung gilt dabei die Schilderung des Jagdgewandes der Dido in Heinrich von Veldekes Eneasroman (Vers 1687ff). War jedoch in solchen Texten eine Beschreibung von oben nach unten üblich (de capite ad calcem - 'von Kopf bis Fuß'), so geht der Autor im vorligenden Werk von diesem Schema ab. Ja, er beschränkt sich bei seiner Beschreibung zudem auf die Partie oberhalb des Gürtels.

Auch verzichtet Wirnt auf allzu eindeutige Benennung der zweifellos vorhanden körperlichen Reize der Flôrîe; ihre Schönheit lobt er in allgemeinen Ausdrücken ('... ein sô schœniu maget daz ninder lebte ... ir gelîche bî der zît ...'), er preist die Vollkommenheit ihres Gesichtes und - schon der Gipfel an Gewagtheit in seiner Schilderung - die helle, rosige Farbe ihres Körpers, ohne dabei ins Detail zu gehen. Doch muss der (möglicherweise) darob enttäuschte Leser nicht auf erotische Bezüge verzichten - natürlich nicht, denn die höfische Literatur ist durchaus eine sehr sinnesfreudige - doch hat er sie im Wigalois zumeist in subtilerer Form aufzuspüren.

So findet sich an Flôrîes Halsausschnitt (im Mittelhochdeutsch so trefflich als 'houbetloche' - Kopfloch bezeichnet) eine Gemme, also ein Schmuckstein, der ihr Brustkleid verschließt. Das Motiv auf diesem Stein ist bezeichnenderweise der Liebesgott Amor, trefflich geeignet, um dem staunenden Gawein all das zu verheißen, was durch die prächtige Gewandung so sorgfältig verdeckt wird ...

Natürlich entspricht die äußerliche Schale der Flôrîe, ihre Bekleidung, in all ihrer Pracht und all ihrem Reichtum der unbeschreiblich- en Schönheit ihrer Trägerin: auserlesene Seidenstoffe, feinstes Pelzwerk, Zobelschal - selbstverständlich ist all dies vorhanden. Doch damit nicht genug. Bis ins kleinste Detail hat alles stimmig zu sein und zu passen. So zeigt die Schnalle, die ihren Gürtel schließt, nicht etwa irgendein beliebiges Motiv, sondern einen goldenen Adler, das Wappentier ihres Vaters.

Die Verwendung von Fischfell ('hiute vischîn'), behaart und bläulich, zur Verzierung der hellen Hermelinausfütterung verwendet, mag uns in all dieser Pracht etwas eigenartig vorkommen - vorerst. Nun galt den mittelalterlichen Autoren beinahe alles, was im Wasser beheimatet war, als Fisch. Somit auch Robben, von deren Fell hier eigentlich die Rede ist ...

Überlegt man abschließend, welches Gewicht wohl eine Gewandung wie die beschriebene besitzen müsste, so wird man erkennen, dass es sich hierbei allenfalls um eine Repräsentationskleidung handeln könnte, die für den Gebrauch im täglichen Leben nicht nur zu kostbar, sondern auch zu unhandlich wäre. Wäre, denn schließlich wird es wohl nicht viele Damen gegeben haben, die sich ei- nen derartigen Luxus auch wirklich leisten hätten können. Wirnt selbst räumt ja in seinem Text ein, dass es sich nur um eine Phan- tasieschöpfung, um ein Kunstprodukt seines Geistes handelt ('... swaz ich ûf si mac geladen ... mit worten ...'). Andererseits, Flôrîe ist eine Fee, und dass deren Kleiderschränke meist gut ausgestattet sind, weiß man ja. Kunststück, wenn man über einen Zauberstab verfügt ;-)

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