Sælde und êre - Gewandung in der mittelalterlichen Literatur

Eneasroman - Die Jagdausstattung der Dido

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Königin Dido reitet mit Eneas zur Jagd - Bildauszug aus dem Cod. Pal. germ. 403, Straßburg, um 1419

Wenn mittelalterliche Autoren die Bekleidung ihrer Figuren schildern, dann ist dies keine Angelegenheit, die in ein, zwei Sätzen erle- digt ist. Ganz im Gegenteil, oft gehen die Beschreibungen liebevoll bis ins kleinste Detail; so etwa im Wigalois, wenn Florie erstmalig vor die Augen des staunenden Helden tritt, oder in den sogenannten Schneiderstrophen des Nibelungenliedes. Dies erstaunt uns, würden wir es doch verständlicher finden, wenn anstatt der all dieser modischen Details eher die körperlichen Vorzüge der Damen selbst zur Sprache kämen ... (Nun, in manchen Werken geschieht dies auch - aber auch dann geht dem immer die Modenschau voraus). Auch im vorliegenden Textbeispiel, das dem Eneasroman des Heinrich von Veldeke entnommen ist, finden sich ein solcher, sehr häufig zitierter Modeabschnitt.

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Eneasroman (1687ff.)

...
Dido, die Mächtige,
war herrschaftlich
ausstaffiert mit Kleidung,
die sie im Land
einfach hatte erwerben können,
so, wie es ihr dünkte,
dass es ihr aufs beste anstand
und ihr auch zukam,
mit Gold und Edelsteinen.
Ihr Untergewand war fein,
weiß und wohl genäht.
Darin waren viele Goldfäden eingearbeitet.
Es war eng an ihren Körper angepasst.
Sie war eine wohlgestaltete Frau,
die nicht schöner hätte sein können.
Ihr Pelzkleid bestand aus Hermelin,
weiß und sehr kostbar,
das Kehlstück blutrot,
die Ärmel passend weit,
darauf grüner Samt
ihr auf den Leib geschneidert.
Ungern hätte sie darauf verzichtet.
Es war schön verziert
und prächtig geschmückt
mit Perlen und Bändern,
wie sie dazu gehörten.
Es stand ihr sehr wohl,
als sie es sich angelegt hatte.
Sie umgürtete sich
mit einem teuren Band,
das nach ihrem Wunsch
mit Silber und Gold gewirkt war.
Ihr Mantel war
aus grasgrünem Samt,
das Pelzfutter aus weißem Hermelin
und nicht zu übertreffen,
der Zobelbesatz braun und breit.
Weil sie zur Jagd ausritt,
war ihr Mantel nicht lang.
Sie wußte wohl, was sie antrieb.
Sie trug passend ihre Kopfbedeckung.
Ihr Haar war umwunden
mit einem kostbaren Band.
Dann brachte man ihr einen Hut
aus grünem Samt.
Hört die Wahrheit:
Ein Band wand sich darum.
...
Zwei goldene Sporen
hatte man ihr angeschnallt.
...
Rotes Gold, wohl geschmolzen
glänzte wider den Tag,
das an ihrem Gewande lag
und an ihrem Geschmeide.
Viel Gold und Seide
waren an ihrer Kleidung.
...

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Anmerkungen:

Heinrich von Veldeke hat bei der Gestaltung seines Werkes nicht Vergils Aeneis, sondern eine französische Vorlage, den Roman d'Énéas, benützt. Dabei handelt es sich um einen Antikenroman, also einen Roman, der ein Thema aus der Antike aufgreift, aber den zeitgenössischen Gepflogenheiten und Vorlieben anpasste. Daher finden sich Ritterkämpfe, die Liebe aber auch höfische Sitten und Gebräuche, was wiederum die Werke für uns zusätzlich interessant macht. Die Schilderung des Jagdgewandes der karthagi- schen Königin Dido in Veldekes Eneasroman stellt eine derartige Anpassung an den höfischen Geschmack der damalige Zeit dar.

Die Entstehung eines Großteils des Werkes wird in die siebziger Jahre des 12. Jahrhunderts datiert, fertiggestellt ist er wohl erst um 1186 worden. Entweder ist nämlich das Manuskript zwischenzeitlich für einige Jahre 'ausgeborgt' bzw entführt worden oder aber Veldeke hat für einige Jahre auf einen spendablen Gönner verzichten müssen, womit die Arbeit an einem derartig aufwändigen Unterfangen für einige Jahre ruhte musste, weil nicht finanzierbar. Die Entstehungszeit macht aber aus dem Eneasroman den Urva- ter des deutschsprachigen höfischen Romans.

Die beschriebene Gewandung hat natürlich nichts mit antiker punischer Kleidung zu schaffen. Vielmehr schildert uns der Autor die höfische Mode seiner Zeit. Da lesen wir etwa, dass es für die Dame passend war, eine Kopfbedeckung zu tragen, dass das Leben der Zobel und Hermeline damals ein gefährliches war und dass man für gewisse Tätigkeiten - wie etwa hier für den Jagdausritt - schon mal auf Bequemes, nämlich einen kürzeren Mantel, zurückgreifen konnte.

Die Urenkel unseres Hermelins führten übrigens auch drei Jahrzehnte später immer noch ein aufregendes Leben, wie ein Vergleich mit der Gewandung der Florie aus dem Wigalois (ca. 1220 entstanden) zeigt. Offensichtlich änderte sich die Mode damals noch nicht mit derselben rasenden Geschwindigkeit wie in der heutigen Zeit, in welcher der Autor dieser Zeilen immer wieder feststellen muss, dass er nicht mehr am letzten Stand ist, da es ihm immer noch eines schicken, zum Anzug passenden Maurerkäppeleins er- mangelt...

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