Saelde und Ere - Mittelhochdeutsche Originaltexte

'Ehret die Damen ... ' verlangt Dietrich von der Glezze

Zieht sie an euch und herzt sie, die Damen; Codex Manesse: Von Stadegge, erste Hälfte 14. Jhdt.

Männer, lasst euch eines gesagt sein! Die Frauen sollt ihr ehren, denn ein Kuss ihrer roten Lippen kann mehr Freude bereiten, als alles Gold und alles Silber der Welt zusammen! Ihre Liebe kann euch jegliche Sorge vertreiben. Oh, ja, längst schon fanden wir es höchst an der Zeit, der besseren Hälfte der Menschheit den ihr wohlfeilen Lob zukommen zu lassen. Doch - höre und staune, Leser - als wir uns um der rechten Worte davür den Kopf zerbrachen, kam uns von unerwarteter Stelle die Literatur zu Hilfe ...

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Ehret die Damen ...
(Der Borte, Vers 863 ff)

Ich gäbe alles Silber, alles Gold,
wären mir dafür die Damen hold.
Niemand kann in Worte fassen,
was die edlen Frauen
an hohen Freuden denen geben,
die sich in ihren Dienst begeben.
Ihr Männer, ich will euch lehren,
die Damen sollt ihr ehren
und euch ihrem Dienst ergeben,
denn ihre roten Münder
und ihre weißen Wangen
vertreiben euch selbst die größte Pein.
Alle sittsamen jungen Frauen
sollen immer gepriesen sein!
Und von Herzen wünsche ich ihnen,
dass sie jeglicher Kummer verschone.

Vrouwen sult ir êren ...
(Der Borte, Vers 863 ff)

Ich næmz vür silber und golt
daz mir wæren vrouwen holt.
nieman kan geschrîben
von den reinen wîben.
Waz si hoher vröude gebent
den, die in ir dienste lebent.
Ir man, ich wil iuch lêren,
vrouwen sult ir êren
Und sult in untertænik sin;
wand iriu rôten mündelîn
und ir wîzen wengelîn
diu bringent iuch von grôzer pîn.
Alliu reiniu vröuwelîn
diu muezen immer sælik sîn!
Des wünschet in daz herze mîn
nu stætiklîchen âne pîn.

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Anmerkungen:

Doch nicht etwa im zwanzigsten Jahrhundert oder im einundzwanzigsten gar, welches letztere etwa das schöne alte Wort Fräulein gar nicht mehr recht kennen will - allenfalls FrauInnen, HerrInnen und KanzlerInnen sind noch zulässig -, wurden wir eines schönen Textes, eines wunderbaren Lobes fündig!

Nein, ausgerechnet eine Stimme aus dem 'finsteren', durchwegs als frauenfeindlich geltenden Mittelalter erhebt sich zu obigem Preisgesang der Frauenwelt. Sie gehört dem Dietrich von der Glezze, von dem wir nicht viel mehr kennen als ein einziges Werk, 'Der Borte' (Der Gürtel), das man ins späte 13. Jahrhunderts datieren zu können glaubt.

Zudem vermuten wir in ihm auch noch einen Gefolgsmann der Vögte von Weidenau, denn einem solchen - dort als Frauenverehrer gerühmt - ist besagte Märe gewidmet. Anbei bemerkt: Dass der Dichter mit den gepriesenen 'vrouwen' hauptsächlich, wenn nicht gar ausschließlich die Damen von hohem Stand meint, macht dieser Beitrag deutlich.

Obwohl wir also um den Dichter recht wenig wissen, muss uns das nicht wirklich betrüben. Denn als eigentlicher Erzähler offenbart sich uns im Text der titelgebende Gürtel - und der weist neben einer für Ausstattungsutensilien unüblichen Geschwätzigkeit noch eine Reihe weiterer äußerst bemerkenswerter Eigenschaften auf.

So bemerkenswert, dass sogar eine wunderschöne, ganz und gar untadelige Dame um seinetwillen ... nein, nein, das zu schildern, würde an dieser Stelle zu weit gehen - schon aus Jugendschutzgründen, aber auch aus gegebenem Anlass des Frauenlobes. Wiewohl sich gegen Ende der Erzählung offenbart, dass sie alles ohnehin nur in der Absicht, zum Besten ihres Gemahls beizuwirken, ertragen (gelitten/genossen?) hat ...

Aber, das sei verraten, wir wollen eines unserer Auge auf dieser delikaten Angelegenheit ruhen lassen, um euch zu gegebener Zeit mehr darüber zu berichten. Zumal es dabei ja, wie bei Mären durchaus üblich, erotisch recht ordentlich knistert. Knistert? Nun, eigentlich schon brennt (Neugierig auf die Dame, die solches verursacht? Dann findet ihr ihre Beschreibung hier). Zudem auch auf eine, für die mittelhochdeutsche Literatur unübliche, recht originelle Weise. Lasst euch also überraschen, wie dieser Augenstern der Damenwelt ihren in Liebesdingen so stockkonservativ denkenden Gatten zu belehren versteht ...

Schönheit, gepaart mit recht viel Tugend und Klugheit dazu - wahrlich, da bleibt nur zu loben ...

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