Saelde und Ere - Mittelhochdeutsche Originaltexte

'Gerner het ich mit ir gemeine' wünscht sich Heinrich von Veldeke

Minnepaar, Spiegelkapsel aus Elfenbein, Frankreich, 14. Jhdt.

Ach die Minne! Ist sie es nicht, die rosarote Streifen in einen trübgrauen Regenhimmel zaubert, all die süßen kleinen Vöglein auf den Zweigen zum Jubilieren und die Blüten zum Erblühen bringt und selbst den härtesten Haudegen Seufzer der Sehnsucht zu entlocken vermag? Und wenn wir schon von den Haudegen und der Minne sprechen, wo wären wir besser aufgehoben denn im hohen Mittelalter, die da die Zeit eines Walthers war oder eines Heinrich von Morungen, eines Wolframs oder eines Gottfried von Straßburg?

Denn sind denn diese Herren nicht bereit alles zu tun, im ihrer heren Frouwe zu dienen, sind sie nicht bereit, ungeheuren Risiken zu trotzen, der Entdeckung durch missgünstige Ehemänner oder dem Sturz aus dem an der Mauer baumelnden Korbe? Geduldiges Ausharren, das Preisen der Angebeteten selbst im Angesicht aller Entbehrungen und Gefahren, welche vielleicht einmal aufgewogen werden durch einen beiläufig zugenickten Gruß der Angebeteten - gibt es den Schöneres, das sich ein minnender Ritter vorstellen könnte?

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Lieber hätt' ich mit ihr zusammen

Lieber hätt' ich mit ihr zusammen
tausend Mark, wo immer ich wollte,
und einen Schrein voll Gold,
als dass ich von ihr sollte
fern sein, krank, arm und allein.
Dessen kann sie sich von mir gewiss sein,
dass dies die Wahrheit über mich ist.

Gerner het ich mit ir gemeine

Gerner het ich mit ir gemeine
tûsent marke, swâ ich wolde,
unde einen schrîn von golde,
dann ich von ir wesen solde
verre siech, arm und eine.
des sol si sîn von mir gewis,
daz daz diu wârheit an mir is.

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Anmerkungen:

Ja doch, meint im späten 12. Jahrhundert zumindest Herr Heinrich von Veldeke, den wir als Epiker ebenso kennen wie - etwas weniger prominent - als Verfasser von Minneliedern (siehe etwa hier, wo es auch einiges über Herrn Heinrich zu erfahren gibt).

Sicherlich meint auch er (- das unterstellen wir in Anbetracht anderer Meinungsäußerungen an dieser Stelle einfach einmal -), dass es recht minnegerecht wäre, die Herrin in großer Not und Entbehrung zu loben und zu preisen und sich unentwegt nach ihr zu sehnen. Und auch wir achten dieses Verhalten nicht gering, nein, nein, gewiss nicht, ...

... aber noch besser wäre es wohl, mit einem Kasten Gold und tausend Mark in den Taschen bei der Liebsten zu sein als ihr ferne, arm und siech und krank - zumindest nach Herrn Heinrichs Dafürhalten. Eine Meinung, der wir uns vobehaltlos anschließen können. Zumal nicht jede Liebste allzulanges Fernbleiben und Armut gepaart mit edler Haltung, wenn auch aus edlen Motiven heraus, ähnlich zu gutieren weiß wie einstens die schöne Florentinerin Giovanna des Giovanni Boccaccio.

Eine recht pragmatische Haltung also, resultierend aus reicher Lebenserfahrung? Oder nicht vielmehr doch eine ironische Replik auf die Idelae der hohen Minne? Immerhin, Ehrlichkeit kann dem Ich des Liedes keinesfalls abgesprochen werden. Und die ist bekanntlich wichtig in einer Beziehung, wenn sie denn länger dauern soll als nur einen Mai! Wir empfinden den Siebenzeiler des Herrn Heinrich in seiner Kürze und Prägnanz jedenfalls als recht erfrischende Abwechslung unter all den sonst so heren und idealistischen Lobpreisungen der Sänger. Denn, seinen wir uns ehrlich, was ist schon auszusetzen an einer Kiste Gold?

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